Verteidigung/Untersuchungsausschuss

Zeugin: Viel zu hohe Feh­lerquote beim Ab­schluss von Be­rater­verträ­gen

Schild: Bundesministerium der Verteidigung, Berlin

Der Untersuchungsausschuss soll Vorgänge im Bundesverteidigungsministerium beleuchten. (picture-alliance)

Von einer „viel zu hohen Fehlerquote“ beim Abschluss von Beraterverträgen durch die Bundeswehr hat Thea Dilger vom Bundesrechnungshof gesprochen. Um diese Thematik kreist die Arbeit des Untersuchungsausschusses, zum dem sich der Verteidigungsausschuss eingesetzt hat. Dilger sagte in der ersten öffentlichen Sitzung als erste Zeugin aus. Zuvor hatte Generalleutnant Ludwig Leinhos als Sachverständiger erläutert, warum die Streitkräfte auf externe Unterstützung nicht verzichten könnten. Damit begann der Untersuchungsausschuss unter der Leitung von Wolfgang Hellmich (SPD) in seiner insgesamt fünften Sitzung mit der inhaltlichen Arbeit.

Dilger legte dar, dass in 55 Prozent der geprüften Fälle die Begründung für einen Vertrag mit Externen gefehlt habe, in 75 Prozent sei die wirtschaftliche Notwendigkeit nicht beschrieben worden. Bei 30 Prozent der Abschlüsse habe der Bundesrechnungshof Mängel beim Prüfpunkt Vergaberecht ausgemacht.

„Engpässe und Spitzen abdecken“

Leinhos hob insbesondere auf den IT-Bereich ab. Er fungiert als Inspekteur Cyber- und Informationsraum der Bundeswehr (CIR). In diesem Bereich seien die deutschen Streitkräfte bis 2014 nicht führend gewesen. Das habe sich grundlegend geändert. Die Bundeswehr habe sehr viel Boden wettgemacht. Inzwischen liefere sie gewissermaßen Blaupausen für vergleichbare Vorhaben in anderen Nato-Staaten, abgesehen von den USA. Der „riesige Handlungsbedarf“, der sich in der Aufbauphase ergeben habe, sei ohne Einbeziehung externen Firmen nicht zu leisten gewesen, auch weil das nötige eigene Personal zunächst gefehlt habe.

Überdies stelle sich stets die Frage, ob es sich um „Einmal-Aktivitäten“ handle, für die die Bundeswehr auf Dauer kein Personal brauche. Auch gehe es darum, Engpässe und Spitzen abzudecken. In andere Fällen fehle den Streitkräften zunächst das eigene Wissen. Als Beispiel verwies er aktuell auf Cloud-Infrastrukturen.

„Uns ist egal, wer es macht“

Leinhos betonte: „Die strategische Steuerung erfolgt immer durch uns.“ Lediglich bei der Umsetzung würden externe Firmen hinzugezogen. Sie kämen aber in besonders sensiblen Bereichen wie Cyber-Operationen nicht zum Einsatz. Ohnehin sei die Bundeswehr bemüht, für Dauertätigkeiten eigenes Personal zu akquirieren.

Der General verwies darauf, dass er perspektivisch mit immer mehr eigenem Personal arbeiten wolle. Er nutzte seinen Auftritt vor dem Ausschuss zu dem Appell, die Politik solle den Weg freimachen für eine Zulage, die die Bundeswehr an hochspezialisiertes IT-Personal zahlen möchte. Diese Fachkräfte würden „draußen sehr viel besser bezahlt“. Leinhos  sagte, es gebe „sehr, sehr viele Firmen“, die Unterstützungsleistungen für die Bundeswehr anbieten. Er versicherte: „Uns ist egal, wer es macht.“

Verantwortlichkeiten der Leitungsebene

Der Verteidigungsausschuss hatte sich am Mittwoch, 30. Januar 2019, auf Antrag der Fraktionen FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen gemäß Artikel 45a Absatz 2 des Grundgesetzes als Untersuchungsausschuss eingesetzt. Sein Auftrag ist es, den Umgang mit externer Beratung und Unterstützung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung aufzuklären.

Anlass der Untersuchung sind Berichte des Bundesrechnungshofs über Rechts- und Regelverstöße im Zusammenhang mit der Nutzung derartiger Leistungen. Die Vorgänge sollen unter vertraglichen, rechtlichen, haushälterischen, geheimschutzrelevanten, militärischen, technologischen und politischen Gesichtspunkten geprüft werden. Ferner sollen die persönlichen und politischen Verantwortlichkeiten der Leitungsebene sowie die Aufklärungs- und Informationspraxis des Bundesministeriums der Verteidigung untersucht werden. Damit die Ergebnisse der Untersuchung noch in dieser Wahlperiode aufgegriffen werden können, soll die Untersuchung möglichst bis zum 31. August 2019 abgeschlossen werden.

„Vermeidbare Mehrausgaben entstanden“

Nach Aussage der Prüf-Verantwortlichen Thea Dilger hat der Bundesrechnungshof zwar massive Verstöße der Bundeswehr beim Abschluss von teils millionenschweren Verträgen mit externen Unternehmen festgestellt, wobei davon auszugehen sei, „dass vermeidbare Mehrausgaben entstanden sind“. 

