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Heimat

Öffentliche Anhörung am Montag, dem 21. Juni 2021, 10.30 Uhr zu den Anträgen der Fraktionen FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Bekämpfung des islamistischen Terrors - BT-Drucksachen 19/24369, 19/24383

Zeit: Montag, 21. Juni 2021, 10.30 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal 4 900

Für den Kampf gegen islamistischen Extremismus braucht es aus Sicht von Sachverständigen nicht neue Strukturen sondern eine Verstetigung und Unterstützung der vorhandenen Strukturen. Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Innenausschusses unter Leitung von Jochen Haug (AfD) am Montag, 21. Juni 2021, zu Anträgen der FDP-Fraktion (19/24369) und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (19/24383) deutlich.

„Es braucht eine längerfristig gesicherte Finanzierung“

Claudia Dantschke vom Verein Grüner Vogel, Teil des Beratungsnetzwerkes der Beratungsstelle Radikalisierung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), bewertete das 2018 ins Leben gerufene Nationale Präventionsprogramm gegen islamistischen Extremismus positiv. Dadurch würden die Initiativen im Kampf gegen islamistischen Extremismus gut koordiniert und vernetzt.

„Es gibt eine sehr gute Abstimmung zwischen dem Bund und den Ländern aber auch zwischen zivilgesellschaftlichen und staatlichen Akteuren“, sagte sie. Problematisch sei aber die jährliche Finanzierung der zivilgesellschaftlichen Projekte. Um wichtiges, eingearbeitetes Personal halten zu können, bräuchte es eine längerfristig gesicherte Finanzierung, sagte Dantschke.

„Wir haben ein funktionierendes System“

Auch Thomas Mücke von der Organisation Violence Prevention Network verwies auf die in den letzten Jahren geschaffenen Strukturen der Deradikalisierungsarbeit, die es nun zu sichern gelte. „Wir haben ein funktionierendes System“, sagte er. Im Bereich der Professionalisierung sei sehr viel passiert.

Mit Blick auf die aktuelle Situation kam Mücke zu der Einschätzung, dass die öffentliche Aufmerksamkeit für die Extremismusgefahr derzeit als Folge der Corona-Pandemie reduziert sei. Es gebe derzeit auch weniger Hinweise aus dem sozialen Umfeld radikalisierter Personen. Die extremistische Szene, so Mücke, sei aber auch in der Pandemie sehr aktiv gewesen und habe versucht, ihr Rekrutierungspotenzial aufrechtzuerhalten – insbesondere über das Internet.

Vor Alarmismus gewarnt

Aus Sicht von Dr. Jochen Müller vom Verein ufuq.de bringt die universelle Prävention, wenn sie sich an eine spezifische Zielgruppe richtet, die Gefahr der Stigmatisierung mit sich, weil sie die Gruppe unter einen Generealverdacht stelle. „Das wäre aber Wasser auf die Mühlen der Extremisten, die genau an diese Alltagserfahrung junger Muslime in Deutschland ansetzen können“, warnte er. Dies geschehe auch durch eine Ausweitung des Problems auf Fragen des Asylrechts oder der Organisierten Kriminalität.

Müller warnte zugleich vor Alarmismus und machte deutlich, das durchaus vorhandene Konflikte in Schulen, etwa zu Geschlechterrollen, dem „Hände geben“, dem Nahost-Konflikt oder dem Ramadan mit islamistischer Ideologisierung in aller Regel nichts zu tun hätten.

„Es geht um Demokratieförderung“

Jamuna Oehlmann von der Bundesarbeitsgemeinschaft religiös begründeter Extremismus begrüßte die Anträge grundsätzlich. Sie teile viele Positionen, die sich im Antrag der Grünen fänden, wie etwa die Forderung nach einer langfristigen Förderung oder einer Institutionalisierung des Austausches mit dem Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum.

