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Ausschüsse

Zweites Nachtragshaushaltsgesetz 2020 und Konjunkturpaket

Zeit: Montag, 29. Juni 2020, 13 Uhr bis 15 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal 4.900

Der Bundesrechnungshof hält es für fraglich, ob die in diesem Jahr geplante Nettokreditaufnahme des Bundes in Höhe von 218,5 Milliarden Euro mit der verfassungsrechtlichen Schuldenbremse vereinbar ist. Zudem kritisieren die Rechnungsprüfer den Gesetzentwurf der Bundesregierung für einen zweiten Nachtragshaushalt 2020 (19/20000). In der Stellungnahme anlässlich einer öffentlichen Anhörung zum Nachtragshaushalt am Montag, 29. Juni 2020, im Haushaltsausschuss unter Leitung von Peter Boehringer (AfD) schreibt der Rechnungshof, dass der Entwurf „wesentliche Verfassungsgrundsätze wie Jährlichkeit, Fälligkeit, Wahrheit und Klarheit“ beeinträchtige. Professor Achim Truger, einer der fünf „Wirtschaftsweisen“, nannte die Nettokreditaufnahme hingegen „definitiv notwendig“. Es sei die „einzig sinnvolle Finanzierungsform“ für das Konjunkturpaket, heißt es in seiner Stellungnahme.

Der Haushaltsausschuss will sich am Mittwoch, 1. Juli, abschließend mit dem Nachtragsetat befassen. Der Bundestag soll am Donnerstag, 2. Juli, über den Haushalt und den Koalitionsentwurf eines „Gesetzes über begleitende Maßnahmen zur Umsetzung des Konjunktur- und Krisenbewältigungspakets“ (19/20057), der ebenfalls Gegenstand der Anhörung war, beraten.

Rechnungshof: Niedrigere Nettokreditaufnahme möglich

Der Rechnungshof sieht in seiner Stellungnahme eine deutliche Absenkung der Nettokreditaufnahme für „rechtlich angezeigt und finanzwirtschaftlich möglich“. Die Rechnungsprüfer kritisieren, dass die Bundesregierung laut Etatentwurf in diesem Jahr nunmehr gar nicht auf die in den Haushaltsjahren 2015 bis 2019 angesammelte Rücklage in Höhe von 48,2 Milliarden Euro zurückgreifen will. Das sei aber „verfassungsrechtlich geboten“.

Mit der Entnahme aus der Rücklage, dem Verzicht auf die Mehrwertsteuersenkung sowie einer stärkeren Beteiligung der Länder könne die Erhöhung der Nettokreditaufnahme im zweiten Nachtragshaushalt „ohne Weiteres“ vermieden werden, meint der Rechnungshof. Die Senkung der Mehrwertsteuer hatte der Bundestag am Montag, 29. Juni, beschlossen.

„Neuverschuldung reduzieren“

Auch Prof. Dr. Niklas Potrafke vom ifo-Institut schlug in seiner Stellungnahme vor, die geplante Neuverschuldung zu reduzieren. Um langfristig die Tragfähigkeit der Staatsfinanzen zu sichern, müssten zudem strukturelle Reformen wie eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit thematisiert werden.

Prof. Dr. Volker Wieland (Universität Frankfurt am Main), Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung („Wirtschaftsweisen“), ging auf die Schuldentragfähigkeit des Bundes ein. Diese sei zunächst nicht beeinträchtigt, sofern die Volkswirtschaft auf einen Wachstumspfad zurückkehre, führte Wieland in seiner Stellungnahme aus.

„Konjunkturpaket ausreichend dosiert“

Professor Truger (Universität Duisburg-Essen), ebenfalls Mitglied des Sachverständigenrats, beurteilte das Konjunkturpaket als „ausreichend dosiert“, um die Konjunkturerholung wirkungsvoll zu unterstützen. Eine Alternative zur Nettokreditaufnahme in Form von Ausgabekürzungen oder Steuer- und Abgabeerhöhungen lehnte Truger in seiner Stellungnahme ab. Das würde den konjunkturellen Impuls zerstören.

Professor Tom Krebs (Universität Mannheim) sah in der Neuverschuldung ebenfalls kein Problem. Er lobte vielmehr, dass die „die geplanten Maßnahmen – wie von der ökonomischen Theorie gefordert – durch eine Nettokreditaufnahme finanziert“ würden.

„Maßnahmen grundsätzlich vernünftig“

Zur konjunkturellen Wirkung des Pakets äußerte sich der Präsident des ifo-Instituts, Prof. Dr. Dr. h. c. Clemens Fuest. Die Maßnahmen des Konjunkturpakets seien grundsätzlich vernünftig. Man dürfe aber nicht zu viel erwarten, sagte Fuest. Das Institut prognostiziert, dass durch die geplanten Maßnahmen in diesem Jahr ein Wachstumsimpuls von 0,9 Prozentpunkten ausgelöst werden könnte.

