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Ausschüsse

Öffentliche Anhörung zu Target-2-Salden im Europäischen Währungssystem

Euro-Zeichen zwischen zwei Euro-Sternen und Euro-Münzen

Das Zahlungsverkehrssystem der Eurozone stand im Fokus der Anhörung. (© picture-alliance/imageBROKER)

Zeit: Mittwoch, 5. Juni 2019, 14 Uhr bis 15.30 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E.400

Sachverständige, Bankenverbände und die Deutsche Bundesbank haben zu mehr Gelassenheit in der Diskussion um die sogenannten Target-2-Salden im Europäischen Währungssystem aufgerufen. In einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am Mittwoch, 5. Juni 2019, unter Leitung der Vorsitzenden Bettina Stark-Watzinger (FDP) erklärte Isabel Schnabel, Professorin für Finanzmarktökonomie an der Universität Bonn und Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: „Unserer Meinung nach sind keine umfassenden Reformen des Target-Systems erforderlich, da von diesem System keine wesentlichen Risiken für den deutschen Steuerzahler ausgehen.“

Die Diskussion über die Target-Salden sei durch Missverständnisse und Fehldarstellungen geprägt, was zu einer Überschätzung der Risiken aus den Target-Salden in der deutschen Öffentlichkeit geführt habe, beklagte die Wissenschaftlerin, die erwartet, dass sich die Target-Salden im Zuge einer weniger expansiven Geldpolitik weiter reduzieren werden.

Anträge der AfD und FDP

Grundlage der Anhörung waren zwei Anträge von Oppositionsfraktionen. So will die FDP-Fraktion (19/6416) durch eine Vertiefung der europäischen Kapitalmarktunion eine Verringerung der Target-Salden in der Eurozone erreichen. Die deutschen Forderungen innerhalb des Systems würden sich derzeit auf rund 900 Milliarden Euro belaufen, während einzelner Schuldnerländer teilweise Verbindlichkeiten von mehr als 400 Milliarden Euro hätten. Die FDP-Fraktion fordert, dass Banken für das Halten von Staatsanleihen Eigenkapital vorhalten müssen; die Verbindung von Staaten und Banken soll durch Großkreditobergrenzen begrenzt werden.

Die AfD-Fraktion fordert in ihrem Antrag (19/9232) eine umfassende Besicherung von Target-Forderungen durch Vermögensgegenstände inklusive Gold und Goldforderungen. Damit sollen insbesondere die sich aus den Target-Forderungen der Bundesbank ergebenden Risiken abgesichert werden. Durch Vermeidung einer Insolvenz beziehungsweise einer bilanziellen Überschuldungssituation der Bundesbank sollen so Einnahmeausfälle oder Nachschusspflichten für den Bundeshaushalt vermieden werden.

Expertin kritisiert Analyse als fehlerhaft

Schnabel bezeichnete die dem AfD-Antrag zugrundeliegenden Analysen als fehlerhaft. So würden unter anderem Brutto- und Nettogrößen verglichen. Zu den in beiden Anträgen vorhandenen Warnungen vor den Folgen des Austritts eines Eurolandes aus der Währungsunion sagte Schnabel, dies sei der „Ausfall“ einer „Forderung“, die die Deutsche Bundesbank zu nichts berechtige. Da die „Forderung“ die Deutsche Bundesbank zu nichts berechtige, hätte dieser Ausfall selbst keine betriebswirtschaftlichen Folgen. Der Wert der „Forderung“ sei Null, so Schnabel. Dirk Ehnts von der Technischen Universität Chemnitz bezeichnete Target-2-Salden als reine Buchungsposten, aber keine Schulden. Daher müssten diese auch nicht mit Sicherheiten unterlegt werden.

Wie Schnabel erklärte auch die Deutsche Bundesbank in ihrer Stellungnahme die Entwicklung der Target-Salden seit 2015 nicht zuletzt mit den Effekten der technischen Abwicklung der Wertpapierankauf-Programme. Zu Target 2 selbst hieß es in der Bundesbank-Stellungnahme, dieses System sichere den freien Fluss von Zentralbankgeld im gesamten Euroraum und unterstütze damit die Transmission der Geldpolitik, gut funktionierende Finanzmärkte, die Wirtschaftstätigkeit und die Finanzstabilität. „Es ist daher ein unverzichtbarer Bestandteil unserer Währungsunion“, so die Bundesbank, die eine Besicherung der Target-2-Salden zum Beispiel mit Gold als unnötig bezeichnete.

