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27.01.2017 3. Untersuchungsausschuss (NSU) — Ausschuss — hib 55/2017

Offene Ermittlungsstränge im NSU-Komplex

Berlin: (hib/FZA) Der 3. Untersuchungsausschuss (NSU II) des Bundestages unter Vorsitz von Clemens Binninger (CDU) hat am Donnerstag, 26. Januar 2017, erneut auf offene Spuren im NSU-Verbrechenskomplex hingewiesen. Im Zentrum der öffentlichen Zeugenbefragung stand diesmal die Ermittlungsarbeit des Bundeskriminalamtes. Als Zeuge war Otmar Soukup, Leitender Kriminalkommissar des BKA, geladen.

Soukup leitete von November 2011 bis August 2012 die sogenannte Besondere Aufbauorganisation „BAO Trio“, die nach der Enttarnung der rechten Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) eingerichtet worden war, um die bundesweite Verbrechensserie des NSU polizeilich aufzuarbeiten und Beweise für den aktuellen Strafprozess gegen die mutmaßliche NSU-Terroristin Beate Zschäpe und vier weitere Angeklagte am Oberlandesgericht in München zu sammeln. Dem NSU wird zur Last gelegt, über dreizehn Jahre hinweg insgesamt zehn Morde, 15 Raubüberfälle und drei Sprengstoffanschläge begangen zu haben.

Die Abgeordneten konfrontierten Soukup mit einer ganzen Reihe von Ermittlungsansätzen, die dem Urteil des Ausschusses nach noch nicht ausermittelt worden sind. Ein Thema war dabei einmal mehr der Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter, die im April 2007 in Heilbronn mutmaßlich von den NSU-Mitgliedern Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos erschossen worden ist. Der Mordfall sei weiterhin „ein offenes Buch mit vielen Fragezeichen“, sagte SPD-Obmann Uli Grötsch.

Der Ausschuss hat die bisherigen Ermittlungsergebnisse, nach denen die NSU-Mitglieder Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos die alleinigen Täter waren, in der Vergangenheit mehrfach kritisch hinterfragt. In Bezug auf den Heilbronner Mordfall beschäftigte sich der Ausschuss unter anderem mit den Aussagen mehrerer Zeugen, die unabhängig voneinander mehrere Täter gesehen haben und die ein zuständiger Kriminalbeamter vor dem Ausschuss als glaubhaft beschrieben hat. Zwischenzeitlich waren die Ermittler in Heilbronn von bis zu sechs Tätern ausgegangen.

Der Vorsitzende Binninger wies darauf hin, dass an keinem der NSU-Mordtatorte DNA von Mundlos und Böhnhardt gefunden worden sei, dafür aber zahlreiche anonyme DNA-Spuren, die bis heute keiner Person zugeordnet werden können. Insbesondere verwies er auf zwei DNA-Funde, einer männlichen und einer weiblichen Spur, die an der Kleidung des Mordopfers Kiesewetter und ihres bei dem Überfall lebensgefährlich verletzten Kollegen Martin Arnold sicher gestellt worden sei.

Da die Täter nach den Schüssen auf Kiesewetter und Arnold nachweislich an ihre Opfer herantraten, um ihnen unter anderem die Dienstwaffen zu entwenden, liegt die Vermutung nahe, dass die Spuren von ihnen stammen könnten. Binninger fragte Soukup, warum gerade diese Spuren nicht abschließend untersucht worden seien. Der zuständige Einsatzabschnitt sei vom BKA geschlossen worden, noch bevor die Überprüfung der Spuren abgeschlossen gewesen sei. Soukup war dieser Umstand nicht bekannt: „Wer die Entscheidung getroffen hat, das zu stoppen, kann ich Ihnen nicht sagen.“ Der Ausschuss fordert schon seit Längerem eine Komplettrevision des DNA-Spurenkomplexes und der an den Tatorten erhobenen Funkzellendaten.

Wie Soukup deutlich machte, teilt er die Zweifel an der alleinigen Täterschaft von Böhnhardt und Mundlos nicht. Hinweise auf weitere Mittäter seien intensiv geprüft worden, hätten sich aber letztendlich nicht erhärtet. Auch die lange gehegte Hypothese, dass es sich bei dem Heilbronner Polizistenmord um eine Beziehungstat oder einen gezielten Racheakt handeln könnte, habe sich nicht bestätigt. Ein Grund für diese Annahme war, dass Kiesewetter und die NSU-Täter aus derselben Region in Thüringen stammen. Den Ermittlungsergebnissen nach waren Kiesewetter und Arnold Zufallsopfer. Welche Bezüge der NSU nach Heilbronn und zu den weiteren neun Mordtatorten hatte und wie er seine Anschlagsziele im Einzelnen auswählte, sei weiterhin ungeklärt, bestätigte Soukup.

Obfrau Petra Pau (Die Linke) kritisierte, gerade gegen V-Personen des Verfassungsschutzes im Umfeld des NSU sei zuweilen nur mit angezogener Handbremse ermittelt worden. Sie verwies unter anderem auf einen im NSU-Komplex bereits hinreichend bekannten Kölner Neonazi und langjährigen V-Mann des Verfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen, der zwischenzeitlich mit einem der Sprengstoffanschläge des NSU in Verbindung gebracht worden ist. Trotz eines Hinweises des Bundesamts für Verfassungsschutz auf eine mögliche Mittäterschaft des V-Manns bei dem Anschlag sei nicht einmal eine Woche lang gegen ihn ermittelt worden. Vorhandene Lichtbilder des Verdächtigen seien nicht in die Ermittlungen eingeflossen, auch sei er nie persönlich vernommen worden. Warum das in diesem Fall nicht geschehen ist, konnte auch Soukup nicht sagen.

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