Nukleare Sicherheit

Abfall-Rückholung aus Asse II bleibt ein Projekt für Jahrzehnte

Die Rückholung der radioaktiven Abfälle aus der Schachtanlage Asse II bei Wolfenbüttel in Niedersachsen ist eine Problematik, die die Gesellschaft noch viele Jahrzehnte begleiten wird. Das wurde beim öffentlichen Fachgespräch des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit am Mittwoch, 22. April 2020, deutlich. Für die Asse bei Remlingen, in der in 13 Kammern rund 126.000 Fässer mit schwach- und mittelradioaktiven Abfällen liegen, gibt es den gesetzlichen Auftrag, diese unverzüglich stillzulegen.

Fachgespräch größtenteils per Videokonferenz

Der Mitte April vorgelegte Rückholplan der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) wurde von den Sachverständigen online eingeschätzt und diskutiert. Im Ausschusssaal versammelten sich – mit Sicherheitsabstand – nur wenige Abgeordnete. Die Sachverständigen äußerten sich größtenteils per Videokonferenz.

„Wir haben es mit einem ehemaligen Bergwerk zu tun, das sich zusammenneigt und einen ständigen Wasserzufluss hat“, beschrieb die Vorsitzende Sylvia Kotting-Uhl (Bündnis 90/Die Grünen) die komplexe Problematik.

Bergungsbeginn im Jahr 2033

Für die Bundesgesellschaft für Endlagerung betonten die Sachverständigen Stefan Studt und Dr. Thomas Lautsch, dass mit dem kürzlich vorgelegten Rückholplan der Dialog mit den Genehmigungsbehörden begonnen werde. Der Bericht stelle ein „geschlossenes Gesamtkonzept dar“, oberstes Gebot sei die Sicherheit der Bevölkerung und der Beschäftigten, sagte Lautsch. Für die Rückholung der Abfälle seien nicht nur ein Rückholbergwerk, sondern auch der Bau einer Abfallbehandlungsanlage mit einem Zwischenlager notwendige Voraussetzungen.

Der Bau des Rückholbergwerks solle nach aktueller Planung im Jahr 2023 starten. Zehn Jahre später solle mit der Bergung der Abfälle aus der Asse begonnen werden, berichtete Studt. Der Plan werde zudem stetig fortgeschrieben, sodass er der gebotenen Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit, dem Bund, Land und der Region diene. „Derzeit werden Daten von Schallwellen, die unter Tage gesandt haben, sortiert, prozessiert und ab 2021 interpretiert“, berichtete Lautsch weiter. Diese Ergebnisse sollen in der zweiten Hälfte des Jahres 2021 vorliegen.

„An einzelnen Stellen fehlen noch Details“

Der Minister für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz in Niedersachsen, Olaf Lies (SPD), befand den Rückholplan als stringent: „Das, was wir vorliegen haben, eröffnet die Chance, den Zeitplan nachzuvollziehen“, sagte Lies. Wichtig sei es, die wesentlichen Schritte bis zum Beginn der Rückholung der Abfälle und mögliche Verzögerungen nachvollziehbar für die Öffentlichkeit zu machen und für Fragen zur Verfügung zu stehen.

Lies verwies darauf, dass an einzelnen Stellen derzeit noch Details fehlten. Auch von prüffähigen Genehmigungsunterlagen und -verfahren sei man derzeit noch entfernt, sagte er. Er betonte, dass in der Konzentrationswirkung der „Lex Asse“ eine große Chance stecke – es brauche aber auch die nötige Finanz- und Personalausstattung.

„Es braucht einen belastbaren Zeitplan“

Die Asse habe „starke Bilder des Scheiterns der Endlagerung erzeugt“, die über die Region hinaus strahlten, sagte Wolfram König vom Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE). Dem müssten nun „starke Bilder des Gelingens“ entgegengesetzt werden. Es müsse gemeinschaftlich daran gearbeitet werden, zügig Sicherheiten herzustellen und trotz Unwägbarkeiten und offenen Fragen im Forschungs-, Entwicklungs- und Genehmigungsbereich voranzukommen, sagte er.

Die Rückholung in 13 Jahren sei ein „ehrgeiziges Ziel“, so König. Der Plan führe Bausteine sinnvoll zusammen, nun brauche es einen belastbaren Zeitplan mit Meilensteinen.

„Höchst ambitioniertes Vorhaben“

Andreas Sikorski vom Niedersächsischen Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) erklärte, dass das LBEG die Rolle als Bergbehörde und als geologischer Dienst wahrnehme. Die vergangenen Jahre habe man sich der Frage gewidmet wie das Bergwerk zu stabilisieren sei und wie Sorge getragen werden könne, dass die Gewässer ordnungsgemäß entsorgt werden.

Das LBEG begrüße den Plan der BGE, das Vorhaben sei aber „höchst ambitioniert“ und stelle für Ingenieure eine große Herausforderung da, sagte Sikorski. „Wichtig ist in diesem Verfahren, wesentlich mehr Transparenz und Verständlichkeit in das Vorhaben zu bringen“, so sein Plädoyer. Das Zusammenspiel zwischen Bund, Land und Zivilgesellschaft müsse zielgerecht vorangebracht werden.

„Höchste Zeit, mit der Bergung von Fässern zu beginnen“

Für die Zivilgesellschaft und die kommunale Vertretung kritisierte Christiane Jagau (Asse-2-Begleitgruppe) das derzeitige Vorgehen. „Ein marodierendes Bergwerk, das weder die Auflagen des Berg- noch des Atomrechts erfüllen kann, eine Atomanlage ohne Notfallkonzept, das ist weltweit einzigartig“, sagte sie. Jagau stellte die Historie des Bergwerks ab 1900 dar und nannte die Inbetriebnahme rechtswidrig. „Salz wurde bis weit über Grenzen abgebaut und Stützpfeiler wurden zu schwach“, sagte sie.

Nachdem 1964 der Betrieb eingestellt und das Bergwerk verkauft worden sei, seien Wassereintritte festgestellt worden. Trotzdem sei dort Atommüll eingelagert und die Asse wie ein Endlager nach Atomrecht behandelt worden, sagte Jagau. Im Falle des Absaufens gebe es Fässer, die im Salzwasser absaufen könnten. Es sei zudem fraglich, ob die Salzlösung im Bergwerk gehalten werden könne, mahnte Jagau. Es sei daher höchste Zeit, mit der Bergung von Fässern aus verhältnismäßig leicht zugänglichen Kammern zu beginnen, forderte sie. (lbr/22.04.2020)

Liste der Sachverständigen

  • Wolfram König, Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) 
  • Stefan Studt, Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) 
  • Dr. Thomas Lautsch, Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) 
  • Minister Olaf Lies, Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz (NMU) 
  • Andreas Sikorski, Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) 
  • Christiane Jagau, Asse-2-Begleitgruppe
  • Claus Schröder, Asse-2-Begleitgruppe

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