Bankenverbände sehen keinen Reformbedarf

In der Stellungnahme von drei großen Bankenverbänden hieß es, seit dem Ende der Nettokäufe von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank im Dezember 2018 hätten sich auch die Target-Salden wieder leicht zurückgebildet. Unmittelbarer Reformbedarf für den grundsätzlichen Umgang mit den Target-2-Salden ergibt sich aus Sicht der tragenden Säulen der deutschen Kreditwirtschaft daher nicht, heißt es in der gemeinsamen Stellungnahme des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands, des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie des Bundesverbands öffentlicher Banken Deutschlands.

Ähnlich argumentierte der Bundesverband deutscher Banken, der die Target-2-Salden als eine Art eingebauter Stabilisator für Zahlungsbilanzprobleme bezeichnete.

Stabilität der Banken problematisiert

Dr. Gerhard Schick von der Bürgerbewegung Finanzwende kritisierte, es sei zu lange der Eindruck erweckt worden, dass es eine innereuropäische Umverteilung gebe. Das stimme aber nicht. Als zentrale Herausforderung bezeichnete es Schick, dass man sich elf Jahre nach der Finanzkrise immer noch mit der Stabilität von Banken befassen müsse.

Prof. Dr. Stefan Kooths vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel erklärte, es habe eine massive Zahlungsbilanzfinanzierung durch das Eurosystem stattgefunden. Dabei seien Marktmechanismen außer Kraft gesetzt worden. Um der Target-2-Problematik wirksam zu begegnen, müsse die Widerstandsfähigkeit der Geschäftsbanken im Euroraum und insbesondere die nationale Segmentierung der Bankenmärkte überwunden werden. Hierzu gehören erster Linie, den Nexus zwischen Geschäftsbanken und Solvenz der Staaten ihrer jeweiligen Sitzländer zu überwinden.

Sachverständiger will „Goldeuro“

Nach Ansicht von Prof. Philipp Bagus müssen die Target-2-Forderungen ökonomisch gesehen als Geschenke betrachtet werden, da ein Kredit ohne Laufzeit ein Geschenk sei. Die Target-2-Forderungen würden auch keine deutschen Ersparnisse darstellen, weil sie nicht einbringbar seien. „Wem die Interessen der deutschen Bürger, vor allem Sparer und Geldnutzer, zweitrangig sind und wer in erster Linie an der Verwirklichung einer Transferunion interessiert ist, für den sind die monetäre Umverteilung und die Target-2-Salden ohnehin unproblematisch“, erklärte Bagus. Als Verbesserung des AfD-Antrages empfahl er, nur noch Gold und Goldforderungen als Sicherheit zuzulassen und am besten gleich einen „Goldeuro“ einzuführen.

Ein Sprecher der CDU/CSU-Fraktion kritisierte massiv, dass die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Teilnahme an der öffentlichen Anhörung kurzfristig abgesagt habe.

Antrag der FDP

Die FDP-Fraktion will durch eine Vertiefung der europäischen Kapitalmarktunion eine Verringerung der sogenannten Target-2-Salden in der Eurozone erreichen. Die deutschen Forderungen innerhalb des Systems belaufen sich derzeit auf rund 900 Milliarden Euro, während einzelne Schuldnerländer teilweise Verbindlichkeiten von mehr als 400 Milliarden Euro haben, heißt es in dem Antrag. Darin fordert die FDP, dass Banken für das Halten von Staatsanleihen Eigenkapital vorhalten müssen.

Außerdem solle es Großkreditobergrenzen geben, um die Verbindung zwischen einzelnen Staaten und Banken zu begrenzen. Eine Stabilisierung von Banken durch Steuergelder (Bail-out) solle durch europäische Vertragsänderungen ausgeschlossen werden. Im Rat der EZB sollen für „unkonventionelle geldpolitische Maßnahmen“ wie Anleihekaufprogramme oder Geldschöpfungen künftig qualifizierte Mehrheiten erforderlich sein.

„Interbankenmarkt durch Geldflutung überflüssig geworden“

Die Abgeordneten bezeichnen die Target-2-Salden als „Symptom einer Politik, durch die in den vergangenen Jahren Marktmechanismen im Bankenmarkt außer Kraft gesetzt wurden“. Durch „Geldflutung“ wie Anleihekaufprogramme oder Kredite einzelner nationaler Zentralbanken sei der Interbankenmarkt überflüssig gemacht worden. Private Finanzdienstleister seien verdrängt worden. Das System habe Leistungs- und Kapitalbilanzsalden ermöglicht, „die ansonsten nicht finanzierbar wären. So ist es im Ergebnis zu einer Zahlungsbilanzfinanzierung über das Eurosystem gekommen. Diese Ursachen müssen endlich angegangen werden“, verlangt die Fraktion.

