Martin Neumann: Kohleausstieg ist teuer bezahlte Symbolpolitik
Der energiepolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Prof. Dr.-Ing. Martin Neumann, kritisiert die Empfehlungen zum Kohleausstieg als weitgehend wirkungslos für den Klimaschutz. Es handele sich um Symbolpolitik, sagt Neumann in einem am Montag, 4. Februar 2019, erschienenen Interview mit Redakteurin Kristina Pezzei von der Wochenzeitung „Das Parlament“. „Der Ausstieg aus der Kohle im nationalen Alleingang mit den damit verbundenen Subventionen bringt kaum etwas für den Klimaschutz.“ Überhaupt sei in der ganzen Diskussion das eigentliche Ziel, einen effizienten Klimaschutz zu erreichen, aus den Augen verloren worden. Sinnvoller wäre nach Ansicht Neumanns Energieeffizienz zu steigern, die Kohlendioxidemissionen zu senken und einen Wettbewerb emissionsarmer Energieträger zu entfachen. Das Interview im Wortlaut:
Herr Neumann, die Kohlekommission hat sich nach zähen Verhandlungen auf einen Abschlussbericht geeinigt, mit Ausstiegsdatum, Empfehlungen zum Strukturwandel und Perspektiven für die Beschäftigten. Wie bewerten Sie dieses Ergebnis, das die SPD-Fraktion als „bahnbrechend“ bezeichnet hat?
Bahnbrechend wäre es vielleicht gewesen, wenn Steuerzahler und Stromverbraucher mit am Verhandlungstisch gesessen hätten, also jene, die die Rechnung am Ende bezahlen. Um es sich noch einmal vor Augen zu führen: Grundlage ist das Pariser Klimaschutzabkommen, also das Ziel Kohlendioxid-Emissionen zu senken. Diesem Ziel kommen wir aber mit den Empfehlungen der Kommission leider nicht näher. Der Ausstieg aus der Kohle im nationalen Alleingang mit den damit verbundenen Subventionen bringt kaum etwas für den Klimaschutz. Bei allen bisherigen Aktivitäten, beispielsweise der Überführung von Kraftwerksleistung in die Sicherheitsreserve, ist der Aufwand für das Erreichen der CO2-Minderung zu groß.
Wie begründen Sie diese Meinung?
Es gibt zahlreiche Studien, die belegen, dass die Minderung der Kohlendioxid-Emissionen mit dem jetzigen Weg im globalen Maßstab kaum ins Gewicht fällt. Ich habe überhaupt das Gefühl, dass in der ganzen politischen Diskussion das eigentliche Ziel, einen effizienten Klimaschutz zu erreichen, aus den Augen verloren wurde.
Das heißt, Sie kritisieren die Diskussion als ideologiegetrieben?
Nun, es war immer alles fixiert auf das Datum des Kohleausstiegs. Meiner Meinung nach handelt es sich hier um Symbolpolitik, die Verbraucher teuer bezahlen werden – und das bei minimalen Effekten für das Klima.
Was schlagen Sie als FDP denn vor, um die gesetzten Klimaziele zu erreichen und den Kohlendioxidausstoß wirksam zu senken?
Wir müssen endlich das Thema CO2-Minderung an die Faktoren Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit koppeln und so die Akzeptanz durch die Menschen gewinnen. Ich spreche in diesem Zusammenhang daher gern von einem Viereck aus den Punkten, die es zu erreichen gilt: Bezahlbarkeit, Versorgungssicherheit, Ökologie und Akzeptanz.
Wie wollen Sie dieses Viereck erfolgreich umsetzen?
Bezogen auf die Energiewende bedeutet dies: Wir wollen Energie-Effizienz steigern und die Kohlendioxid-Emissionen senken. Wir wollen außerdem einen Wettbewerb emissionsarmer Energieträger. Konkret: Kosten müssen in einem vernünftigen Verhältnis mit der tatsächlich eingesparten Kohlendioxid-Menge stehen. Hierfür müssen wir in Forschung, Technologieentwicklung und intelligente Systeme investieren. Wir brauchen zudem mehr Wettbewerb unter den emissionsarmen Energieträgern. Bisher sind die alternativen Energien viel zu sehr auf Fotovoltaik und Wind beschränkt worden.
Welche leistungsfähigen Energieträger sehen Sie denn noch?