Bei der Prävention, so betonte sie gehe es um weit mehr als um Überwachung. Es gehe um Demokratieförderung. In den Anträgen werde aber die universelle Prävention sehr kurz gehalten, befand Oehlmann. Zu begrüßen sei indes eine bundeseinheitliche Präventionsstrategie, „die aber nicht ohne die Beteiligung zivilgesellschaftlicher Akteure umgesetzt werden kann“.

„Angemessene Forderungen und Diagnosen“

Mit Blick auf die islamistische Bedrohung der freiheitlichen Ordnung enthalten die beiden Anträge aus Sicht des Politikwissenschaftlers Dr. habil. Michael Henkel eine Reihe angemessener Forderungen und Diagnosen. Zugleich blieben sie aber hinsichtlich einer Ausschöpfung denkbarer Instrumente hinter den Möglichkeiten zurück. So werde beispielsweise die Problematik der Milieus und des sozialen Umfeldes in den Vorlagen erkannt, die eine Radikalisierung begünstigen und einen Nährboden für Islamismus darstellen können.

Dass die Politik auf den Gebrauch der deutschen Sprache in Moscheen hinwirkt, werde gleichwohl nicht verlangt. Ebenso sei die Idee eines wirksamen nationalstaatlichen Grenzschutzes, durch den eine Einreise von Islamisten oder islamistischen Gefährdern unterbunden werden könnte, beiden Anträgen fremd.

„Es gibt keine Entspannung der Bedrohungslage“

Sowohl der Vizepräsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Jürgen Peter, als auch Sinan Selen, Vizepräsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, machten deutlich, dass nach wie vor mit dschihadistisch motivierten Gewalttaten gerechnet werden müsse und es keine Entspannung der Bedrohungslage gebe. In den vergangenen fünf Jahren habe es in Deutschland neun Terroranschläge gegeben mit 14 Todesopfern und rund 100 Verletzten, sagte BKA-Vizepräsident Peter.

Zwölf Anschläge seien durch die Sicherheitsbehörden verhindert worden oder seien gescheitert. Im Kontext des islamistischen Terrorismus würden aktuell 1.215 Ermittlungsverfahren geführt – im Jahr 2015 seien es 642 gewesen. Die Anzahl der Gefährder liege bei 570 (2015: 446). Peter hält die deutschen Sicherheitsbehörden im Bereich der Terrorismusabwehr sowie im Falle eines Anschlages für „grundsätzlich adäquat aufgestellt“.

„Ein einzeln agierender Täter ist nicht wirklich allein“

Der Vizepräsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz ergänzte die Zahl von 28.700 Islamisten, die im Jahr 2020 gezählt worden seien. „Das zeigt, dass sich die Interaktion, die Vernetzung von Islamisten nicht abgeschwächt hat“, sagte Selen. Auch während der Pandemie bleibe die Szene im virtuellen Raum vernetzt und agiere weiterhin. Die Aktivitäten reichten von der Verfestigung extremistischer Ideen über Spendenaufrufe „bis hin zur Aufforderung, Aktionen gegen Feinde des Islam durchzuführen“.

Personen, die aktiv werden wollen, erhielten einen brandgefährlichen Support, sagte er. Ein einzeln agierender Täter sei also nicht wirklich allein. Die Unterstützung komme auch von der Terrororganisation Islamischer Staat (IS), die sich seiner Einschätzung nach derzeit reorganisiere, sagte der Vizepräsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz.

Antrag der FDP

Die Bundesregierung soll nach dem Willen der FDP-Fraktion „die Bemühungen im Kampf gegen den Islamismus in Deutschland“ intensivieren. Dazu müssten islamistische Gefährder, von denen eine konkrete Gefahr ausgeht, konsequent überwacht werden, schreibt die Fraktion in ihrem Antrag (19/24369). Zu diesem Zweck sei ein weiterer Stellenaufwuchs bei den Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern erforderlich.

