Aktuelle Stunde

Kritik an der Daten­schutz-Grund­verord­nung in Aktueller Stunde

Über die Umsetzung der EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), die am 25. Mai 2018 in Kraft getreten ist, hat der Bundestag am Donnerstag, 7. Juni 2018, im Rahmen einer von der AfD-Fraktion beantragten Aktuellen Stunde über die Auswirkungen der Datenschutz-Grundverordnung diskutiert. Dabei äußerten Vertreter der Opposition Kritik an der Bundesregierung, die die zweijährige Anpassungsphase an die DSGVO nicht ausreichend genutzt habe, um über die Änderungen aufzuklären und zu informieren. Folge davon sei ein großes Maß an Verunsicherung. Der grundsätzlichen Ablehnung der AfD-Fraktion, deren Vertreterin Joana Cotar von einem „kaum zu toppenden Irrsinn“ sprach und die sofortige Aussetzung der DSGVO forderte, schlossen sich FDP, Linke und Grüne aber nicht an.

Die Datenschutz-Grundverordnung gilt einheitlich in allen EU-Staaten und sieht unter anderem eine deutliche Erhöhung der Bußgelder bei Verstößen gegen den Datenschutz vor. Diese können bis zu 20 Millionen Euro oder aber vier Prozent des weltweit erzielten Jahresumsatzes eines Unternehmens betragen. Durch die DSGVO werden auch die Anforderungen an eine rechtswirksame Einwilligung der betroffenen Personen erhöht und deren Rechte, insbesondere auf Information und Auskunft, erweitert. Die Verarbeitung personenbezogener Daten wird – außer in einigen Ausnahmefällen – nur mit der Einwilligung der betroffenen Person möglich sein.

AfD: Konjunkturprogramm für die Abmahnindustrie

Als ein „Konjunkturprogramm für die Abmahnindustrie“ bezeichnete Cotar die Datenschutz-Grundverordnung. Mit der Verordnung sollten die Großen getroffen werden, wie Google oder Facebook. Stattdessen stünden mittelständische Unternehmen, Start-ups, Vereine, Freiberufler und Ehrenamtliche nun vor einem Bürokratiemonster, „das vor Rechtsunsicherheiten nur so strotzt“, sagte die AfD-Abgeordnete und nannte dies eine „Wettbewerbsverzerrung zu Ungunsten der Kleinen“. Wenn schon so ein Irrsinn verabschiedet werde, so Cotar, müsse die Bevölkerung wenigstens informiert werden. „Wo war denn die groß angekündigte Aufklärungskampagne?“, fragte sie an die Bundesregierung gewandt.

Ministerium: Deutschland ist sehr gut vorbereitet

Das von der AfD aufgemalte Horrorszenario sei völlig unberechtigt, befand Stephan Mayer, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI). Es habe mannigfaltige Aufklärungskampagnen der Bundesregierung gegeben, sagte er. 

Deutschland sei sehr gut vorbereitet auf die DSGVO, befand der Staatssekretär. Im Übrigen sei es vor allem im Interesse der deutschen Wirtschaft, dass es nun ein einheitliches Datenschutzniveau in der EU gebe statt eines Datenschutzdumpings.

FDP: Möglichkeiten der Anpassung nicht genutzt

Manuel Höferlin (FDP) warf der Koalition vor, zwei Jahre geschlafen zu haben und Möglichkeiten der Anpassung nicht ergriffen zu haben. Österreich beispielsweise, so der FDP-Abgeordnete, habe die vorhandenen Öffnungsklauseln in der DSGVO genutzt. Das wäre auch der Bundesregierung möglich gewesen, die dies aber sträflich vernachlässigt habe. Nun, wo eine Abmahnwelle drohe, versuche die Union hektisch, gemachte Fehler auszugleichen. 

Höferlin forderte, noch vorhandene Spielräume zu nutzen. Ein Konzern dürfe nicht unter Datenschutzgesichtspunkten so behandelt werden wie ein Ehrenamtler, sagte er. Außerdem warnte er mit Blick auf die Umsetzung der DSGVO durch die Landesdatenschutzbeauftragten vor „16 verschiedenen Regelungen“.

SPD: Flickenteppich beim Datenschutz in der EU beendet

Mit der DSGVO sei der Flickenteppich in Europa in Sachen Datenschutz beendet worden, sagte Saskia Esken (SPD). Sie bedauerte, dass in der öffentlichen Betrachtung jedoch nicht die Vorteile, sondern vor allem die zusätzlichen Aufwendungen in den Vordergrund gestellt würden. Aus ihrer Sicht ist die DSGVO „kein Grund zur Panik“. 

Die Datenschutzbeauftragten würden die Regelung „mit Augenmaß umsetzen“. Am Ende stehe ein Mehr an Datenschutz. Esken räumte zugleich ein, dass es verpasst worden sei, „dieses wunderbar durchsetzungsfähige Datenschutzrecht mit einer Kampagne unter die Leute zu bringen“.

Linke: Grundsätzlich ist die DSGVO eine gute Sache

Anke Domscheit-Berg (Die Linke) sagte, für das aktuelle Chaos sei nicht die DSGVO verantwortlich, sondern die Bundesregierung, die es versäumt habe, „die Regelung vernünftig in nationales Recht zu überführen und in der Gesellschaft sinnvoll zu begleiten“. Grundsätzlich sei die DSGVO eine gute Sache, befand sie. Es gebe mehr Handhabe gegen große Konzerne, ein Verbandsklagerecht und das Recht auf einfache Allgemeine Geschäftsbedingungen. Das sei „einmalig und großartig“ und ein Grund, stolz darauf zu sein. 

Nun brauche es einen helfenden Staat, der die Bürger nicht im Stich lässt, sagte die Linken-Abgeordnete. Domscheit-Berg forderte einen „EU-rechtskonformen Freischuss für die Kleinen“ bei Erstverstößen. Schließlich schreibe die DSGVO selbst vor, dass die Ahndung eines Verstoßes „angemessen“ zu sein habe.

Grüne kritisieren „Husch-Husch-Verfahren“

Die DSGVO biete Schutz vor dem Missbrauch persönlicher Daten, sagte auch Tabea Rößner (Bündnis 90/Die Grünen). Die USA, so Rößner, würden neidisch auf Europa schauen. Zu kritisieren sei, dass die Bundesregierung die zweijährige Übergangsphase untätig habe verstreichen lassen. 

„Statt frühzeitig eine grundsätzliche Lösung gegen Abmahnmissbrauch auf den Weg zu bringen, will man die Probleme jetzt im Husch-Husch-Verfahren flicken“, bemängelte Rößner. Eine Übergangslösung in Verbindung mit der Musterfeststellungsklage im Omnibusverfahren durchschleusen zu wollen, sei nicht der richtige Weg, befand sie.

CDU/CSU: Bundesregierung hat ausreichend informiert 

Er nehme die Sorgen der Unternehmen im Zusammenhang mit der DSGVO durchaus ernst, sagte Marc Henrichmann (CDU/CSU). Auf der anderen Seite seien aber die Rechte der Bürger besser geschützt. 

Henrichmann wandte sich gegen die Einschätzung, die Bundesregierung habe nicht ausreichend informiert. Allein 31 Termine habe es mit Kammern und Verbänden gegeben, bei denen deutlich darauf hingewiesen worden sei, „was da auf uns zukommt“, sagte er. Zugleich machte der Unionsabgeordnete deutlich, Deutschland profitiere sehr von einer einheitlichen Lösung im Datenschutz. (hau/07.06.2018)

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