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Ausschüsse

Öffentliche Anhörung zu Änderungen bei der Besteuerung von Mitarbeiterbeteiligungen

Mehrere Mitarbeiter sitzen in einem Großraumbüro an Schreibtischen.

Die Sachverständigen nahmen zu zwei Anträgen zur Mitarbeiterbeteiligung Stellung. (picture alliance/imageBROKER)

Zeit: Montag, 27. Januar 2020, 11 Uhr bis 12.30 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E.300

Um internationale Spitzenkräfte für deutsche Technologie-Unternehmen zu gewinnen, ist eine lukrative Kapitalbeteiligung ein wichtiges Argument. Das wurde am Montag, 27. Januar 2020, bei einer öffentlichen Anhörung im Finanzausschuss unter Vorsitz von Albrecht Glaser (AfD) deutlich. Anlass waren Anträge der FDP-Fraktion (19/14786) und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (19/15118), in denen es insbesondere um Änderungen bei der Besteuerung von Mitarbeiterbeteiligungen geht. Beide argumentieren, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Mitarbeiterbeteiligung in Deutschland sowohl im Vergleich mit den USA als auch innerhalb Europas besonders schlecht seien.

„Es geht darum, hier Champions aufzubauen“

Tesla-Chef Elon Musk habe über eine Mitarbeiterbeteiligung beim Bezahlsystem PayPal sein erstes Geld gemacht, sagte der Gründer des Online-Touristikunternehmens GetYourGuide Deutschland, Johannes Reck. Wenn er internationale Talente anwerben wolle, sei die Beteiligung am Unternehmen das wichtigste Argument.

Allerdings, fügte er an, sei eine solche Mitarbeiterbeteiligung „für uns doppelt so teuer wie im Silicon Valley“. Es gehe bei diesem Thema letztlich „um den politischen Willen, hier Champions aufzubauen“.

„Mitarbeiter zahlen mehr Steuer als Unternehmer“

In den beiden zur Begutachtung stehenden Anträgen steht, dass die Steuerfreibeträge, die Arbeitnehmer für die Mitbeteiligung geltend machen können, im internationalen Vergleich sehr niedrig seien und deutlich angehoben werden sollten. Damit sei es aber nicht getan, erklärte Christian Vollmann vom Bundesverband Deutsche Startups. Im Erfolgsfall, etwa bei einem Börsengang, könnten sich leicht fünf- bis sechsstellige Beträge ergeben, bei denen dann auch ein höherer Freibetrag kaum mehr ins Gewicht falle.

Ein weit größeres Problem sei, dass Mitarbeiterbeteiligungen nach dem Einkommensteuertarif versteuert werden, während für ihn selbst die Kapitalertragsteuer gelte. „Mitarbeiter zahlen höhere Steuern als ich als Unternehmer, das ist ungerecht“, sagte Vollmann.

Verschiedene Formen der Mitbeteiligung

Auf die unterschiedlichen Formen von Mitbeteiligung wies Dr. Heinrich Beyer vom Bundesverband Mitarbeiterbeteiligung hin. Bei Großunternehmen würden Mitarbeiter in der Regel in Form von Aktien beteiligt und hätten damit auch dieselben Rechte wie andere Aktionäre. Es gebe in Deutschland rund 1,3 Millionen solche Belegschaftsaktionäre in rund 700 Unternehmen.

Dazu kämen rund 2.000 mittelständische Unternehmen, bei denen Arbeitnehmer über meist stille Beteiligungen und Genussrechte beteiligt seien. Daneben gebe es, vor allem bei Start-ups, sogenannte virtuelle Beteiligungen, das heißt Erfolgsbeteiligungen, die nicht mit Kapitalanteilen verbunden sind.

Abschreckende Zuflussbesteuerung

Generell seien Familienunternehmen heute aufgeschlossener für die Mitbeteiligung als früher, betonte Beyer. Dies hänge mit dem Wettbewerb um Führungskräfte zusammen, aber auch mit dem Generationswechsel in der Unternehmensführung und einem damit verbundenen neuen Denken.

Mehrere Sachverständige kritisierten, dass Arbeitnehmer eine Mitbeteiligung bereits dann versteuern müssen, wenn sie Anteile erhalten, und nicht erst, wenn sie diese verkaufen und zu Geld machen. Sie müssten also aus ihrem Lohn etwas versteuern, das sie noch gar nicht zur Verfügung haben. Diese sogenannte Zuflussbesteuerung mache die Mitbeteiligung für Arbeitnehmer weniger attraktiv, betonte Sylvia Mein vom Deutschen Steuerberaterverband. Sie stehe denn auch im Vergleich zu anderen Vergünstigungen „eher am Ende der Wunschliste von Arbeitnehmern“.

Bei Pleite ist das Geld weg

Rainald Thannisch vom Deutschen Gewerkschaftsbund lenkte den Blick auf das Risiko, das mit einer Mitbeteiligung verbunden ist. Bei einer Insolvenz des Unternehmens sei für die Mitarbeiter nicht nur der Job weg, sondern auch das Kapital. So sei es etwa den Mitarbeitern des Baukonzerns Holzmann ergangen.

Thannisch wies auch darauf hin, dass 80 Prozent der Start-ups nicht das dritte Jahr überlebten. Vor diesem Hintergrund mahnte er zur Vorsicht bei steuerlichen Erleichterungen. „Wir würden abraten, mit Steuergeldern einen Anreiz zu riskanten Anlagen zu geben“, erklärte der Gewerkschafter. Eine solche Risikoabwägung sei in den vorliegenden Anträgen „nicht angemessen berücksichtigt“, bemängelte Thannisch.

