Experten diskutieren Konsequenzen aus dem McLaren-Report
Der Sportausschuss hat sich am Mittwoch, 26. April 2017, unter Vorsitz von Dagmar Freitag (SPD) in einer öffentlichen Anhörung mit möglichen Konsequenzen aus dem sogenannten McLaren-Report beschäftigt. Der vom kanadischen Sportrechtler Richard McLaren im Auftrag der Welt-Antidoping-Agentur (Wada) erstellte Untersuchungsbericht zeigt das System des Staatsdopings in Russland von 2011 bis 2016 auf. Ein erster Bericht (McLaren Investigation Report Part I) wurde im Juli 2016, ein zweiter (McLaren Investigation Report Part II) im Dezember 2016 veröffentlicht. Laut dem McLaren-Report wurden unter Einflussnahme staatlicher Stellen systematisch Dopingproben russischer Athleten zum Schutz vor positiven Tests manipuliert.
McLaren hält an den Ergebnissen fest
Richard McLaren betonte vor dem Ausschuss, er halte an den von ihm dargestellten Ergebnissen fest. Danach hat das Moskauer Antidopinglabor zum Schutz gedopter russischer Athleten innerhalb eines staatlich verordneten, ausfallsicheren Systems gearbeitet.
Außerdem habe sich das Labor in Sotschi einer raffinierten Probenaustauschmethode bedient, um gedopten russischen Athleten die Teilnahme an den Olympischen Spielen zu ermöglichen. Dies alles sei vom russischen Sportministerium geleitet, gesteuert und überwacht worden, sagte McLaren. Was die Reaktionen auf seinen Bericht angeht, so zeigte sich der Kanadier enttäuscht. Es stelle sich für ihn die Frage, ob im internationalen Sport überhaupt der Wille zu Änderungen beim Antidopingkampf besteht.
IOC: Wir nehmen die Dopingbekämpfung sehr ernst
Das Internationale Olympische Komitee (IOC) habe viele Vorschläge zur Reform des Antidopingsystems gemacht, entgegnete IOC-Generaldirektor Christophe de Kepper und verwies unter anderen auf die geplante Schaffung einer unabhängigen Dopingtestbehörde. Die Anregungen aus dem McLaren-Report nehme das IOC dabei sehr positiv auf, sagte de Kepper. „Wir nehmen die Dopingbekämpfung sehr ernst“, betonte er. Gefragt, ob er eine Bewusstseinsänderung im russischen Sportsystem erkennen könne, sagte der IOC-Vertreter, der russische Staat gebe inzwischen zu, dass es ein Problem gibt. Der benötigte Kulturwandel werde jedoch eine gewisse Zeit brauchen.
Der Kritik am Verzicht des IOC, das russische Nationale Olympische Komitee (NOK) – und damit sämtliche russische Sportler – bei den Olympischen Sommerspielen 2016 komplett zu sperren, entgegnete de Kepper, ein Drittel des russischen Teams habe zuhause bleiben müssen. Mit weiteren Sanktionen sei zu rechnen, wenn die beiden vom IOC eingesetzten Kommissionen (Oswald-Kommission, Schmid-Kommission), die die Dopingproben aller russischen Sportler bei den letzten drei Olympischen Spielen nachanalysieren, ihre Berichte vorlegen würden.
Forderung nach mehr Geld für die Wada
Mehr finanzielle Mittel für die Wada forderte deren Europadirektor Benjamin Cohen. Nur mit einem ausreichenden Budget könne die Wada ihre wachsenden Aufgaben erfüllen. Zugleich wies er den Verdacht zurück, es gebe Einflussnahmen von außen auf die Arbeit der Wada. Es gebe keinen Druck, Dinge zu verschleiern, betonte Cohen.
Kritik am Antidopingkampf des IOC übte der Fernsehjournalist Hajo Seppelt, der mit seinen Recherchen maßgeblich zur Aufdeckung des Dopingskandals in Russland beigetragen hat. Es sei eine Mogelpackung, wenn das IOC sage, es wolle die Wada stärken. Meine man das ernst, müssten die Befugnisse der Wada derart erweitert werden, dass sie nicht nur die Regeln überwachen, sondern auch Sanktionen beschließen und durchsetzen darf – bis hin zur Sperrung einzelner NOKs.
Seppelt zeigte sich – ebenso wie die Vorsitzende der Nationalen Antidoping-Agentur in Deutschland (Nada), Dr. Andrea Gotzmann – skeptisch, was den Bewusstseinswandel im russischen Sport angeht. Russische Funktionäre und Verbände zeigten noch immer keine Einsicht, befand der Journalist.
Nada-Chefin sieht kein Problembewusstsein in Russland
Auch Nada-Chefin Gotzmann sah – anders als der IOC-Vertreter – „keine Eingeständnisse, dass es ein Problem in Russland gibt“. Enttäuscht zeigte sie sich auch vom IOC, das trotz Beweisen für den staatlich organisierten Betrug in Russland keine Konsequenzen gezogen habe. Die sauberen Sportler seien die Verlierer dieses Nichthandelns, sagte Gotzmann. Zugleich forderte sie eine Reform und Stärkung der Wada. Derzeit fehle es dort an Professionalität, urteilte sie.
Vor dem Hintergrund, dass die NOKs verantwortlich für die Einhaltung des Wada-Codes sind, „ist es für den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) unvorstellbar, mit welcher Mannschaftsstärke Russland in Rio präsent war“, sagte DOSB-Präsident Alfons Hörmann. So etwas dürfe sich nicht wiederholen, betonte er. „Es darf keine Kompromisse im Antidopingkampf geben“, sagte der DOSB-Präsident. (hau/26.04.2017)
Liste der geladenen Sachverständigen
- Prof. Richard H. McLaren
- Christophe de Kepper, Generaldirektor IOC
- Benjamin Cohen, WADA European Regional Office and International Federations Relations Director
- Dr. Andrea Gotzmann, Vorsitzende der Nationalen Antidoping-Agentur (NADA)
- Hajo Seppelt, Journalist
- Alfons Hörmann, Deutscher Olympischer Sportbund
- Dr. Michael Vesper, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)