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Experten fordern mehr An­erkennung für Frei­willigen­dienste

Ein bärtiger Mann (Teilnehmer am Freiwilligen Sozialen Jahr) mit einem blonden kleinen Mädchen im Kindergarten.

Ein öffentliches Fachgespräch mit Vertretern der Trägerorganisationen am Mittwoch, 26. September 2018, diente dem Unterausschuss „Bürgerschaftliches Engagement“ unter dem Vorsitz von Alexander Hoffmann (CDU/CSU) zu einer aktuellen Bestandsaufnahme der inländischen Freiwilligendienste.

Ob im Gesundheitsbereich, im Naturschutz, in Kultur, Sport, Wissenschaft oder im Zivil- und Katastrophenschutz: Tausende junge Leute bis zum 27. Lebensjahr engagieren sich Jahr für Jahr ehrenamtlich im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes oder eines freiwilligen sozialen oder ökologischen Jahres. Verschiedene Trägerorganisationen vermitteln Interessierten zahlreiche Einsatzstellen.

Freiwilligensdienste müssen attraktiver werden

Dr. Julia Schlicht, Referentin Bundesfreiwilligendienst vom Paritätischen Gesamtverband sprach sich dabei für eine generelle Stärkung der Freiwilligendienste aus, sowohl qualitativ als auch was die Zahl der angebotenen Plätze betreffe. Die zahlreichen Programme hätten allesamt ihre Berechtigung und spiegelten ein vielfältiges Interesse der Menschen sich gesellschaftlich zu engagieren. „Wenn wir wollen, dass sich Menschen für die Gesellschaft engagieren, dann müssen wir ihnen auch die Möglichkeit dazu geben“, sagte Schlicht. Es gelte die Attraktivität der Freiwilligensdienste zu erhöhen. Kurzfristig benötige der Sektor finanzielle Mittel in Höhe von 50 Millionen Euro. Aber das sei nur ein erster Schritt. 

Viel wichtiger sei es, die Freiwilligendienste kontinuierlich auszufinanzieren. „Wir müssen die Freiwilligendienste ganz neu verankern.“ Vor allem unter Jugendlichen mit geringeren Bildungsabschlüssen müsse überhaupt zunächst das Wissen über den Freiwilligendienst ausgebaut werden. Schlicht mahnte, das ehrenamtliche Engagement des Freiwilligendienstes klar von kommerzieller Erwerbsarbeit abzugrenzen. Man verstehe sich auch nicht als Wettbewerber in der Jugendsozialarbeit. Der Freiwilligendienst sei etwas qualitativ völlig Eigenständiges, der eine ganz spezifische Nachfrage bediene. „Junge Leute brauchen einen Zeitraum, um sich einzubringen und zu verwirklichen, unabhängig von Ansprüchen und Erwerbslogiken.“

Größere gesellschaftliche Anerkennung nötig

Nicolaj Hackert, Bundessprecher Bundesfreiwilligendienst (BFD) und bis vor kurzem selbst Freiwilliger, warb für eine größere politische und gesellschaftliche Anerkennung des BFD. Dazu gehöre eine bessere finanzielle Unterstützung bei Fahrtkostenzuschüsse und Unterkunftshilfen, aber auch eine arbeitsrechtliche Aufwertung der Stellen, deren Attraktivität häufig unter Restriktionen leide, die der Arbeitsmarktneutralität geschuldet seien, um keine reguläre Beschäftigung zu ersetzen. Einen dritten Mann auf dem überlicherweise mit zwei Kollegen besetzten Krankenwagen brauche niemand.

Dr. Jaana Eichhorn, Bundestutorat Freiwilligendienste im Sport, forderte für den Bundesarbeitskreis Freiwilliges Soziales Jahr (BAKFSJ), die „pädagogische Pauschale“ an die Verbände zu erhöhen. Sonst erhielten die teilnehmenden Institutionen weniger pro Kopf, wenn die Zahl der Plätze wie gefordert steige. „Wir benötigen mehr Geld für die pädagogische Begleitung.“ Insgesamt seien die Freiwilligendienste ungenügend ausgestattet. Eine solidere finanzielle Grundlage würde den Organisationen erleichtern, das zu tun, wofür sie geschaffen sind, nämlich Menschen die Möglichkeit zu bieten, sich zu engagieren. Dabei sei den Einrichtungen mit lediglich einjährigen Geldzuweisungen überhaupt nicht geholfen.

Erhöhung der Förderung

Neben der Steigerung der Qualität der vorhanden Plätze sollte eine Erhöhung der Förderung dazu dienen, mehr Plätze zu schaffen. Und zwar gerade auch in kleinen Vereinen. Diese seien die Keimzellen ehrenamtlichen Engagements. Dort fänden sich meist Stellen mit großem gestalterischen Spielraum. 

Als wichtige Aufgabe für Einrichtungen, die Plätze für den Freiwilligendienst anbieten, nannte Eichhorn schließlich die individuelle Betreuung der Freiwilligen. „Wir möchten Jugendliche bei ihrer Arbeit begleiten, auch solche mit physischen oder psychischen Problemen, und nicht von vornherein aussortieren nach dem Motto: wer macht uns am wenigsten Arbeit.“ Man wolle auch nicht, dass sich nur Kinder aus vermögenden Elternhäusern den Freiwilligendienst leisten können.

Nachfrage deutlich höher als Zahl der angebotenen Stellen

Laura Rupenow, Bundessprecherin Freiwilliges Ökologisches Jahr, führte Ablauf und Strukturen eines Jahres im Freiwilligedienst vor Augen. Leider würden viel zu wenige Plätze angeboten. Zuletzt hätten sich im Bereich „Ökologisches Jahr“ 12.000 Interessenten auf 3.000 Stellen beworben. Diese ungenutzten Potenziale bei den abgelehnten Bewerbern gelte es unbedingt zu heben, indem man mehr Plätze schaffe.

Rupenow warb insbesondere für den Bereich der Ökologie, der in der Engagement-Politik noch viel zu schwach vertreten sei. Dabei widme man sich äußerst relevanten Themen und erarbeite Lösungen beispielsweise im Bereich der Müllvermeidung. (ll/27.09.2018)

Liste der geladenen Sachverständigen

  • Dr. Jaana Eichhorn, Bundestutorat Freiwilligendienste im Sport
  • Nicolaj Hackert, Bundessprecher Bundesfreiwilligendienst
  • Fabian Liesegang, Bundessprecher Bundesfreiwilligendienst
  • Laura Rupenow, Bundessprecherin Freiwilliges Ökologisches Jahr
  • Dr. Julia Schlicht, Referentin für den Bundesfreiwilligendienst beim Paritätischen Wohlfahrtsverband

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