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Arbeit

Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2018/957 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Juni 2018 zur Änderung der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen sowie weitere Anträge

Zeit: Montag, 15. Juni 2020, 10 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal 4.900

Auf ein geteiltes Echo ist bei Experten der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Novellierung des Arbeiternehmer-Entsendegesetzes gestoßen. In einer Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am Montag, 15. Juni 2020, unter der Leitung von Dr. Matthias Bartke (SPD) kamen die Fachleute teils zu sehr unterschiedlichen Urteilen. Die Vertreter der Gewerkschaften kritisierten so unter anderem, die Vorlage werde den politischen Zielsetzungen nicht gerecht, für eine Gleichbehandlung von inländischen und ausländischen Arbeitnehmern sowie einen fairen Wettbewerb zu sorgen.

Vertreter der Arbeitgeberverbände hingegen befürchten, die geplante Neuregelung könne zu mehr Bürokratie führen und so die Entsendung von Arbeitnehmern für deutsche Unternehmen insgesamt erschweren. Neben dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (19/19371) lagen der Anhörung auch Anträge der FDP (19/19259) und der Fraktion Die Linke (19/19231) zugrunde.

„Einschränkung der EU-Entsenderichtlinie“

Besonders strittig bewertet wurde in der Anhörung, dass regionale Tarifverträge nicht vom Gesetzentwurf erfasst werden sollen.

So monierte Dr. Nadine Absenger, Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB), dass der Entwurf hier hinter seinen Zielen deutlich zurückbleibe. „Die Rechte der entsandten Arbeitnehmer bedürfen mehr Schutz, als es bislang der Fall ist.“ Die regionalen Tarifverträge würden ihre Wirkung bislang nur bei Langzeitentsendungen entfalten: „Das ist eine Einschränkung der EU-Entsenderichtlinie“. Darüber hinaus wertete sie es als problematisch, dass der Entwurf nur die Erstreckung auf drei Entgeltstufen vorsehe. Diese Deckelung sei „richtlinienwidrig“. Eine solche Regelung in Deutschland würde in Zukunft die Tarifparteien einschränken und sei geeignet, Lohndumping Vorschub zu leisten.

Roland Wolf, Bundesarbeitsvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), vertrat hingegen die Auffassung, bei kurzzeitigen Entsendungen von weniger als zwölf bis zu 18 Monaten sei es „sogar unzulässig, regionale Tarifverträge zu erstrecken“. Die EU-Richtlinie schreibe nur Entgelttarifverträge in dieser Phase vor, wenn sie „zwingend verbindlich“ seien.

„Mit dem deutschen System vereinbar“

Dieser Einschätzung widersprach Prof. Dr. Franz Josef Düwell, ehemaliger Vorsitzender Richter am Bundesarbeitsgericht: Die regionalen Tarifverträge seien sehr wohl mit dem deutschen System vereinbar, da die Tarifautonomie es zulasse, an den Betriebssitz ebenso anzuknüpfen wie an den Arbeitsort. Werde Letzteres ausgeschlossen, sei dies ein „unzulässiger Eingriff in die Tarifautonomie“, betonte Düwell.

Generell könne er „Vorbehalte gegen die regionale Öffnung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes“ nicht nachvollziehen. Aus seiner Sicht sei die diese sogar „unionsrechtlich geboten“.

„Sachgerecht und ausgewogen“

Dem widersprach wiederum Prof. Dr. Martin Franzen, Arbeitsrechtler an der Universität München, der in seiner Stellungnahme den Gesetzentwurf der Bundesregierung insgesamt als „sachgerecht und ausgewogen“ bezeichnet hatte. Er wies darauf hin, dass die EU-Richtlinie grundsätzlich auf „allgemeinverbindliche Tarifverträge“ abstelle. In Deutschland sei die Anknüpfung an Bundestarifverträge, und damit der Ausschluss regionaler Verträge, geltendes Recht. „Dies hat die EU-Kommission nie bemängelt“, so Franzen. Das zeige, dass die EU-Entsenderichtlinie nicht dazu „zwingt“, regionale Verträge zu erfassen.

Allerdings, räumte Franzen ein, schließe sie es auch nicht aus. „Wenn man sie auf regionale Tarifverträge anwenden will, muss man eben auch die Folgen bedenken.“ Ausländische Entsendefälle müssten dann genauso behandelt werden wie inländische. Doch berge dies angesichts der nötigen Transparenz Schwierigkeiten.

„Novelle wird zu mehr Bürokratie führen“

Einen anderen Kritikpunkt brachte Indra Harder, Gesamtmetall – Gesamtverband der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie, an. Sie äußerte die Befürchtung, die geplante Novelle werde zu mehr Bürokratie führen. Grund dafür sei auch, dass die Bundesregierung an mehreren Stellen mit zeitlichen Ausnahmen und Beschränkungen über die Regelungen der EU-Richtlinie hinausgehe.

