Verteidigung

Wehrbeauftragter klagt über zu viel Bürokratie in der Bundeswehr

„Zu viel Bürokratie, zu viel Fremdbestimmung, zu viel Verantwortungsdiffusion, zu viel ,Melden macht frei‘, zu viel Absicherungsdenken – dies sind Klagen, die ich in beinah jedem Gespräch mit Soldatinnen und Soldaten über die Lage der Bundeswehr und der Inneren Führung heute zu hören bekomme“, schreibt der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages Dr. Hans-Peter Bartels in seinem Jahresbericht 2017 (19/700). Bartels hat den Wehrbericht am Dienstag, 20. Februar 2018, an Bundestagspräsident Dr. Wolfgang Schäuble übergeben.

Trendwende bei der „Mentalität“ verlangt

Zwei Männer sitzen nebeneinander vor zwei Fahnen und halten mit jeweils einer Hand eine Bundestagsdrucksache.

Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages Hans-Peter Bartels (links) bei der Übergabe seines Jahresberichts 2018 an Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble. (DBT/Melde)

Darin mahnt der Wehrbeauftragte, dieser „schleichenden Tendenz zur Aushöhlung der persönlichen Führungsverantwortung“ müsse immer wieder bewusst und aktiv entgegengesteuert werden, sonst werde auch „Innere Führung“ hohl. Gute Führung baue auf gegenseitigem Vertrauen auf. Das müsse wachsen, brauche Zeit, Anwesenheit, Raum zum kameradschaftlichen Gespräch – und eine ganzheitlichere Ressourcenverantwortung der Chefs und Kommandeure.

Die Bundeswehr braucht nach Ansicht des Wehrbeauftragten eine „Trendwende Mentalität“ auf allen Ebenen. „Je zuständiger jemand ist, desto verantwortlicher sollte er entscheiden dürfen, vom Tagesdienst in der Truppe bis zum Rüstungsprozess in den Ämtern. Das schließt übrigens die Möglichkeit ein, Fehler zu machen und aus ihnen zu lernen“, lautet Bartels‘ Plädoyer.

Weniger Eingaben als 2016

Im Berichtsjahr gingen beim Wehrbeauftragten nach eigenen Angaben 2.528 persönliche Eingaben ein, das sind 669 weniger als noch 2016. Die Ursache für diesen Rückgang sieht Bartels in einer gewissen strukturellen Beruhigung nach der langen Unsicherheitsphase der Bundeswehrreform von 2011.

Insgesamt seien 4.173 Vorgänge zu bearbeiten gewesen nach 4.560 im Vorjahr. Die Zahl der auf dem Dienstweg gemeldeten „meldepflichtigen Ereignisse“ sei erheblich angestiegen, von rechtsextremistischen Verdachtsvorfällen über unangemessenes Führungsverhalten bis zu sexueller Belästigung, zum Teil auch als Nachmeldung von Ereignissen aus Vorjahren.

„Enorme personelle Unterbesetzung“

Dieser Meldeboom erklärt nach Ansicht des Wehrbeauftragten die gestiegene Sensibilisierung aufgrund der Debatten des ersten Halbjahres 2017. Bereits im letzten Jahresbericht habe er auf das sich aus Umfragen ergebende Dunkelfeld im Bereich von sexueller Belästigung und Mobbing hingewiesen, schreibt Bartels. Da die Zahlen zunächst meist nur Verdachtsmeldungen zusammenfassten, seien sie mit Vorsicht zu verwenden. Das Verteidigungsministerium habe 2017 eigens ein neues Referat eingerichtet, das „künftig wohl auch eine Statistik der nachverfolgten Fälle vorlegen kann“.

Dem Bericht zufolge gab es Ende 2017 169.000 Zeit- und Berufssoldaten, das sind 650 mehr als Ende 2016. Nach wie vor herrsche in vielen Bereichen der Bundeswehr eine enorme personelle Unterbesetzung, die sich durch Abordnungen zur Verstärkung der Ausbildungseinrichtungen und durch die Personalbedürfnisse des neu aufgestellten Organisationsbereichs Cyber- und Informationsraum noch verstärkt habe. Bis 2024 soll die Bundeswehr von der alten Sollstärke von 185.000 auf 198.000 Soldatinnen und Soldaten (einschließlich der freiwillig Wehrdienstleistenden und Reservisten) wachsen.

21.000 Offiziere und Unteroffizieren fehlen

Nur ein Gesamtpaket aus attraktiven dienstlichen Rahmenbedingungen (Material, Infrastruktur, planbare Einsatzbelastung, Vereinbarkeit von Dienst und Familie), guten Laufbahnchancen und einer konkurrenzfähigen Bezahlung werde langfristig Erfolg versprechen, betont Bartels.

Vor der Presse sagte er am 20. Februar, oberhalb der Mannschaftsebene seien 21.000 Dienstposten von Offizieren und Unteroffizieren nicht besetzt. Weil so viel Personal fehle, bleibe der Dienst, der zu tun ist, an den Soldatinnen und Soldaten hängen, „die da sind“. Das führe nicht selten zu Überlast und Frustration.

„Teilweise herbe Rückschläge“

Gleichzeitig sei die materielle Einsatzbereitschaft der Truppe tendenziell noch schlechter geworden. Laufende Rüstungsprojekte litten oft unter schleppender Auslieferung. Eingeführtes Gerät sei zu oft nicht einsatzbereit, Ersatzteile fehlten überall. Die Defizite seien erkannt, Probleme könnten auf allen Ebenen offen angesprochen werden, eine politische Veränderungsabsicht bestehe – aber von einer wirklichen Umkehr des Trends könne noch lange nicht gesprochen werden, lautet das Fazit Bartels‘.

Teilweise seien sogar herbe Rückschläge zu verzeichnen gewesen wie beim Transportflugzeug Airbus A400 M. Ende 2017 sei zeitweise keine der in Dienst gestellten 14 Maschinen einsatzbereit gewesen. Von den sechs deutschen Unterseebooten sei zum Jahresende kein einziges betriebsfähig gewesen. Für Regierung und Parlament werde es wichtig sein, künftig darauf zu achten, dass neue Waffensysteme einschließlich Ersatzteilen, Prüfgeräten, Simulatoren und Ausbildungsperipherie in ausreichender Stückzahl bestellt werden: „Das wäre dann teurer, aber funktioniert besser.“

„Ungenügende Versorgung mit wichtigen Gegenständen“

Im Bereich der persönlichen Ausrüstung hat es aus Sicht des Wehrbeauftragten zwar einige Fortschritte gegeben. Dennoch sei die Versorgung mit wichtigen Gegenständen wie der Schutzweste ungenügend gewesen. 

Besonders negative Auswirkungen habe der Mangel an Material auf die Ausstattung für Ausbildung und Übung gehabt. Die immer noch notwendige Umverteilung der knappen Ausrüstung zwischen den Verbänden führe zu gewaltigem Mehraufwand. (vom/20.02.2018)

Marginalspalte