Auch müssten diese Sicherheitsbehörden ihren Austausch von Informationen über islamistische Gefährder verbessern, fordert die Fraktion weiter und wirbt für eine „Föderalismusreform III“ mit dem Ziel, „einzelne Landesämter für Verfassungsschutz zu fusionieren und die Rolle des Bundes zu stärken“. Zudem soll nach ihrem Willen Europol zu einem „echten Europäischen Kriminalamt“ mit eigenen Ermittlungsbefugnissen ausgebaut werden.

„Druck über die Visa-Bedingungen ausüben“

Der Bund soll der Vorlage zufolge seine Anstrengungen für in der Praxis funktionierende Rückübernahmeabkommen „erheblich erhöhen“ und dabei „auch Druck über die Visa-Bedingungen für Staatsangehörige der betroffenen Staaten“ ausüben. Ferner dringt die Fraktion darauf, die Einstufung bestimmter Staaten als asylrechtlich sichere Herkunftsstaaten zu forcieren und in einem ersten Schritt Algerien, Tunesien, Marokko und Georgien entsprechend einzustufen.

Des Weiteren plädiert die Fraktion für einen Ausbau von Programmen zur Deradikalisierung in Gefängnissen. Darüber hinaus fordert sie in dem Antrag, Vereine zu verbieten, „die Radikalisierung und Gewalt mittels islamistischer Bildungsangebote vorbereiten“, und Moscheen, in denen islamistisches Gedankengut gelehrt wird, wenn möglich zu schließen. Zugleich soll nach ihrem Willen unter anderem die Ausbildung muslimischer Imame und Religionslehrer an deutschen Universitäten ausgebaut werden.

Antrag der Grünen

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen dringt darauf, „konsequent mit allen rechtsstaatlichen Mitteln gegen islamistischen Terror vorzugehen“. In ihrem Antrag (19/24383) fordert die Fraktion die Bundesregierung auf, sich im Rahmen der Innenministerkonferenz (IMK) dafür einzusetzen, „dass die Gesetze zur Gefahrenabwehr sowie das Strafrecht entschlossener und konsequenter angewendet werden“. Damit soll laut Vorlage eine engmaschige und gegebenenfalls „Rundum-die-Uhr-Überwachung von sogenannten Gefährdern“ ermöglicht werden, solange sie in Deutschland auf freiem Fuß sind.

Auch soll sich die Bundesregierung dem Antrag zufolge auf Ebene der IMK für polizeiliche Verwaltungsvereinbarungen einsetzen, die eine von Bund und Ländern besser koordinierte Beobachtung von Gefährdern ermöglichen. Ebenso soll sie nach dem Willen der Fraktion eine verstärkte Prüfung von Vereinsverboten vorantreiben, um zu verhindern, „dass Vereine die Fassade bilden, hinter denen sich verfassungsfeindliche Strategien, islamistische sogenannte Gefährder sowie terroristische Planungen verstecken können“.

„Vollzug von Ausweisungsentscheidungen intensivieren“

Ferner plädiert die Fraktion dafür, „den Vollzug von Ausweisungsentscheidungen durch Abschiebungen rechtsstaatlich und im Einklang mit völkerrechtlichen Vorgaben in Bezug auf sogenannte Gefährder zu intensivieren“. Zudem fordert sie eine Priorisierung der offenen Haftbefehle gegen gewaltbereite Islamisten und fordert die Bundesregierung auf, „im Zusammenspiel mit den Ländern dafür zu sorgen, dass die Vollstreckung dieser Haftbefehle Vorrang bekommt“.

Des Weiteren soll die Bundesregierung Prävention und Deradikalisierungsstrategien im Bereich Islamismus, insbesondere in Haftanstalten und mit Haftentlassenen, im Benehmen mit den Bundesländern intensivieren. Schließlich wirbt die Fraktion unter anderem dafür, islamisch-theologische und praxisorientierte Aus- und Weiterbildungsprogramme für Imame und islamische Religionsbedienstete bundesweit zu etablieren und zu unterstützen. (hau/sto/21.06.2021)

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