Kontroverse Debatte über Quoten und Gleichberechtigung im Wahlrecht
Die AfD-Fraktion trifft mit einem Vorstoß gegen Quotenregelungen bei der Aufstellung von Wahllisten der Parteien auf entschiedenen Widerspruch der anderen Bundestagsfraktionen. Abgeordnete von Union, SPD, FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen wandten sich am Donnerstag, 21. Februar 2019, im Parlament bei der ersten Lesung eines Gesetzentwurfs der AfD-Fraktion „zur Wiederherstellung der Gleichberechtigung im Wahlrecht und in den politischen Parteien“ (19/ 7936) klar gegen die Initiative. Dagegen wertete der AfD-Parlamentarier Fabian Jacobi „Wahlen nach Quoten“ als „Angriff auf die demokratische Grundordnung Deutschlands“.
Der Gesetzentwurf sieht Änderungen des Bundes- und des Europawahlgesetzes sowie des Abgeordneten- und des Parteiengesetzes vor. So soll in den Wahlgesetzen ein Passus eingefügt werden, wonach das Vorschlagsrecht nicht unter Anknüpfung an die in Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes genannten Eigenschaften wie etwa Geschlecht, Abstammung oder Glauben beschränkt werden darf.
AfD: Wahlen in Parteien müssen frei und gleich sein
In der Vorlage kritisiert die AfD-Fraktion, eine zunehmende Anzahl von Parteien vollziehe den Prozess der Kandidatenaufstellung wie auch sonstige innerparteiliche Wahlen nicht nach den Grundsätzen einer freien und gleichen Wahl. Die in den betreffenden Parteien zu verzeichnende „undemokratische Praxis“ setze sich in den von den Abgeordneten dieser Parteien gebildeten Fraktionen fort.
Jacobi betonte, demokratisch seien Wahlen dann, wenn sie unter anderem „frei und gleich“ sind. Eine Wahl, „bei der vorgegeben wird, dass das Ergebnis bestimmten Kriterien entsprechen muss“, sei aber keine freie Wahl, und eine Wahl, „bei der das Gesetz die Staatsbürger in verschiedene Klassen einteilt“, keine gleiche Wahl. Auch Wahlen in Parteien müssten frei und gleich sein. Dies gelte erst recht bei der Aufstellung von Kandidaten für Parlamente.
CDU/CSU: Tendenzfreiheit von Parteien im Grundgesetz verbrieft
Der CDU-Parlamentarier Ansgar Heveling wandte sich gegen die „Grundthese des Gesetzentwurfs“, dass „innerparteiliche und innerfraktionelle Regelungen zur Ämter- und Kandidatenbesetzung gegen die Grundsätze der Demokratie und das Diskriminierungsverbot verstoßen“. Sie seien vielmehr ein Beitrag zur Verwirklichung der Gleichstellung.
Die innere Ordnung von Parteien müsse demokratischen Grundsätzen entsprechen, aber im Grundgesetz sei auch die sogenannte Tendenzfreiheit von Parteien verbrieft. Dazu gehöre, dass die inneren Strukturen „mit Blick auf die Tendenz der Partei eigenständig ausgerichtet werden dürfen“. Die „Freiheit der Parteien“ wirke sich auch bis in das Aufstellungsverfahren aus.
FDP: Zutiefst verfassungswidrige Vorlage
Der FDP-Abgeordnete Dr. Stefan Ruppert wertete die AfD-Vorlage als „zutiefst verfassungswidrig“. Er sei froh, wenn in Deutschland nicht festgelegt wird, „was bei Wahlen 'rauskommt, sondern nur, wie sie durchgeführt werden sollen“. Daher sei er auch gegen ein Parité-Gesetz, demzufolge Parteien ebenso viele Frauen wie Männer aufstellen müssen.
Die AfD moniere beim Parité-Gesetz, „dass der Staat übergreift in die Gesellschaft“, mache aber nun „genau das Gleiche“. Es sei jedoch nicht die Aufgabe des Staates, festzulegen, „wer bei einer Wahl antreten darf, solange er sich an die Verfassung hält“.
SPD: AfD will Gleichberechtigung verhindern
Der SPD-Parlamentarier Mahmut Özdemir hielt der AfD vor, sie schicke sich an, der Verhinderung von Gleichberechtigung Vorschub zu leisten und „sich in innerste Angelegenheiten von Parteien einzumischen“. Folge man ihrem Gesetzentwurf, verstoße man gegen den grundgesetzlichen Schutzauftrag der Gleichberechtigung und trete gegen „100 Jahre hart erkämpfte Frauenwahlrechte“ ein.
Özdemir verwies zugleich darauf, dass die AfD im Bundestag mit Abstand den niedrigsten Frauenanteil aller Fraktionen habe. Die SPD wolle dagegen den Frauenanteil im Bundestag erhöhen.
Linke: Lupenreines Anti-Frauen-Gesetz
Für Die Linke nannte ihre Abgeordnete Doris Achelwilm die AfD-Vorlage ein „lupenreines Anti-Frauen-Gesetz“. Für die AfD sei der Gesetzentwurf ein Gegenmodell zu dem Parité-Gesetz, das im Brandenburger Landtag mit den Stimmen von SPD, Linken und Grünen beschlossen worden sei. Dieser „Durchbruch“ sei ein „historischer Erfolg der Frauenbewegung“.
Dass im Bundestag viele Abgeordnete ein Paritätsgesetz auch auf Bundesebene befürworteten, sei kein Entgegenkommen, sondern „sollte selbstverständlich“ sein. Geschlechterparitätisch besetzte Parlamente seien kein Selbstzweck, sondern „eine Frage von mehr Gerechtigkeit“.
Grüne: AfD-Entwurf lächerlich und schlecht
Die Grünen-Parlamentarierin Britta Haßelmann kritisierte den AfD-Entwurf als „lächerlich schlecht“ und „Zumutung“. In Artikel 3 des Grundgesetzes heiße es, der Staat fördere die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirke auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
Der Gesetzentwurf der AfD sei nichts anderes als der Versuch, diesen „klar benannten“ Förderauftrag zu diskreditieren. Haßelmann begrüßte zugleich die Debatten über Frauenförderung, Quoten und ein Parité-Gesetz als „notwendig und gut.“ (sto/21.02.2019)