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16.10.2019 Wirtschaft und Energie — Ausschuss — hib 1131/2019

Abfederung des Kohleausstiegs

Berlin: (hib/FLA) Das geplante Maßnahmenbündel zur Abfederung des Kohleausstiegs ist von Experten teils verhalten aufgenommen und mit zahlreichen Änderungsvorschlägen versehen worden. Das war das Ergebnis einer Anhörung von Sachverständigen im Ausschuss für Wirtschaft und Energie. Bei der Sitzung unter der Leitung von Klaus Ernst (Die Linke) ging es um den Entwurf der Bundesregierung eines Strukturstärkungsgesetzes Kohleregionen (19/13398).

Der Gesetzentwurf fuße auf den Vorschlägen der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, so die Regierung. Es solle ein verbindlicher Rechtsrahmen für die „strukturpolitische Unterstützung der Regionen, insbesondere durch die Gewährung finanzieller Hilfen für Investitionen und weitere Maßnahmen bis 2038“ geschaffen werden. Der Entwurf solle von einem Gesetz zum Ausstieg aus der Kohleverstromung flankiert werden.

Professor Ralf B. Wehrspohn (Fraunhofer-Gesellschaft) bemängelte, dass der Gesetzentwurf die enormen Herausforderungen gerade der energieintensiven Industrie ignoriere. Sie stehe vor der Herausforderung, ihre energetischen und prozessbedingten Treibhausgasemissionen drastisch zu senken. In Deutschland seien davon besonders die Chemie-, Papier-, Glas- und Metallbranchen betroffen.

Für Peter Kopf (Industrie- und Handelskammer Cottbus) fehlt eine klare Wirtschaftsorientierung der Strukturhilfen. Es müssten privatwirtschaftliche Investitionen angeregt werden. Wegfallende Wertschöpfung von Kohleunternehmen und Zulieferern könne nicht durch die Schaffung von Stellen in der Verwaltung kompensiert werden. Für die finanzielle Unterstützung bis 2038 fehle eine rechtsverbindliche Regelung zwischen Bund und Kohleländern.

Professor Joachim Ragnitz (ifo-Institut) sprach sich gegen die von einigen Ländern vorgebrachte Forderung nach Sonderabschreibungen für Investitionen in Ostdeutschland aus. Da nicht von vornherein abgeschätzt werden könne, wie hoch die Steuerausfälle wären, ergäben sich unwägbare Risiken für die öffentlichen Haushalte weit über das Jahr 2038 hinaus. Zudem erwarte er hohe Mitnahmeeffekte.

Der Konzernbetriebsrat der Lausitz Energie Bergbau AG will sich laut seinem Vorsitzenden Uwe Teubner dafür einsetzen, dass das Unternehmen mit neuen Geschäftsideen und innovativen Projekten eine aktive, zur Wertschöpfung beitragende und Arbeitsplatz sichernde Rolle bei der Strukturentwicklung einnimmt. In dem Gesetzentwurf finde sich aber kaum ein Anknüpfungspunkt für diese aktive Rolle von Unternehmen in der Strukturentwicklung.

Professor Jens Südekum (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf) befand, wegen des Zeithorizonts des Braunkohleausstiegs sei ein komplettes Wegbrechen der industriellen Basis ebenso wenig zu befürchten wie eine drohende Welle der Massenarbeitslosigkeit. Ein so erheblicher Einsatz öffentlicher Investitionsmittel, wie im Gesetzentwurf vorgesehen (rund 200.000 Euro pro direkt betroffenen Arbeitsplatz), sei dann gerechtfertigt, wenn davon industriepolitische Impulse ausgehen, die über die Braunkohlenreviere hinaus ausstrahlen. Es müssten Visionen und Leitbilder dahinterstehen.

Frank Hennig, Diplom-Ingenieur für Kraftwerksanlagen und Energieumwandlung, hob hervor, dass eine preiswerte, mittelfristig kalkulierbare und sichere Stromversorgung Voraussetzung für die Schaffung neuer Arbeitsplätze sei. Im Gesetzentwurf fänden sich keine belastbaren Aussagen zum Ersatz der entfallenden Kohlekraftwerksleistung. Gesicherte, regelfähige und wetter- und tageszeitunabhängige Stromproduktion könne nicht durch volatile Stromeinspeisung ersetzt werden.

Klaus Aha von der Wirtschaftsinitiative Lausitz verwies auf die nötige Stabilisierung der Bevölkerungsentwicklung in der Lausitz: erst die große Zahl von Abwanderungen junger Menschen in den 1990er Jahren, nun der erneut drohende Bevölkerungsverlust durch den Kohleausstieg. Dem könne durch die Schaffung neuer Arbeitsplätze und die verkehrliche Erschließung von Arbeitsplätzen in den Zentren Dresden und Berlin begegnet werden. Er kritisierte, dass der Gesetzentwurf fast nicht für Privatinvestitionen vorsehe.

Christine Wörlen (Arepo Consult) hielt es für wahrscheinlich, dass der Kohleausstieg arbeitsplatzschonend vollzogen werden kann. Dennoch müsse das Gesetz Beschäftigungsgarantien und klare Regelungen für die Beschäftigungssicherung bei Schließung von Kohleanlagen enthalten. Im Gesetzentwurf seien keine Vorkehrungen wie etwa Auffanggesellschaften zu finden. Bezogen auf die Betroffenen seien die Ziele im Gesetzentwurf wolkig und unklar formuliert.

Reiner Priggen (Landesverband Erneuerbare Energien NRW) meinte, der Ausbau der Erneuerbaren Energien müsse als ein wesentlicher Teil des notwendigen Strukturwandels begriffen und im Gesetz verankert werden. Das Ausbauziel für Erneuerbare Energien von mindestens 65 Prozent bis 2030 sei gesetzlich festzulegen. In dieser Hinsicht sei er völlig enttäuscht vom Gesetzentwurf, gemessen an den Vorschlägen der Kommission.

Namens der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände machte Detlef Raphael geltend, den Kommunen müsse die Möglichkeit gegeben werden, den Strukturwandel personell zu wuppen. Er äußerte die Sorge, dass die Gesamthilfen des Bundes in Höhe von 40 Milliarden Euro bis 2038 noch nicht ausfinanziert seien und bislang die Finanzierung lediglich mit 500 Millionen Euro pro Jahr bis 2023 gesichert sei. Die Spitzenverbände hätten die Befürchtung, dass möglicherweise versucht werde, in den Folgejahren durch Umschichtungen im Haushalt die finanzielle Unterlegung sicherzustellen. Die Finanzierung dürfe aber nicht zu Lasten der Förderung anderer strukturschwacher Regionen gehen.

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