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27.05.2020 Recht und Verbraucherschutz — Anhörung — hib 548/2020

Experten für mehr Schutz vor Upskirting

Berlin: (hib/MWO) Für eine Verbesserung des Persönlichkeitsschutzes bei der Herstellung und Verbreitung von Bildaufnahmen hat sich die große Mehrheit der Sachverständigen in einer Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz am Mittwoch ausgesprochen. Gegenstand der Anhörung waren Gesetzentwürfe der Bundesregierung, des Bundesrates und der AfD-Fraktion zur Änderung des Strafgesetzbuchs sowie ein diesbezüglicher Antrag der FDP-Fraktion.

Nach den Vorlagen der Bundesregierung und des Bundesrates (19/17795, 19/15825) sollen das Herstellen und das Übertragen einer Bildaufnahme, die in grob anstößiger Weise eine verstorbene Person zur Schau stellt, sowie das Herstellen und das Übertragen einer Bildaufnahme von bestimmten gegen Anblick geschützten Körperteilen - wie das sogenannte Upskirting - strafbar werden. Auch das Gebrauchen und Zugänglichmachen von solchen Bildaufnahmen gegenüber Dritten soll erfasst werden. Laut AfD-Entwurf (19/18980) muss der strafrechtliche Persönlichkeitsschutz an der unbefugten Herstellung entsprechender Bildaufnahmen ansetzen. Die AfD will zudem das Einwilligungserfordernis auf Bildnisse von Teilnehmern einer zulässigen politischen Veranstaltung erweitern. Auch die FDP spricht sich in ihrem Antrag für die Bestrafung des Upskirtings aus (19/11113).

Unterschiedliche Ansichten vertraten die Sachverständigen zur Einordnung solcher Bildaufnahmen unter dem Tatbestand der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs, wie im Entwurf der Bundesregierung, oder als Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, wie vom Bundesrat vorgeschlagen. Auf diese Problematik richteten sich auch die meisten Fragen der Abgeordneten.

Der Strafrechtler Jörg Eisele von der Eberhard Karls Universität Tübingen erklärte in seiner Stellungnahme, das Upskirting bewege sich zwischen der unerlaubten Bildaufnahme, die in Paragraf 201a des Strafgesetzbuches (StGB) geregelt sei, und den Pornografiedelikten des StGB, die den Sexualdelikten zuzuordnen seien. Die bestehenden Strafvorschriften erfassten das Upskirting bislang nicht hinreichend. Für eine Strafbarkeit spreche, dass die Herstellung der Bildaufnahmen und deren Zugänglichmachung einen schwerwiegenden Eingriff in die Intimsphäre der betroffenen Person darstellen. Abgesehen von den Schwierigkeiten hinsichtlich der Einbeziehung der weiblichen Brust und den Unklarheiten hinsichtlich des Begriffs der Unterbekleidung sei der Entwurf der Bundesregierung überzeugend und dem des Bundesrates vorzuziehen. Ebenfalls überzeuge, so Eisele, in den Anwendungsbereich des Paragrafen 201a auch verstorbene Personen miteinzubeziehen.

Veronika Grieser, Abteilungsleiterin bei der Staatsanwaltschaft München I, verwies darauf, dass nach der derzeitigen Rechtslage Upskirting strafrechtlich nicht oder nur in sehr seltenen Fällen verfolgt werden könne. In der Erstellung oder Verbreitung unbefugter Aufnahmen des Intimbereichs liege jedoch ein erheblicher Unrechtsgehalt, der vergleichbar ist mit Tathandlungen des Paragrafen 201a, aber auch mit denjenigen des Paragrafen184i StGB, der sexuelle Belästigung unter Strafe stellt. Die vom Bundesrat vorgeschlagene Einordnung von Upskirting als Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung werde dem Unrechtsgehalt solcher Taten besser gerecht als die von der Bundesregierung vorgesehene Ergänzung der Strafbarkeit der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, erklärte Grieser. Die Gesetzentwürfe der Bundesregierung und des Bundesrates unterschieden sich auch im Schutzumfang. Die Vorlage der Bundesregierung umfasse auch das sogenannte Downblousing, bei dem in den Ausschnitt einer Person fotografiert oder gefilmt werde. Dessen Unrechtsgehalt erscheine aber nicht vergleichbar mit dem des Upskirting.