Prof. Dr. Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung betonte, dass das Konjunkturpaket sinnvolle Elemente enthalte. Mit Blick auf die mittel- bis langfristige sozialökologische Transformation sei das Paket aber unzureichend, kritisierte sie.

„Kurzarbeitergeld verlängern“

Die Sachverständige Friederike Spiecker forderte, gegen eine Lohndeflation vorzugehen. Die Diplom-Volkswirtin schlug dazu unter anderem eine Verlängerung des Kurzarbeitergeldes und einen höheren Mindestlohn vor.

Prof. Dr. Philipp Bagus (Universidad Rey Juan Carlos Madrid) kritisierte, dass die Maßnahmen des zweiten Nachtragshaushalts dem Ziel eines nachhaltigen Wachstums „geradezu entgegengesetzt“ seien. Es fehlten beispielsweise Steuersenkungen und Deregulierung.

Für die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände begrüßte Verena Göppert das Paket grundsätzlich. Göppert verwies in ihrer Stellungnahme aber darauf, dass die Folgen der Pandemie auch in den Jahren 2021 und 2022 gerade in den kommunalen Haushalten zu spüren sein werden.

Zweiter Nachtragshaushalt 2020

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung über die Feststellung eines Zweiten Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2020 (19/20000) sieht vor, dass der Bund in diesem Jahr Ausgaben in Höhe von bis zu rund 509,29 Milliarden Euro tätigen kann. Neben dem regulären Haushalt 2020 mit Ausgaben von 362 Milliarden Euro und dem im März beschlossenen ersten Nachtragshaushalt mit Ausgaben von 122,487 Milliarden Euro steigen die Ausgaben damit um weitere 24,8 Milliarden Euro.

In dem Entwurf rechnet die Bundesregierung mit sinkenden Steuereinnahmen. Gegenüber dem ersten Nachtragshaushalt soll dieser Posten mit 264,78 Milliarden Euro um 24,68 Milliarden Euro geringer ausfallen. Zur Finanzierung der neuen Ausgaben und der ausfallenden Einnahmen ist dem Entwurf zufolge eine weitere Nettokreditaufnahme von 62,53 Milliarden Euro vorgesehen. Insgesamt plant der Bund damit mit einer Nettokreditaufnahme 218,52 Milliarden Euro für 2020.

Begleitende Maßnahmen

Der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen (19/20057) dient laut Begründung dazu, „flankierend zügig einige erforderliche gesetzliche Grundlagen zu schaffen, um die mit dem Programm intendierten Impulse schnell wirksam werden zu lassen“. Änderungen sind demnach unter anderem im Digitalinfrastrukturfondsgesetz vorgesehen. Die Zweckbestimmungen sollen erweitert werden und zudem zusätzliche fünf Milliarden Euro für den Ausbau der mobilen Infrastruktur zur Verfügung gestellt werden.

Zudem soll mit dem Entwurf die Grundlage für weitere Unterstützung durch den Bund bei der Kindertagesbetreuung gelegt werden. Geplant ist zudem, die Regionalisierungsmittel in diesem Jahr einmalig um 2,5 Milliarden Euro zu erhöhen. Mit den Mitteln sollen die finanziellen Nachteile der Verkehrsunternehmen im Öffentlichen Personennahverkehr abgefedert werden.

Weiterhin sieht der Entwurf vor, die Möglichkeit zu schaffen, die Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, ein Bestandteil der Stromkosten, zu senken. „Im Jahr 2021 soll die Umlage auf 6,5 Cent pro Kilowattstunde gesenkt werden. Im Jahr 2022 soll sie 6,0 Cent pro Kilowattstunde betragen“, heißt es in dem Entwurf. (scr/29.06.2020)

Liste der geladenen Sachverständigen

  • Prof. Dr. Philipp Bagus, Universidad Rey Juan Carlos, Madrid
  • Prof. Dr. Dr. h. c. Clemens Fuest, ifo-Institut, München
  • Verena Göppert, Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände
  • Dieter Hugo, Ministerialrat, Bundesrechnungshof
  • Prof. Dr. Claudia Kemfert, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e. V.
  • Prof. Tom Krebs, Universität Mannheim
  • Prof. Dr. Niklas Potrafke, ifo-Institut, München
  • Friederike Spiecker, Diplom-Volkswirtin
  • Prof. Achim Truger, Universität Duisburg-Essen
  • Prof. Dr. Volker Wieland, Universität Frankfurt am Main

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