Karl A. Lamers: Wahlen besser gegen Cyberattacken schützen
„Gegen das Vorgehen Moskaus müssen wir uns gemeinsam zur Wehr setzen“: Mit diesen Worten ruft Prof. h. c. Dr. Karl A. Lamers (CDU) dazu auf, russische Cyberattacken auf Wahlen in den USA und in anderen Nato-Staaten entschieden zu bekämpfen. Bei ihrer Tagung im kanadischen Halifax vom 16. bis 19. November 2018 debattiert die Parlamentarische Versammlung der Nato über Vorwürfe an die Adresse Moskaus, sich mit Hackerangriffen und mit dem Einsatz von Trojanern in Netzwerken des Staats, der Parteien oder auch der Medien Informationen zu beschaffen, die zur Manipulation von Wahlen im Interesse russlandfreundlicher Kräfte genutzt würden. Lamers, der in Halifax die deutsche Delegation leitet, appelliert im Interview an die Nato-Länder, Wahlen gegen die Einflussnahme anderer Staaten besser zu sichern sowie Desinformationskampagnen und Datenmanipulationen im Internet zu verhindern. Das Interview im Wortlaut:
Herr Professor Lamers, ein Bericht der US-Abgeordneten Susan Davis wirft Russland vor, sich mit Internet-Manövern in die Innenpolitik von bislang sechs Nato-Staaten eingemischt zu haben. Welche Ziele verfolgt Moskau aus Sicht der Parlamentarischen Versammlung mit dieser Strategie?
Der Kreml will die Demokratien in Europa und den USA destabilisieren und so den Westen unterminieren. Davis beleuchtet vor allem die russische Einmischung in die inneren Angelegenheiten durch Cyber- und Informationskampagnen. Moskau nimmt insbesondere freie Wahlen, die Meinungs- und Redefreiheit sowie die Pressefreiheit als zentrale Elemente einer Demokratie ins Visier. In den zurückliegenden Jahren wurden verschiedene Wahlen und Volksabstimmungen attackiert. Die demokratische Legitimation verliert an Glaubwürdigkeit, wenn Wahlen und Referenden durch falsche Behauptungen beeinflusst und Parteien durch Lügen groß werden. Bei Gegnern der Demokratie ist die Manipulation von Informationen eine beliebte Strategie, die kostengünstig und zudem sehr effektiv ist. Auf diese Weise versucht der Kreml, Politiker und Gruppen zu fördern, die als russlandfreundlich gelten. Andererseits sollen Kreise diskreditiert werden, die als feindselig eingestuft werden. Gegen das Vorgehen Moskaus müssen wir uns gemeinsam zur Wehr setzen.
Was geschieht bei russischen Attacken im Internet?
Bei Cyberangriffen werden durch Hacker-Attacken oder den Einsatz von Trojanern die Netzwerke staatlicher Institutionen oder politischer Parteien, aber auch von Medien attackiert. Dabei werden Informationen und persönliche Daten gestohlen, die für die Beeinflussung der Innenpolitik eines Landes genutzt werden. Dies geschieht häufig kurz vor einer Wahl. Durch die Veröffentlichung privater Daten und interner Informationen will man Kandidaten und Parteien, die als gegnerisch gelten, in Misskredit bringen. In sozialen Netzwerken werden auch frei erfundene Geschehnisse verbreitet.
Hauptangriffsziel sind laut Bericht die USA. Was spielt sich da ab?
Als Amerikaner getarnt sollen bei den US-Wahlen 2016 russische Agenten in sozialen Netzwerken ihre Botschaften und diverse Fehlinformationen verbreitet haben. Laut dem Bericht von Susan Davis haben russische Hacker zudem persönliche und berufliche E-Mail-Postfächer diverser Kandidaten und ihres Mitarbeiterstabs angegriffen. Die dabei erbeuteten Informationen seien dann im Rahmen einer Propaganda-Offensive selektiv veröffentlicht worden. Überdies sollen Wählerdatenbanken attackiert worden sein. Laut US-Behörden sind die Hacker so weit vorgedrungen, dass sie im Prinzip Wählerdaten hätten verändern oder löschen können. Dies sei aber letztlich nicht gelungen.
Im Visier russischer Cyberkrieger sehen die Nato-Abgeordneten auch die Bundesrepublik. Manipuliert der Kreml die hiesige Innenpolitik?
Deutschland war einer Reihe von Bedrohungen ausgesetzt, die Verbindungen nach Russland aufweisen. 2015 sendeten russische Hacker Phishing-Mails an Mitglieder der Regierung und das Kanzleramt. Auf Computern verschiedener Parlamentarier wurde ein Trojanervirus installiert. Anschließend durchkämmten die Hacker das Netzwerk des Bundestages und griffen dabei viele Daten ab. Im März 2018 bestätigte die Regierung Berichte, wonach ihr eigenes Intranet durch eine Gruppe russischer Angreifer geknackt worden war. Bei den Bundestagswahlen 2017 bewegte sich die konkrete russische Einmischung aber auf sehr niedrigem Niveau. Ich begrüße es, dass die EU ihre Cyber-Abwehrfähigkeit verstärken will. Auch im Blick auf die Wahlen zum EU-Parlament 2019 müssen wir Maßnahmen ergreifen, um Desinformationskampagnen zu bekämpfen, Datenmanipulationen zu verhindern und generell den Schutz vor konkreten Angriffen im Internet zu erhöhen.
Welche Maßnahmen zum Schutz vor Attacken auf Bündnisstaaten schlagen die Nato-Abgeordneten vor?
Die Allianz ist durch russische Cyberangriffe vor eine Herausforderung strategischen Ausmaßes gestellt. In Halifax wollen wir auf der Basis des Berichts von Susan Davis über konkrete Gegenmaßnahmen diskutieren. Zentral ist zunächst, Regierungen und Unternehmen stärker in die Pflicht zu nehmen. Die Nato-Länder müssen den Ablauf von Wahlen und Referenden besser absichern und gegen die Einflussnahme anderer Staaten sichern, verdächtig sind neben Russland auch China und der Iran. Wichtig ist zudem der Kampf gegen Fehlinformationen. Wir müssen Inhalte im Internet stets kritisch hinterfragen und lernen, echte von falschen Nachrichten zu unterscheiden.
(kos/09.11.2018)