Abgesetzt: Regierung legt Bericht zum Bologna-Prozess vor
Abgesetzt hat der Bundestag am 5. Juni die für Freitag, 8. Juni 2018, geplante erste Beratung eines Regierungsberichts zur Umsetzung der Ziele des Bologna-Prozesses 2015 bis 2018 (19/1445). Als Bologna-Prozess wird die Hochschulreform aus dem Jahr 1999 bezeichnet wird, die die Schaffung eines einheitlichen Europäischen Hochschulraums (EHR) zum Ziel hat. Nach den Vorstellungen von Bundesregierung und Kultusministerkonferenz (KMK) sollen zunächst die Mobilität und der Austausch verstärkt werden, unter anderem durch ein wesentlich gestärktes, integriertes und erweitertes Programm Erasmus Plus.
Partnerschaften zwischen Hochschulen in der EU
Neben Erasmus Plus seien die Stärkung strategischer Partnerschaften zwischen Hochschuleinrichtungen in der gesamten EU und die Förderung der Herausbildung von europäischen Hochschulnetzwerken bis zum Jahr 2024 von Bedeutung, heißt es in der Unterrichtung weiter. Die Vorschläge böten auch eine Chance, den europäischen Hochschulraum und den europäischen Forschungsraum zusammen zu denken.
Die nach dem Bottom-up-Prinzip zu errichtenden Hochschulnetzwerke in der gesamten EU sollen es Studierenden ermöglichen, durch eine Kombination von Studienfächern beziehungsweise Modulen in mehreren EU-Ländern einen Studienabschluss zu erwerben. Diese Kooperation wird dem Bericht zufolge auch gemeinsame Forschungsaktivitäten stärken und damit zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Hochschulen beitragen.
„Inakzeptable Relativierung europäischer Werte“
Die Bundesregierung betont in ihrer Unterrichtung, dass es seit der Konferenz der Wissenschaftsminister in Jerewan im Jahr 2015 in einzelnen Staaten politische Entwicklungen gebe, die die Prinzipien des Europäischen Hochschulraums brechen oder in Frage stellen. Die Verhaftung von Wissenschaftlern, die Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit, die Diskreditierung faktengeleiteter Diskurse, der Versuch, politisch unliebsame Hochschuleinrichtungen zu schließen und Hochschulangehörige zu entlassen, stelle den EHR auf die Probe. Viel zitierte gemeinsame europäische Werte würden eine inakzeptable Relativierung erfahren.
Für Deutschland seien die Werte des Europäischen Hochschulraums, namentlich die Wissenschafts- und akademische Freiheit, die institutionelle Autonomie der Hochschuleinrichtungen sowie demokratische verfasste Hochschulen unter Beteiligung der Studenten, Lehrenden und Forschenden, nicht verhandelbar. Der Bologna-Prozess mit seinen 48 teilnehmenden Staaten sei ein funktionierendes Forum, in dem historisch, politisch und gesellschaftlich höchst unterschiedliche Staaten an einem Tisch sitzen und konstruktiv darüber sprechen, wie sie zum demokratischen und wirtschaftlich erfolgreichen Zusammenleben in Europa beitragen können.
Rahmen für ein europäische Hochschulbildung
Deutschland hatte gemeinsam mit Frankreich, Italien und Großbritannien auf der Konferenz der für Bildung zuständigen Minister an der Pariser Universität Sorbonne 1998 die Grundlage eines gemeinsamen Rahmens für die europäische Hochschulbildung geschaffen. Dem EHR gehören inzwischen 48 Staaten an. Kernelemente sind die Einführung gestufter Studiengänge, die Vereinfachung der Anerkennung, die Einführung des Kreditpunktesystems ECTS, die europäische Zusammenarbeit im Bereich der Qualitätssicherung, die Förderung der Mobilität der Studenten und Hochschulangehörigen und die Stärkung einer europäischen Dimension der Hochschulbildung.
Erweitert wurde der Zielkatalog bei den Folgekonferenzen in Prag (2001) und Berlin (2003) um die Punkte Lebenslanges Lernen, Einbeziehung der Hochschulen und Studierenden, Förderung der weiteren Entwicklung der Qualitätssicherung, Berücksichtigung der sozialen Dimension bei der Umsetzung des Bologna-Prozesses, Erhöhung der weltweiten Attraktivität des EHR sowie seine Etablierung neben dem Europäischen Forschungsraum als zweite Säule der Wissensgesellschaft. (vom/rol/nal/06.06.2018)