Doch über den tatsächlichen wirtschaftlichen Schaden für den Steuerzahler könne sie „keine Aussage treffen“. Schließlich sei im Nachhinein kaum feststellbar, welche Preise bei einer korrekten Vergabe zustande gekommen wären oder ob die Bundeswehr mit eigenen Kräften die Aufgaben hätte erledigen können.

„Schadenssumme von einer Million Euro“

Ihr Kollege Helmut Peters, der speziell Verträge im IT-Bereich unter die Lupe genommen hatte, nannte aber für einen Fall eine Schadenssumme von einer Million Euro. Es ging um einen Rahmenvertrag mit der Firma S. mit einem Volumen von knapp 20 Millionen Euro. Das Unternehmen selbst habe keinerlei Leistung erbracht, sondern nur Unterauftragsnehmer eingesetzt. Auf deren Forderung sattelte es einen Aufschlag drauf, bevor sie die Rechnung an die Bundeswehr schickte. Die hätte nach Peters Darstellung freilich gleich mit den Subunternehmen Verträge schließen können.

Ob in solche Fälle Vetternwirtschaft hineinspielen könnte, dazu gab es in öffentlicher Sitzung keine Auskünfte. Peters verwies allerdings auf eine anonyme Eingabe vom Januar 2018 mit Erkenntnissen aus Cyber-Projekten. Darin sei auch auf Personenbeziehungen verwiesen worden. Doch sei der Bundesrechnungshof nun mal keine Staatsanwaltschaft. Er habe die Eingabe an das Verteidigungsministerium weitergeleitet, das dann selbst ermitteln oder Strafverfolgungsbehörden einschalten könne.

„Summe der zugegebenen Fehler unvorstellbar groß“

Dilger stellte dar, dass der Bundesrechnungshof weit höhere Fehlerquoten bei Verträgen mit Externen aufgedeckt habe als das Verteidigungsministerium dann eingeräumt habe. So habe die Bundeswehr zugestanden, dass bei 55 Prozent der Vergaben für Beratung und Unterstützung an Externe keine Bedarfsprüfung dokumentiert sei. Der Rechnungshof kam auf 80 Prozent. Bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung stünden sich 98 Prozent gegen 75 Prozent gegenüber, wobei der Rechnungshof die Quoten der Bundeswehr akzeptiert habe. Die Summe der zugegebenen Fehler sei  so schon „unvorstellbar groß“, dass sich ein Streit über die Prozentzahl nicht lohne, machte Dilger klar. Auch im Vergleich mit anderen Prüfungen des Bundesrechnungshofs sei die Quote „auffällig hoch“.

Der Bundesrechnungshof beurteilte nur, ob aus den Akten hervorging, dass die vor einer Vergabe vorgeschriebenen notwendigen Prüfungen wie eben der Bedarf auch durchgeführt wurden. Dilger geht davon aus, dass die Wirtschaftlichkeitsprüfungen überwiegend tatsächlich nicht stattfanden. Dabei gehe es vor allem um die Frage, ob die Bundeswehr die fraglichen Aufgaben nicht ganz oder teilweise mit eigenen Kräften habe erledigen können. Dies zu beurteilen, sei außerordentlich komplex. Das könne einer nicht einfach im Kopf ermittelt haben.

Sie mochte auch die Begründung nicht gelten lassen, ein Vertrag sei freihändig vergeben worden, weil sich die Zusammenarbeit mit einem Unternehmen bereits bewährt habe, weil Zeitdruck geherrscht habe oder weil nur diese eine Firma die Leistungen erbringen könne. Mindestens hätten dann noch Angebote von drei weiteren Firmen eingeholt werden müssen. Dass kein Wettbewerb stattgefunden habe, sei nicht zu rechtfertigen.

„Das steht ja nicht in den Akten“

Ob die Fehler vorsätzlich oder aus Unkenntnis gemacht worden seien, mochte sie nicht beurteilen: „Das steht ja nicht in den Akten.“ Ob bestimmte Firmen bevorzugt wurden, sei nicht zu erkennen gewesen. Warum überhaupt die Vorgaben nicht eingehalten wurden, konnte sie sich nicht erklären: „Es gibt keinen Grund, der sich aufgedrängt hat.“

Dilger kritisierte, dass es im Ministerium keine aktuelle Aufstellung über Aufträge an Externe gegeben habe. Der Überblick sei zum einen sinnvoll, weil in diesen Fällen ja immer Steuergelder ausgegeben werden. Zum anderen würden Auffälligkeiten bei Korruption oder anderen Unregelmäßigkeiten eher deutlich. Von den Prüfungen erhofft sich Dilger, dass „künftig Vergaberecht und Bundeshaushaltsordnung eingehalten wird“. (fla/22.03.2019)

Geladener Sachverständiger

  • Ludwig Leinhos, Generalleutnant

Geladene Zeugen

  • Thea Dilger
  • Helmut Peters

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