Antrag auf Einsetzung einer Enquete-Kommission stößt auf Ablehnung
Die AfD-Fraktion stößt mit einem Antrag auf Einsetzung einer Enquete-Kommission „Direkte Demokratie auf Bundesebene“ (19/1699) auf klare Ablehnung bei den übrigen Bundestagsfraktionen. In einer ersten Plenardebatte über die Vorlage sprachen sich am Donnerstag, 19. April 2018, Vertreter von CDU/CSU, SPD, FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen für mehr Bürgerbeteiligung aus, wandten sich aber zugleich klar gegen den AfD-Vorstoß.
Kommission soll einen Gesetzentwurf vorbereiten
Nach dem Willen der AfD soll die geforderte Enquete-Kommission einen Gesetzentwurf vorbereiten, der „insbesondere im Einklang mit dem Grundgesetz steht und die Vereinbarkeit der durch das Volk beschlossenen Gesetze mit höherrangigem Recht und dem Völkerrecht gewährleistet“. Dabei soll sie dem Antrag zufolge unter anderem untersuchen, welche konkreten Lehren sich aus den Erfahrungen mit direktdemokratischen Instrumenten auf Landes- und Kommunalebene ziehen lassen und inwieweit direktdemokratische Regelungen anderer Staaten wie etwa der Schweiz oder den USA in Deutschland übernommen werden können.
Ihre Ergebnisse und Handlungsempfehlungen soll sie laut Vorlage bis zur parlamentarischen Sommerpause 2019 vorlegen, damit noch in der laufenden Legislaturperiode „erste Umsetzungsschritte erfolgen können“.
Nach der Geschäftsordnung des Bundestages kann das Parlament „zur Vorbereitung von Entscheidungen über umfangreiche und bedeutsame Sachkomplexe“ eine Enquete-Kommission einsetzen; auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder ist der Bundestag dazu verpflichtet.
AfD: Sinnvolle Ergänzung der repräsentativen Demokratie
In der Debatte sagte der AfD-Abgeordnete Jochen Haug, seine Partei wolle die repräsentative Demokratie nicht durch direkte Demokratie ersetzen. Vielmehr solle direkte Demokratie die repräsentative „sinnvoll ergänzen“. Die AfD forderte Volksabstimmungen „im Wesentlichen in drei Konstellationen“, fügte Haug hinzu.
So dürfe es „ohne Zustimmung des Volkes“ keine Änderung des Grundgesetzes und keine Abgabe nationaler Souveränität an die EU oder andere internationale Organisationen geben. Auch müssten die Bürger über vom Parlament beschlossene Gesetze eine Abstimmung herbeiführen und auch eigene Gesetzesinitiativen auf Bundesebene einreichen können.
CDU/CSU: Einsetzung einer Expertenkommission geplant
Die CSU-Parlamentarierin Andrea Lindholz entgegnete, dass eine Entscheidung nicht automatisch deshalb besser sei, weil sie direkt demokratisch getroffen wurde. Auch ließen sich komplexe bundespolitische Themen oft nicht mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten.
Gleichwohl halte sie mehr Bürgerbeteiligung für wichtig. Dazu sei im Koalitionsvertrag vorgesehen, eine Expertenkommission einzusetzen. Diese solle Vorschläge erarbeiten, „wie unsere repräsentative Demokratie durch mehr Bürgerbeteiligung und direkte Demokratie ergänzt werden kann“. Es sei sinnvoll, diese Expertenvorschläge erst einmal abzuwarten.
FDP schlägt Bürger-Plenarverfahren vor
Der FDP-Abgeordnete Manuel Höferlin plädierte gleichfalls für mehr Bürgerbeteiligung. Dabei habe es der Bundestag in der Hand, mehr Bürger an seinen Verfahren zu beteiligen. So habe die FDP ein „Bürger-Plenarverfahren“ vorgeschlagen, bei dem im Bundestagsplenum über eine Petition zu einem wichtigen Thema, die von einer hohen Zahl von Bürgern unterstützt wird, in einer „Bürgerplenarstunde“ diskutiert werde.
Jede Fraktion mit Ausnahme der AfD habe eine Vorstellung, wie direkte Demokratie aussehen könne. Darüber werde die FDP gerne diskutieren, doch sei es falsch, das Thema in eine Enquete-Kommission „abzuschieben“.
SPD will Teilhabe aller Menschen erreichen
Der SPD-Parlamentarier Prof. Dr. Lars Castellucci betonte, er sei für direkte Demokratie, doch müsse man das Thema „weiter fassen“ als im AfD-Antrag. Castellucci verwies darauf, dass in der Schweiz ein Viertel der dortigen Steuerzahler von Volksabstimmungen ausgeschlossen sei, weil sie keinen Schweizer Pass hätten.
Er wolle dagegen die Teilhabe aller Menschen erreichen, was alleine mit den von der AfD vorgeschlagenen direktdemokratischen Verfahren nicht gelinge. Daher sei es gut, dass die Koalition auf eine Expertenkommission verständigt habe, die über eine „Stärkung der Demokratie insgesamt“ beraten solle.
Linke fordert Volksentscheide über die EU-Verträge
Für Die Linke befürwortete ihr Abgeordneter Friedrich Straetmanns grundsätzlich den Vorschlag, mehr Verfahren der direkten Demokratie einzuführen. Seine Fraktion fordere seit Langem, erweiterte Möglichkeiten direkter demokratischer Entscheidung zu eröffnen durch Volks- und Bürgerbegehren und -entscheide.
Zugleich fordere sie „obligatorische Volksentscheide über die EU-Verträge“. Dabei habe seine Fraktion bereits einen Gesetzentwurf zur Stärkung der direkten Demokratie vorgelegt. „Deshalb bedarf es hier nicht der Beerdigung zweiter Klasse in einer Enquete-Kommission“, fügte Straetmanns hinzu.
Grüne betonen den Minderheitenschutz
Die Grünen-Parlamentarierin Britta Haßelmann unterstrich, dass ihre Partei immer für Elemente der direkten Demokratie auch auf Bundesebene plädiert habe. Ihr sei aber bewusst, dass „direkte Demokratie auch für menschenverachtende Hetze“ missbraucht werden könne.
In dem AfD-Antrag komme das Wort „Minderheitenschutz“ indes nicht vor. Die Grünen wollten „die Debatte über direkte Demokratie“, aber keine Plattform „für Hetzkampagnen gegen Menschen anderer Herkunft, gegen Lesben und Schwule, Obdachlose, Andersdenkende, Andersgläubige oder sozial Benachteiligte“. (sto/19.04.2018)