Wir brauchen eine breitere Basis. Dazu gehören unter anderem Geothermie, Kraft-Wärme-Kopplung, Biomasse; selbst das Thema Kernfusion ist noch nicht zu Ende diskutiert und könnte irgendwann energetisch noch eine wichtige Rolle spielen. Der jeweilige Energiemix muss außerdem stärker regionale Aspekte beinhalten. Nützlich sind Technologien, die die Netzdienlichkeit fördern, da Verfügbarkeit eine große Rolle spielt. Hierfür muss die Bundesregierung endlich die Weichen stellen und Anreize für mehr Investitionen in intelligente Netze schaffen.
Die FDP schlägt auch vor, dass man den Zertifikatehandel auf EU-Ebene stärken sollte. Wenn das Klima wirklich geschützt werden soll, muss der Bund Zertifikate kaufen und sie anschließend vom Markt nehmen. Ansonsten erzielt man nur Verschiebungen von CO2-Emissionen, aber nicht Klimaschutz. Leider steht im aktuellen Jahreswirtschaftsbericht, dass die Bundesregierung dieses Löschen von Zertifikaten derzeit nicht plant. Dies wäre aber dringend notwendig.
Nur umfasst dieser Zertifikatehandel lediglich den Stromsektor und nicht die Bereiche Verkehr, Landwirtschaft und Gebäudeenergie.
Zertifikatehandel muss alle Bereiche umfassen, um tatsächlich wirksam Kohlendioxidemissionen zu senken. Hierfür brauchen wir Vielfalt, beispielsweise E-Mobilität, Hybrid-Technologie oder saubere Verbrennungsmotoren. Klar ist, dass Verkehr, Landwirtschaft und Gebäude gravierende Faktoren mit erheblichen CO2-Einsparpotenzialen sind, die aber bisher viel zu wenig zum Klimaschutz beitragen. Bisher wird leider reine Schaufensterpolitik betrieben.
Immerhin sind in dem Abschlussbericht der Kommission Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung Milliarden Euro auch für Ihren Wahlkreis in der Lausitz als Unterstützungshilfen im Strukturwandel vorgesehen. Das müsste Sie doch eigentlich freuen.
Die Menschen in der Lausitz hängen nicht an der Kohle, das betone ich immer wieder. Sie sind an stabilen, nachhaltigen, wertschöpfenden Arbeitsplätzen interessiert, sie wollen fair behandelt werden und ausreichend Chancen bekommen. Dass das Geschäft mit der Braunkohle in nicht allzu ferner Zukunft ein Ende findet, wissen sie längst. Die Betreibergesellschaft LEAG hat ja bereits ein tragfähiges Revierkonzept vorgelegt für einen schrittweisen Ausstieg. Daran sollten wir uns halten. Es war immer klar, dass wir den Strukturwandel einleiten müssen.
Und jetzt gibt es auch noch außerplanmäßige Mittel dafür...
...nachdem ohne Not der Druck erhöht wurde. Wir müssen zusehen, dass wir in der jetzt verbleibenden Zeit entsprechende Wertschöpfungsketten entstehen lassen. Wir brauchen keine verlängerten Werkbänke, sondern Arbeitsplätze verbunden mit Forschung und Entwicklung. Notwendig ist zudem eine vernünftige Infrastrukturanbindung. Ich würde den Prozess so gestalten wollen, dass wir die Übergangszeit dazu nutzen, Technologien weiterzuentwickeln im Gleichschritt mit dem Ausbau der Infrastruktur. Dazu brauchen wir zugleich eine exzellente Netzabdeckung. Ein wichtiger Hebel für Investitionen könnten etwa „digitale Freiheitszonen“ sein, in denen Investitionen und Forschungsaktivitäten durch Bürokratieentlastung und steuerliche Vorteile angereizt werden.
Sie finden, Geld allein schadet mehr als es nutzt?
Natürlich ist für die anstehenden Strukturmaßnahmen auch Geld entscheidend. Aber eben nicht nur. Langfristigkeit erreiche ich nur mit echter Wertschöpfung; wir sollten nicht die Fehler aus den 1990er-Jahren wiederholen, als Außenstellen verschiedener Unternehmen in der Lausitz errichtet wurden, die bei konjunkturellen Schwächephasen als erste dicht gemacht wurden. Die Menschen haben bereits einen schmerzhaften Strukturwandel hinter sich! Das Geld war weg, der Frust der Menschen angesichts nicht eingehaltener Versprechungen hoch, und von außen kam der Vorwurf: Es wurde gezahlt und was habt ihr daraus gemacht?
(pez/04.02.2019)