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Guterres: Impfstoffe müssen für alle zu­gäng­lich und bezahl­bar sein

Die Impfstoffe zur Bekämpfung der Corona-Pandemie müssen nach den Worten von UN-Generalsekretär António Guterres als globales öffentliches Gut betrachtet werden. „Sie müssen überall und für alle Menschen zugänglich und bezahlbar sein“, sagte Guterres am Freitag, 18. Dezember 2020, unter Beifall in seiner auf Deutsch vorgetragenen Rede vor dem Deutschen Bundestag aus Anlass des 75-jährigen Bestehens der Vereinten Nationen (UN). Bundestagspräsident Dr. Wolfgang Schäuble hatte den UN-Generalsekretär nach Berlin eingeladen.

Zu der Sonderveranstaltung im Plenarsaal des Reichstagsgebäudes waren auch die Vertreter der übrigen Verfassungsorgane, Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesratspräsident Dr. Reiner Haseloff, Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Prof. Dr. Stephan Harbarth, erschienen.

Weltweite Waffenruhe zur Bekämpfung von Covid-19

Ein Mann steht am Rednerpult im Plenarsaal des Bundestages. Ihm gegenüber sitzen im Halbkreis vier Männer und eine Frau mit Mund-Nasen-Bedeckungen.

Bundesratspräsident Haseloff (sitzend im Vordergrund), Bundespräsident Steinmeier, Bundestagspräsident Schäuble, Bundeskanzlerin Merkel und Verfassungsgerichtspräsident Harbarth lauschen den Worten von UN-Generalsekretär António Guterres (rechts). (DBT/Schacht)

Guterres sprach den Gründern der Firma Biontech, Dr. Özlem Türeci und Dr. Uğur Şahin, seine „tiefe Anerkennung“ für ihren „überaus großen Beitrag zur Entwicklung eines Impfstoffs“ aus. Der Gast würdigte Deutschland dafür, dass unter seiner Führung als EU-Ratspräsident ein Pandemie-Hilfspakt für wirtschaftlich angeschlagene europäische Länder geschnürt worden sei.

Auch müsse noch viel mehr getan werden, sagte Guterres, um die Not vieler Entwicklungsländer und Länder mit mittlerem Einkommen zu lindern, die vor einer immensen Schulden- und Liquiditätskrise stehen. Um Raum für Diplomatie und lebensrettende Hilfe schaffen zu können, habe er sich für eine weltweite Waffenruhe ausgesprochen.

Deutsche Führungsrolle bei der Lösung weltweiter Krisen

Guterres appellierte an die Deutschen, auch künftig als „unverzichtbarer Partner in der Friedenssicherung“ eine starke Führungsrolle zur Lösung der Krisen in Libyen, im Jemen, in Afghanistan, in der Sahelregion und in der Ostukraine einzunehmen.

Frieden sei nur von Dauer, wenn Frauen uneingeschränkt an allen Phasen des Prozesses der Friedenssicherung mitwirken können, sagte Guterres unter Beifall. Deutschland habe viel zum Schutz von Flüchtlingen und von Menschenrechten beigetragen. Die Menschenrechte müssten überall Realität im Leben der Menschen werden.

„Länder müssen sich noch bessere Klimaziele stecken“

Im Hinblick auf die Klimabedrohung sagte Guterres, ohne koordinierte Aktion sei bis zum Ende des Jahrhunderts mit einer Erderwärmung um mehr als drei Grad zu rechnen: „Das ist eine Katastrophe.“ Deutschland sei weltweit eine treibende Kraft an den „drei Fronten“ Abschwächung, Finanzierung und Anpassung. In allen Bereichen sei Deutschland eine treibende Kraft.

Vor der nächsten Klimakonferenz in Glasgow müssten alle Länder noch bessere Ziele haben, forderte der Generalsekretär. Die Entwicklungsländer brauchten zudem Unterstützung. Guterres dankte Deutschland für seine Zusage von 1,5 Milliarden Euro für den grünen Klimafonds.

Plädoyer für einen vernetzten Multilateralismus

Der Portugiese, der sein Amt bei den Vereinten Nationen in New York Anfang 2017 antrat, plädierte für einen „Multilateralismus, der Resultate liefert“, und eine zukunftsorientierte Reform der globalen Ordnung. Der Multilateralismus des 21. Jahrhunderts müsse vernetzt und inklusiv sein. Er müsse über Regierungen hinausgehen und die Rolle der Zivilgesellschaft, der Regionen und Städte, der Wirtschaft und der akademischen Institutionen anerkennen: „Mit der Unterstützung Deutschlands sind wir auf dem richtigen Weg.“

Guterres schlug schließlich den Bogen zu Ludwig van Beethoven und zum Videoprojekt „Globale Ode an die Freude“, in dem sich Stimmen aus aller Welt innovativ vereinen, um Neues zu schaffen. „Dies ist der Weg, der zu den Lösungen des 21. Jahrhunderts führt.“

Schäuble: Verantwortung für alle übernehmen

Ein Mann im Anzug sitzt im Rollstuhl am Rednerpult des Bundestages und spricht in das Mikrofon.

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble während seiner Begrüßungsansprache (DBT/Schacht)

Bundestagspräsident Schäuble dankte dem Gast für „diese große Rede“, mit der er „unserem Land so viel Ehre erwiesen“ habe: „Sie haben die Probleme beschrieben und uns zugleich Hoffnung gemacht.“

Schäuble hatte eingangs angesichts der Herausforderungen durch die Corona-Pandemie festgestellt, dass „wir diese Herausforderungen auch nur als Weltgemeinschaft bewältigen können“. Bei allen nationalen Aufgaben müsse der Blick geweitet werden auf die vielfältigen globalen Krisen.

Die Welt ist nach den Worten Schäubles seit der Gründung der Vereinten Nationen unübersichtlicher, unsicherer und fragiler geworden. Die Staatengemeinschaft könne nur wirkungsvoll handeln, wenn ihre Mitglieder bereit seien, Verantwortung nicht nur für sich, sondern für alle zu übernehmen, unterstrich der Bundestagspräsident in seiner Begrüßungsansprache. 

„Ungelöste Probleme in einem multilateralen Rahmen angehen“

Zum Gründungsimpuls der Vereinten Nationen, der Friedenssicherung, seien unter den Bedingungen der Globalisierung und der digitalen Vernetzung komplexe Probleme hinzugetreten, „die sich vor 75 Jahren niemand ausmalen konnte“. Diese ungelösten Probleme anzugehen, werde nur in einem gestärkten multilateralen Rahmen funktionieren, betonte Schäuble.

Im globalen Wettstreit der Systeme würden Demokratien besonders daran gemessen, ob sie ihren proklamierten Werten selbst gerecht werden. Schäuble: „Das sollte ein starkes Motiv unseres Handelns sein.“ (vom/18.12.2020)

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