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10.12.2019 Inneres und Heimat — Anhörung — hib 1387/2019

Einstufung sicherer Herkunftsstaaten

Berlin: (hib/wid) Ein asylrechtlicher Antrag der FDP-Fraktion für ein „geregeltes Verfahren zur Einstufung sicherer Herkunftsstaaten“ (19/8267) ist in einer Anhörung des Ausschusses für Inneres und Heimat auf überwiegende Skepsis der Sachverständigen gestoßen. In der öffentlichen Sitzung am Montag wurden Zweifel laut, ob die Erklärung eines Landes zum sicheren Herkunftsstaat an sich schon eine nennenswerte Entlastung der deutschen Behörden mit sich bringe, und ob der Prozentsatz anerkannter Asylbewerber aus einem bestimmten Land einen tauglichen Maßstab für die Bewertung der dortigen Menschenrechtslage darstellt. Nach Ansicht der Liberalen besteht eine Anfangsvermutung, dass Staaten als sicher gelten können, wenn Asylanträge ihrer Bürger seit mindestens fünf Jahren oder im Durchschnitt der letzten zehn Jahre zu weniger als fünf Prozent erfolgreich sind.

Für das UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) machte der Leiter der Rechtsabteilung der deutschen Sektion, Roland Bank, Zweifel geltend, ob die Einstufung eines Landes als sicher geeignet sei, Asylverfahren wesentlich zu beschleunigen. Die „potentielle Ökonomisierung“ im Arbeitsablauf des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sei doch als „eher gering“ einzuschätzen. Schließlich ändere nach geltender Rechtslage eine solche Einstufung nichts an der „besonderen Sorgfaltspflicht“, Asylanträge in jedem Einzelfall zu prüfen.

Die Frage sei auch, nach welchen Kriterien die Sicherheitslage in einem Land zu bewerten sei. Hier gebe es nach wie vor eine Divergenz zwischen dem deutschen und dem diesem mittlerweile übergeordneten europäischen Recht. Während das deutsche Recht auf politische Verfolgung durch staatliche Instanzen abhebe, lege das europäische einen wesentlich weiter gefassten Verfolgungsbegriff zugrunde. In diesem Zusammenhang mahnte Bank eine Angleichung des deutschen Asylverfahrensgesetzes an europäische Kriterien als überfällig an. Dadurch würde sich nicht nur formal, sondern auch „inhaltlich sehr deutlich etwas ändern an den Bewertungsmaßstäben“.

Winfried Kluth, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Halle-Wittenberg, kritisierte die nach seiner Einschätzung herrschende Intransparenz und „extreme Beliebigkeit“ der Entscheidungsgrundlagen. „Ich kenne kein anderes Gebiet des Verwaltungsrechts mit so starken Defiziten“, sagte Kluth. Er empfahl, die Beurteilung der Herkunftsländer von Asylbewerbern in die Hände eines unabhängigen Fachleutegremiums zu geben. Eine solche „Systemumstellung“ werde mehr Akzeptanz erzeugen als das derzeitige Verfahren, in dem die Anerkennung sicherer Herkunftstaaten allzu oft als Gegenstand eines Kuhhandels im Bundesrat erscheine.

Gerald Knaus, Leiter der Europäische Stabilitätsinitiative, einer in Berlin ansässigen Denkfabrik, die sich schwerpunktmäßig mit den Balkanländern befasst, widersprach dem Eindruck, dass die Einstufung eines Herkunftstaates als sicher die Zahl der von dort kommenden Asylbewerber automatisch sinken lasse. So seien die Bewerberzahlen aus den Ländern des Westbalkan nicht schon mit deren heftig umstrittener Einstufung als „sicher“, sondern erst in Folge des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes, verbunden mit der Eröffnung legaler Zugangswege zum deutschen Arbeitsmarkt, gesunken. Wirtschaftlich motivierte Asylbewerber suchten sich jene Zielländer aus, wo die Verfahren lange dauerten und in der Zwischenzeit die Sozialleistungen hoch seien. Entscheidend für die Verringerung der Bewerberzahlen sei daher die Beschleunigung der Verfahren.

Die Vertreterin des BAMF, Ursula Gräfin Praschma, verwies auf ein Experiment ihrer Behörde zur Begründung ihrer Zweifel, ob der Vorstoß der Liberalen zielführend sei. Dabei seien 26 Herkunftsstaaten mit im Sinne des FDP-Antrages geringen Anerkennungsquoten einer Prüfung unterzogen worden. In den allermeisten Fällen seien indes die „Rahmenbedingungen“ für eine Anerkennung als „sicher“ nicht erfüllt gewesen: „Eine niedrige Schutzquote kann ein Indiz sein, aber das allein genügt nicht.“ Ähnlich äußerte sich der Konstanzer Europarechtler Daniel Thym. Er bewertete den FDP-Vorschlag als „gangbare Lösung“, machte aber geltend, dass in jedem Einzelfall eine „qualitative Betrachtung inhaltlicher Kriterien“ vorrangig sei.

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