Spahn: Gründliche Impfstoff-Prüfung wichtig für Vertrauen der Bevölkerung
„Impfen ist der Weg aus der Pandemie“: Das hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Mittwoch, 16. Dezember 2020, im Bundestag unterstrichen. Deutschland sei dabei auf einem guten Weg, versicherte er. Sehr bewusst sei die Entscheidung getroffen worden, auf eine Impfstoff-Notzulassung zu verzichten. Eine ordentliche und gründliche Prüfung sei wichtig, um das notwendige Vertrauen der Bevölkerung zu erreichen.
In einer von den Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD verlangten Aktuellen Stunde zur Umsetzung der Nationalen Impfstrategie verwies Spahn auf die gesetzliche Grundlage, die der Bundestag mit dem Bevölkerungsschutzgesetz geschaffen habe. Die Ausgestaltung per Rechtsverordnungen durch ihn sei ein transparentes Verfahren, betonte er. Es gebe eine sehr große Mehrheit dafür, dass zuerst die alten Menschen geimpft werden sollten – und diejenigen, die sie pflegen.
Von der Zulassung des Biontech-Pfizer-Impfstoffs als „wunderbares Weihnachtsgeschenk“ sprach Karin Maag (CDU/CSU). Dass 4.000 Dosen noch im Dezember und dann zunächst elf bis 13 Millionen Dosen zur Verfügung stünden, reiche nicht für flächendeckendes Impfen, verteidigte sie die vorgesehener Priorisierung. Mittelfristig werde die Impfung der gesamten Bevölkerung angeboten, wobei sie unterstrich, dass es keine Impfpflicht geben werde. Sie verteidigte das Instrument der Rechtsverordnung statt eines Gesetzes. Nur so könne schnell etwa auch auf die Einführung weiterer Impfstoffe reagiert werden.
AfD: Nun geht „das große Stechen“ los
Paul Viktor Podolay (AfD) befand, nun gehe „das große Stechen“ los. Die Impfbereitschaft der Bürger sinke und sei bei Ärzten und Pflegepersonal besonders gering ausgeprägt. Dies zeige, dass das Narrativ von der Sicherheit der Impfungen infrage stehe.
Er wollte wissen, was passiere, wenn die Impfbereitschaft niedrig bleibe: „Bleiben wir für immer im Lockdown?“ Er kritisierte, dass die Regierung bei ihrem Vorgehen alles auf Impfung setze. Dabei gebe es Möglichkeiten wie eine entsprechende Prophylaxe, die eine Impfung überflüssig machten.
SPD: Sicherheit muss vor Schnelligkeit
Sabine Dittmar (SPD) verteidigte den Verzicht auf eine Notzulassung des Impfstoffs in Europa. Das reguläre Verfahren sei notwendig, „gerade, weil so viel vom Vertrauen abhängt“. Aber es dauere natürlich seine Zeit. Sicherheit müsse vor Schnelligkeit gehen.
Als Grundlage für das Impf-Vorgehen müsse es neben dem Bevölkerungsschutzgesetz kein weiteres Gesetz geben. Der Verordnungsgeber werde mit hoher wissenschaftlicher Expertise arbeiten. Seine Vorgaben würden wissenschaftlich, epidemiologisch und ethisch begründet sein.
FDP: Verfassungsrechtlich bedenkliches Hauruckverfahren
Stephan Thomae (FDP) sah dies ganz anders. Bei der Frage, wer wann geimpft werden solle, könne es um Leben und Tod gehen. Damit würden die Grundrechte der Bürger wesentlich berührt. Dass die Regierung ein Hauruckverfahren plane und das Parlament übergehen wolle, sei verfassungsrechtlich höchst bedenklich.
Er kündigte an, dass die FDP-Fraktion am 17. Dezember den Entwurf eines Impfgesetzes vorlegen werde, das auch eine Expertise des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags berücksichtige. Gesetze könnten genauso schnell geändert werden wie Verordnungen.
Linke: Impfen ist Vertrauenssache
Dr. Gesine Lötzsch (Die Linke) hob ebenfalls auf diese Expertise ab. Impfen sei Vertrauenssache. Dem könne man nur durch eine transparente und demokratische Willensbildung im Parlament gerecht werden. Dass Gesetze schnell geändert werden können, sei schon oft bewiesen worden.
Dass es Impfskepsis gebe, sei nicht zu übersehen. Dabei seien viele in der Bevölkerung nötig, die sich impfen lassen. Sie lenkte den Blick darauf, dass gerade Menschen in prekären Wohn- und Arbeitsverhältnissen von der Pandemie betroffen seien. Dies müsse bei der Impfstrategie berücksichtigt werden.
Grüne: Impfung effektivstes Mittel zum Schutz vor Infektionen
Dr. Janosch Dahmen (Bündnis 90/Die Grünen) meinte, als Arzt stelle er fest, dass Impfung das effektivste Mittel zum Schutz vor Infektionen sei. Dass jetzt in Europa der erste Impfstoff zugelassen werde, dürfe nicht zum Sieg über das Corona-Virus verklärt werden: „Es liegt noch eine ziemlich lange Durststrecke vor uns.“
Es komme darauf an, die Bevölkerung von der Wichtigkeit des Impfens zu überzeugen: „Wir werden nur dann viele Menschen immunisieren können, wenn wir den Impfstoff selbst gegen Misstrauen immunisieren.“ Wobei nicht verschwiegen werden dürfe, dass es auch Nebenwirkungen gebe, die freilich nicht schwer seien. (fla/16.12.2020)