Sie verlangt ferner, „dass negative Target-2-Salden bei Verlassen des Währungsraums durch einen Mitgliedstaat automatisch in Anleihen dieses Staates auf Euro-Basis umgewandelt und der EZB übertragen werden“. Beim Austritt eines Staates mit Target-Verbindlichkeiten aus der Eurozone sei sehr zweifelhaft, ob sich die fortbestehende Target-Forderung gegen diesen Staat noch realisieren lasse.

„Deutsche Forderungen von 900 Milliarden Euro“

Zu den deutschen Forderungen von 900 Milliarden Euro heißt es, diese könnten nur im Extremfall (beim Zerfall der Eurozone) uneinbringlich werden, was zunächst die Deutsche Bundesbank treffen würde. Weiter schreiben die Abgeordneten: „Wenngleich mit dem Eintreten dieser Risiken bis auf Weiteres nicht zu rechnen ist, deutet sich im Zuge der jüngsten Diskussionen um den italienischen Staatshaushalt doch ein erhebliches politisches Drohpotenzial seitens der Target-2-Schuldnerstaaten an.“

Als „nicht zielführend“ bezeichnet es die FDP, zum Zweck der Reduzierung direkt bei der Entstehung der Target-2-Salden anzusetzen: „Hier darf es keine Obergrenzen geben, da dies den freien Zahlungsverkehr in der Eurozone gefährden könnte.“

Antrag der AfD

Die AfD-Fraktion fordert eine umfassende Besicherung von Target-Forderungen. Damit sollen vor allem die sich aus den Target-Forderungen der Bundesbank ergebenden Risiken abgesichert werden. Ein Ausfall oder Teilausfall würde für die Bundesbank „gemäß ihrer Beteiligung an der EZB einen Vermögensschaden bis hin zu einer möglichen Insolvenz beziehungsweise einer bilanziellen Überschuldungssituation bedeuten“, heißt es in ihrem Antrag. Dies würde „dann Einnahmeausfälle oder Nachschusspflichten für den Bundeshaushalt nach sich ziehen“, führt die Fraktion weiter aus.

Das Ausfallrisiko der Target-Forderungen bestehe nicht nur im „Extremfall des Austritts eines oder mehrerer Staaten aus der Eurozone“. Vielmehr greife dieses Risiko bereits, „wenn die Aktiva einer nationalen Zentralbank mit Target-Verbindlichkeiten notleidend werden und gleichzeitig der Hauptrefinanzierungssatz im Eurosystem größer null ist“.

„Target-System reformieren“

Konkret fordert die AfD-Fraktion die Bundesregierung auf, sich im Rahmen der Verhandlungen zur Neuregelung der Statuten des Europäischen Systems der Zentralbanken und der EZB für eine Reform des Target-Systems einzusetzen. Sie solle sich demnach dafür engagieren, „dass das Target-System derart ausgestaltet wird, dass nationale Zentralbanken mit Target-Verbindlichkeiten werthaltige marktfähige Sicherheiten unter Berücksichtigung der Sicherheitsabschläge (Haircuts) des Sicherheitsrahmens des Eurosystems zunächst auf die EZB übertragen und die EZB diese Sicherheiten wiederum anteilig auf die nationalen Zentralbanken mit Target-Forderungen überträgt“.

Für die Besicherung sind laut Antrag „Vermögensgegenstände inklusive Gold und Goldforderungen in absteigender Bonität zu verwenden“. Hat eine Zentralbank keine ausreichenden Vermögensgegenstände, um die Verbindlichkeiten im Target-System zu besichern, „so sind bis zum vollen Ausgleich aller Target-Salden Sicherheiten aus den Refinanzierunsgeschäften der Geschäftsbanken im Pfandpoolverfahren zunächst auf die EZB und anschließend auf die nationalen Zentralbanken mit Target-Forderungen zu übertragen“. (hle/07.06.2019)

Liste der geladenen Sachverständigen

  • Bagus, Prof. Dr. Philipp, Universidad Rey Juan Carlos
  • Bürgerbewegung Finanzwende e. V.
  • Deutsche Bundesbank
  • Deutsche Kreditwirtschaft
  • Ehnts, Dr. Dirk, Technische Universität Chemnitz
  • Kooths, Prof. Dr. Stefan, Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel
  • Schnabel, Prof. Dr. Isabel, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

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