Elisa Hoven, Lehrstuhlinhaberin an der Universität Leipzig, sieht durch die geplanten Straftatbestände sowohl den Schutz des höchstpersönlichen Lebensbereichs als auch das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung betroffen. Eine eindeutige Zuordnung im StGB sei nicht möglich. Weder die Aufnahme der geplanten Strafnorm in 201a noch die Einführung eines eigenständigen Paragrafen 184k begegneten daher durchgreifenden Bedenken. Aus kriminalpolitischer Sicht sprächen jedoch gute Gründe für die Einordnung in das Sexualstrafrecht.

Dem widersprach die Vertreterin des Deutschen Anwaltvereins (DAV), die Essener Rechtsanwältin Jenny Lederer. Der DAV stehe einer Pönalisierung von Upskirting und Downblousing kritisch gegenüber, erklärte sie. Aus strafrechtlicher Sicht genüge die Reaktion mit dem Ordnungswidrigkeitenrecht auf derartige Bildaufnahmen; einer Regelung im StGB bedürfe es nicht. Es dränge sich die Frage auf, ob mit dem Owi-Recht dem „Phänomen“ - das sich laut Bundesrat nur schwer abschätzen lasse - nicht besser und ausreichend Rechnung getragen werde. So sehr gesellschaftlich für die Respektierung gesetzter Grenzen eingestanden und sensibilisiert werden müsse, so fraglich sei die Reaktion auf derartige „Phänomene“ mithilfe des Strafrechtes, das Ultima Ratio sei und bleiben müsse.

Clemens Prokop, Leitender Oberstaatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Regensburg, favorisierte den Gesetzentwurf der Bundesregierung. Seiner Meinung nach wäre es systemwidrig, in einen neuen Paragrafen im Sexualstrafrecht vergleichbare Tatbestände in unterschiedlichen Gesetzen zu regeln. Für den Entwurf der Bundesregierung spreche, dass die entsprechenden Körperteile klar definiert und alle Geschlechtsteile erfasst seien. Problematisch sei einzig die aus seiner Sicht unzureichende Anforderung im Vorsatzbereich. Daher sollte in 201a eine wissentliche Tatbegehung eingefügt werden.

Frank Rebmann, Leitender Oberstaatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Heilbronn, verwies ebenfalls auf die unterschiedlichen Ansichten über das durch Upskirting verletzte Rechtsgut und schlug vor, entsprechend des Entwurfes des Bundesrates einen neuen Paragrafen 184k „Bildaufnahme des Intimbereichs“ in das StGB einzuführen. Insbesondere der Gesetzentwurf des Bundesrates habe sich eingehend mit der Frage des Schutzes vor dem Upskirting durch das geltende Recht befasst und die Lückenhaftigkeit der bestehenden strafrechtlichen Bestimmungen nachvollziehbar und überzeugend dargestellt, erklärte Rebmann. Über die Strafwürdigkeit und -bedürftigkeit des Upskirtings bestehe weitgehend Einigkeit, fügte er hinzu. Es fehle jedoch eine empirisch fundierte Begründung.

Hanna Seidel, Leiterin der Petition StopUpskirting, begrüßte im Namen der Betroffenen das Anliegen der Bundesregierung, unbefugte Bildaufnahmen des Intimbereichs unter Strafe zu stellen. Aufgrund der Auswirkungen für Betroffene und um ein öffentliches Zeichen gegen sexualisierte Gewalt zu setzen, hielten es die Petentinnen für unumgänglich, Upskirting unter Strafe zu stellen. Sie unterstütze allerdings den Gesetzesentwurf des Bundesrates, erklärte Seidel, der die Thematik ihrer Ansicht nach richtig im Sexualstrafrecht einordne. Dennoch sei der Bundesratsentwurf zu eng gefasst. Wichtig sei, dass auch die weibliche Brust geschützt ist, denn die Auswirkungen des Downblousing ähnelten denen des Upskirting.

Leonie Steinl vom Deutschen Juristinnenbund begrüßte das Anliegen des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, angesichts strafrechtlicher Schutzlücken unbefugte Bildaufnahmen der Genitalien, des Gesäß- und weiblichen Brustbereiches unter Strafe zu stellen. Sie schlug Änderungen vor, wonach klarzustellen sei, dass Paragraf 201a neben dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auch dem Schutz der sexuellen Selbstbestimmung diene und dass die abgebildete Person nicht identifizierbar sein muss. Die Verankerung der neuen Regelung in 201a sei eine praktikable Lösung.

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