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10.03.2017 3. Untersuchungsausschuss (NSU) — Ausschuss — hib 150/2017

Bundesanwalt: „Wir haben die Täter“

Berlin: (hib/FZA) Für Bundesanwalt Herbert Diemer waren die bisherigen Ermittlungen zu der Verbrechensserie der rechten Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) ein Erfolg. „Es ist ein ganz gewaltiges Stück, was wir da geleistet haben“, lobte Diemer am Donnerstag, 9. März 2017, als Zeuge vor dem 3. Untersuchungsausschuss (NSU II) des Bundestages unter Vorsitz von Clemens Binninger (CDU) die Arbeit seiner Behörde, des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof (GBA), und des Bundeskriminalamtes (BKA) in dem Fall.

Diemer übernahm im November 2011, kurz nachdem der NSU aufgeflogen war, als zuständiger Referatsleiter in der Abteilung Terrorismus beim Generalbundesanwalt die Ermittlungen in dem Fall. Seit Prozessbeginn im Mai 2013 vertritt er federführend die Anklage im Gerichtsverfahren gegen die NSU-Terroristin Beate Zschäpe und vier mutmaßliche Unterstützer am Oberlandesgericht München. Der Prozess steht kurz vor Abschluss der Beweisaufnahme.

Zschäpe wird der Mittäterschaft an insgesamt zehn Morden, 15 Raubüberfällen und zwei Sprengstoffanschlägen beschuldigt, die der NSU zwischen 1998 und 2011 begangen haben soll. Als Haupttäter gelten laut Anklageschrift Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, die alle 27 der im Münchner NSU-Prozess verhandelten Taten alleine ausgeführt und sich im November 2011 kurz vor einer möglichen Ergreifung durch die Polizei selbst getötet haben sollen.

Diemer ließ keinen Zweifel daran, dass er die Schuld der drei bekannten NSU-Terroristen als erwiesen ansieht. „Wir sind uns sicher, dass wir die richtigen Täter haben“, sagte er. Er und seine Kollegen könnten mittlerweile „mit strafprozessualen Mitteln“ beweisen, dass zumindest Böhnhardt und Mundlos bei den Verbrechen vor Ort waren. Zschäpe habe zugleich „den Laden aufrecht gehalten“, so Diemer. Sie habe das jahrelange Leben im Untergrund mitorganisiert, die bürgerliche Scheinexistenz des Trios aufrechterhalten und zugleich die rassistische Ideologie des NSU voll mitgetragen.

Auf die Frage, ob es womöglich noch weitere bisher unbekannte Mittäter oder Helfer gab, antwortete Diemer: „Wir haben bis heute nichts ausgeschlossen, haben aber keine weiteren Hinweise, die auf weitere Täter schließen lassen.“ Wie die Ausschussmitglieder mit ihren Fragen nach und nach herausarbeiteten, ist die Kenntnislage über das Unterstützerumfeld und einen Großteil der Aktivitäten des NSU-Trios nach wie vor dünn.

Auf die Nachfragen etwa, warum die NSU-Mordserie nach 2007 plötzlich abbrach und wo sich Böhnhardt und Mundlos danach die meiste Zeit aufhielten, räumte Diemer ein: „Da haben wir nichts.“ In der letzten gemeinsamen Wohnung des Trios hat laut Zeugenaussagen hauptsächlich Zschäpe gewohnt. Eine weitere konspirative Wohnung wurde zugleich nie gefunden, bestätigte Diemer. Ungeklärt bleibt auch, wie der NSU seine Tatorte und Mordopfer auswählte oder was genau vor und nach der Enttarnung des Trios am 4. November 2011 geschah.