Björn Hinderlich von der Unternehmensberatung Mercer Deutschland kam allerdings zu der Ansicht, dass die Chancen der Mitbeteiligung solche Risiken überwiegen. Um das Insolvenzrisiko für die Arbeitnehmer weiter zu verringern, verwies Hinderlich auf die Möglichkeit eines Insolvenzschutzes über einen Pensionssicherungsverein oder die Verlagerung des Anlagerisikos auf eine Fondslösung.

Derzeit unklare Rechtslage

Auf steuerrechtliche Unsicherheiten aufgrund der geltenden Rechtslage verwies Marc Schmitz vom Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften. Dies betreffe auf Arbeitnehmerseite die Abgrenzung zwischen Einkünften aus Kapitalvermögen und Einkünften aus Arbeit sowie den Zeitpunkt der Besteuerung. Es betreffe aber auch die Arbeitgeberseite. Denn Unternehmen könnten nur den Teil der eingeräumten Beteiligung als Betriebskosten geltend machen, der bei den Arbeitnehmern zu den Einkünften aus Arbeit zählt. Zur Überwindung dieser Unsicherheit sah Schmitz in den vorliegenden Anträgen richtige, aber noch nicht hinreichende Ansätze.

Dr. Peter Möllmann von der Anwalts- und Steuerberatungskanzlei Schnittker Möllmann Partners hielt allerdings keine grundlegende Änderung der Steuersystematik für notwendig. Es gebe bereits heute die Möglichkeit der Mitarbeiterbeteiligung in Form von Genussrechten, die als Kapitaleinkünfte versteuert werden. Wenn aber die gesamte Mitarbeiterbeteiligung als Kapitaleinkünfte gerechnet werde, seien „die Probleme gelöst“.

Antrag der FDP

Die FDP fordert in ihrem Antrag mit dem Titel „Eigentumsturbo – Mitarbeiterbeteiligung schnell durchsetzen“ (19/14786) die Bundesregierung auf, für eine bessere Beteiligung von Mitarbeitern im Unternehmen zu sorgen. Dazu seien Informationskampagnen über die Mitarbeiterbeteiligung als Chance für den langfristigen Vermögensaufbau und als weitere Säule der Altersvorsorge eine Erhöhung der Steuerfreibeträge für Mitarbeiterkapitalbeteiligungen auf ein europäisch wettbewerbsfähiges Niveau notwendig, schreibt die Fraktion.

Die derzeitige Mitarbeiterbeteiligung wird aufgrund der „steuerlichen und bürokratischen Vorschriften“ als so unattraktiv bezeichnet, dass deutsche Unternehmen Nachteile im internationalen Wettbewerb erfahren würden. Nach Ansicht der Fraktion sind sowohl von Arbeitgeberseite als auch aus der Sicht der Belegschaft gute Argumente für eine stärkere Beteiligung der Mitarbeiter vorhanden: eine bessere Identifikation der Mitarbeiter mit ihrem Arbeitgeber, die Förderung unternehmerischen Denkens und eine langfristige Bindung an das jeweilige Unternehmen. Zudem könnten Arbeitgeber ihr Eigenkapital stärken und Arbeitnehmer würden neben den Lohneinkünften Einkommen aus Kapital beziehen.

Antrag der Grünen

Die Grünen wollen mit ihrem Antrag mit dem Titel „Mitarbeiterbeteiligung erreichen – In Start-ups und etablierten Unternehmen“ (19/15118) erreichen, dass die Rahmenbedingungen für Mitarbeiterbeteiligungsmodelle unter anderem durch eine Anhebung des steuerlichen Freibetrags verbessert werden. So solle der steuerliche Freibetrag beim Erhalt von Mitarbeiterbeteiligungen in jungen, innovativen Unternehmen auf 5.000 Euro erhöht werden, fordern die Abgeordneten. Der steuerliche Freibetrag beim Erhalt von Mitarbeiterbeteiligungen in sonstigen Unternehmen solle ebenfalls spürbar erhöht werden. Zugleich solle mit der Steuerbefreiung eine Mindesthaltefrist von fünf Jahren verbunden werden.

Nach Ansicht der Fraktion kann eine Mitarbeiterkapitalbeteiligung zur Gewinnung neuer Mitarbeiter beitragen, die Position der Beschäftigten in den Unternehmen stärken und Mitarbeiter bei einem Verkauf von Unternehmen am finanziellen Erfolg teilhaben lassen. Derzeit seien die Rahmenbedingungen für Mitarbeiterbeteiligungen in Deutschland im Vergleich mit den USA und innerhalb Europas besonders schlecht, stellen die Abgeordneten unter Berufung auf Untersuchungen fest. Während in deutschen Start-ups in der fortgeschrittenen Wachstumsphase Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter lediglich zehn Prozent des Unternehmens gehörten, seien es in den USA mit 20 Prozent doppelt so viele. (pst/hle/28.01.2020)

Liste der geladenen Sachverständigen

  • Bundesverband Deutsche Startups e. V.
  • Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften e. V. (BVK)
  • Bundesverband Mitarbeiterbeteiligung – AGP
  • Deutscher Gewerkschaftsbund
  • Deutscher Steuerberaterverband e. V.
  • GetYourGuide Deutschland GmbH
  • Mercer Deutschland GmbH
  • Dr. Peter Möllmann, Kanzlei Schnittker Möllmann Partners

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