Die gegenwärtig geplante Regelung könne so für die Mitglieder ihres Verbands aus einer „sehr exportorientierten Branche“ zum „großen Nachteil“ werden. „Wir brauchen eine einheitliche Umsetzung der EU-Richtlinie“, betonte Harder.

Gesetzentwurf der Bundesregierung

Ziel des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (19/19371) ist die Umsetzung der EU-Entsenderichtlinie in deutsches Recht. Bundesweite allgemeinverbindliche Tarifverträge sollen nicht mehr nur im Baugewerbe gelten, sondern in allen Branchen nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz auf Arbeitgeber mit Sitz im Ausland angewendet werden, wenn sich Arbeitnehmer im Inland beschäftigen. So soll sichergestellt werden, dass etwa Überstundensätze oder Schmutz- und Gefahrenzulagen sowie Sachleistungen des Arbeitgebers künftig für alle in Deutschland tätigen Arbeitnehmer gezahlt werden müssen.

Die Regierung will auch verhindern, dass Geld, das der Arbeitnehmer zur Erstattung seiner Aufwendungen erhält, auf die Entlohnung angerechnet wird. Ferner regelt der Gesetzentwurf unter anderem die Anforderungen an Unterkünfte, die vom Arbeitgeber gestellt werden. Nicht gelten sollen die vorgesehenen Neuregelungen für den Straßenverkehrssektor.


Antrag der FDP


Die FDP-Fraktion fordert in ihrem Antrag (19/19259), Auslandsentsendungen zu vereinfachen und Protektionismus zu bekämpfen. Die Fraktion verweist auf die große Bedeutung der Entsendung von deutschen Arbeitnehmern ins europäische Ausland und kritisiert, dass mittlerweile ein uneinheitlicher und undurchschaubarer Flickenteppich an Entsenderegelungen entstanden sei. Dies widerspreche dem Grundgedanken des Binnenmarktes, schreiben die Liberalen. Sie fordern deshalb von der Bundesregierung unter anderem, die EU-Entsenderichtlinie eins zu eins in deutsches Recht umzusetzen und nicht im Nachhinein „neue bürokratische Maßnahmen“ darin zu integrieren.

Außerdem solle die Bundesregierung dafür eintreten, dass die Entsenderichtlinie europaweit möglichst einheitlich umgesetzt wird und dass es für kurzfristige Dienstreisen und bei Kurzentsendungen Ausnahmen von der A-1-Bescheinigung von bis zu 14 Tagen geben soll. Darüber hinaus fordert die FDP, auch allgemein den Umgang mit der A-1-Bescheinigung zu entbürokratisieren. Die Europäische Arbeitsbehörde müsse zu einer zentralen Anlauf- und Informationsstelle für alle Unternehmen ausgebaut werden, heißt es in dem Antrag außerdem.

Antrag der Linken

Die Fraktion Die Linke fordert in ihrem Antrag (19/19231), Ausbeutung und Lohndumping bei grenzüberschreitender Arbeitnehmerentsendung zu unterbinden. Auf deutschen Baustellen, in Schlachtbetrieben oder in der Pflege sei die Unterschlagung von Lohnbestandteilen und Sozialversicherungsbetrug im Zusammenhang mit der grenzüberschreitenden Entsendung von Beschäftigten, deren Arbeitgeber ihren Sitz in anderen europäischen Ländern haben, vielerorts Alltag, schreibt die Fraktion.

Sie fordert deshalb von der Bundesregierung unter anderem, einen Gesetzentwurf zur Umsetzung der EU-Richtlinie 2018 / 957 vorzulegen, der Beschäftigte umfassend schützt und für einen fairen Wettbewerb zwischen ausländischen und inländischen Unternehmen sorgt. Darin solle unter anderem die Aufspaltung des Entlohnungsbegriffs in „Mindestentgeltsätze“ und „darüber hinausgehende Entlohnungsbestandteile“ im Arbeitnehmer-Entsendegesetz aufgegeben werden. Ferner verlangt Die Linke einen Gesetzentwurf, mit dem im Tarifvertragsgesetz die Voraussetzungen für die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen deutlich erleichtert werden. Auch müsse die Kontrolle und Überwachung der Entsenderichtlinie durch entsprechende Gesetzentwürfe künftig besser umgesetzt und garantiert werden, schreiben die Abgeordneten. (sas/che/15.06.2020)


Liste der Sachverständigen

  • Deutscher Gewerkschaftsbund
  • Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände
  • Gesamtmetall | Gesamtverband der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie e. V.
  • Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Generalzolldirektion
  • Werkstatträte Deutschland
  • Prof. Dr. Martin Franzen, München
  • Prof. Dr. Franz Josef Düwell, Weimar
  • Dominique John, Berlin
  • Univ.-Prof. Dr. Florian Rödl (M.A.), Berlin
  • Prof. Dr. Manfred Walser, Bremen

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