CDU-Obmann Armin Schuster kritisierte, aus den Ermittlungsakten heraus sei ein Bestreben, das Unterstützerumfeld aufzuklären, nicht zu erkennen. Er äußerte aber auch Verständnis dafür, dass Fragen wie diese nur eine Nebenrolle im laufenden Münchner Strafprozess spielen. Obmann Uli Grötsch (SPD) wollte wissen, wie überhaupt entschieden werde, ob ein Hinweis auf eine Person im Umfeld des NSU relevant für den Strafprozess sei oder nicht. „Das machen wir, in dem wir den Hinweisen nachgehen“, antwortete Diemer. Den Vorwurf, einige Hinweise seien nur lapidar oder gar nicht geprüft worden, wies Diemer entschieden zurück. Er könne allerdings auch nicht bei jedem Hinweis auf eine Person gleich ein Ermittlungsverfahren einleiten, dafür sei zumindest ein begründeter Anfangsverdacht nötig. Den sah er bei den meisten der noch offenen Spuren, die die Ausschussmitglieder ihm in der mehrstündigen Befragung vorhielten, nicht.

Bei diesem Thema kam auch die durch zahlreiche Skandale geprägte Rolle des Verfassungsschutzes im NSU-Komplex erneut zur Sprache. Obfrau Irene Mihalic (Bündnis 90/Die Grünen) fragte Diemer, ob er jemals in Erwägung gezogen habe, dass V-Personen des Verfassungsschutzes in Taten des NSU involviert seien. Hierzu lägen ihm keine Erkenntnisse vor, entgegnete Diemer. Zugleich betonte er, wenn dies zutreffen würde, wäre das ein sehr schwerwiegender Strafbestand, der sich womöglich strafmildernd auf das Urteil gegen die Angeklagte Zschäpe auswirken könnte.

Obfrau Petra Pau (Die Linke) monierte, sie habe nach wie vor den Eindruck, dass in Bezug auf mehrere V-Männer im Umfeld des NSU lediglich mit angezogener Handbremse ermittelt worden sei. Diemer sah das freilich anders. Für den Verfassungsschutz zu arbeiten sei keine Freikarte Straftaten zu begehen, sagte er. Der Umstand, dass es sich bei einer verdächtigen Person womöglich um einen V-Mann handle, sei grundsätzlich kein Gegenstand für eine prozessuale Entscheidung. Zugleich versicherte Diemer dem Ausschuss: Zu keinem Zeitpunkt habe der Geheimdienst versucht, Einfluss auf die Ermittlungen zu nehmen.

Die Abgeordneten konfrontierten Diemer ebenfalls mit der immer länger werdenden Reihe an Skandalen um vernichtete Beweise im NSU-Komplex. Eine Frage war beispielsweise, warum der Generalbundesanwalt die Aussage eines ehemaligen Verfassungsschützers, der nur wenige Tage nach der Enttarnung des NSU im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) mehrere womöglich sensible V-Mann-Akten schreddern ließ, nicht an die zuständige Staatsanwaltschaft Köln weiterleitete.

Wie erst spät herauskam, hat der Verfassungsschützer in einer Befragung, bei der auch ein Bundesanwalt anwesend war, zugegeben, die Akten vorsätzlich vernichtet zu haben, um möglichen Schaden vom BfV abzuwenden. Ob die Akten einen Bezug zum NSU hatten, konnte bisher nicht vollständig geklärt werden. Diemer sagte hierzu nur: Aus der Aussage des Verfassungsschützers habe sich kein neuer Ermittlungsansatz für den Generalbundesanwalt ergeben. Die Staatsanwaltschaft Köln hat allerdings nach Bekanntwerden der Aussage doch noch ein Ermittlungsverfahren gegen den mittlerweile versetzten BfV-Mitarbeiter eingeleitet.

Mit der Befragung Diemers hat der 3. Untersuchungsausschuss seine öffentliche Beweisaufnahme beendet. In den kommenden acht bis zehn Wochen wolle der Ausschuss nun seinen umfangreichen Abschlussbericht fertig stellen, kündigte Binninger abschließend an. Eine Veröffentlichung des Berichts ist nach derzeitigem Zeitplan für Anfang Juni geplant.

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