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Ausschüsse

Zwie­spältiges Echo auf geplante Ände­rungen im Jugend­schutz

Zeit: Montag, 11. Januar 2021, 14 Uhr bis 15.45 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal 2.200

Die von der Bundesregierung geplante Änderung des Jugendschutzgesetzes (19/24909) stößt bei Sachverständigen teils auf Zustimmung, teils auf Ablehnung. Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend unter Leitung von Ekin Deligöz (Bündnis 90/Die Grünen) am Montag, 11. Januar 2021, deutlich.

Gesetzentwurf der Bundesregierung

Ziel der Novelle ist es, den Schutz von Kindern und Jugendlichen im Internet und in den sozialen Medien zu verbessern. Dazu sollen die Anbieter von Internetdiensten verpflichtet werden, Vorkehrungen zu treffen, damit Kinder und Jugendliche vor sogenannten Interaktionsrisiken wie Mobbing, sexueller Belästigung, Tracking oder Kostenfallen geschützt werden.

Vorgesehen sind zudem einfache Melde- und Beschwerdemöglichkeiten für Kinder- und Jugendliche. Zur Durchsetzung der Auflagen sieht die Gesetzesvorlage hohe Bußgelder bei Verstößen auch gegen Anbieter im Ausland vor. Darüber hinaus sollen die Alterskennzeichnungen für Computerspiele und Filme vereinheitlicht und so geändert werden, dass sie Eltern, Fachkräften und den Kinder und Jugendlichen selbst eine nachvollziehbare Orientierung bieten.

„Gefährdungen unterbinden und Verstöße sanktionieren“

Zuspruch für die geplante Neuregelung kam von Torsten Krause vom Deutschen Kinderhilfswerk. Die Erweiterung der Schutzziele in den Paragrafen 10a und 1 b sei zu unterstützen, sagte er. Die Aufnahme von Interaktionsrisiken in das Gesetz böte eine geeignete Grundlage dafür, Gefährdungen zu unterbinden und Verstöße zu sanktionieren.

Bezüglich der Jugendschutzvoreinstellungen plädierte Krause für eine Verschärfung des Entwurfs „hin zu einer Verpflichtung der Anbieter“.

„Diese Logik kapier' ich nicht“

Auch Julia von Weiler vom Verein „Innocence in Danger begrüßte den Entwurf. Es sei richtig, Anbieter stärker in die Pflicht zu nehmen. Immer wieder darauf zu verweisen, die Medienkompetenz der Kinder und Jugendlichen müsse gestärkt werden, „dann wird schon alles gut“, reiche nicht aus, betonte sie. Richtig sei es auch, dass die Games, anders als im Netzwerkdurchsetzungsgesetz, in die Regelung aufgenommen werden sollen.

In Übereinstimmung mit Kinderhilfswerk-Vertreter Krause kritisierte von Weiler, dass eine Befreiung von der Kennzeichnungs- und Vorsorgepflicht bei Film- und Spieleplattformen, die weniger als eine Million Nutzer haben, geplant sei. „Diese Logik kapier' ich nicht“, sagte sie. Krause hatte zuvor gesagt: Niemand käme auf die Idee, eine kleine Kneipe aufgrund ihrer Größe von der Auflage zu befreien, keinen Alkohol an Kinder oder Jugendliche auszuschenken.

„Auf dem Weg zu einem zeitgemäßen Jugendschutz“

Ein positives Fazit zog Jutta Croll von der Stiftung Digitale Chancen. „Mit der Novellierung sind wir auf dem Weg zu einem zeitgemäßen Jugendschutz, der sich in ein übergreifendes rechtliches Umfeld einordnet“, befand sie. Es würden gesetzlich klare und verlässliche Strukturen für ein kohärentes und effektives Miteinander im Rahmen der Verantwortungsgemeinschaft von Bund und Ländern für den Kinder- und Jugendmedienschutz geschaffen.

Carsten Schöne vom Paritätischen Wohlfahrtsverband Sachsen bemängelte, dass das Ziel des Gesetzes im Paragrafen 10 „versteckt“ sei. Es gehöre aber gleich in den Paragrafen eins. Sinnvoll wäre es aus seiner Sicht auch, die Ziele des Jugendschutzgesetzes mit Aufträgen an die Länder und die Gebietskörperschaften zu kombinieren, um eine Förderung der Medienbildung sicherzustellen. „Das greift nicht in die Selbstverwaltung der Kommunen ein“, urteilte er.

„Ziel des Koalitionsvertrages wird verfehlt“

Annette Kümmel vom Verband Privater Medien (Vaunet) und Felix Falk vom Verband der deutschen Games-Branche halten das Gesetz in seiner jetzigen Form hingegen für untauglich. Der Entwurf verfehle das Ziel des Koalitionsvertrages von Union und SPD, ein kohärentes Jugendschutzsystem zu schaffen, kritisierte Kümmel. „Der ohnehin schon sehr komplexe deutsche Jugendmedienschutz wird noch komplizierter, ohne dass das Schutzniveau signifikant verbessert wird“, sagte sie. Der Entwurf bedeute zudem für die privaten Medienanbieter eine unnötige Doppelregulierung, „aber auch eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung“.

Aus Sicht von Felix Falk ist es auch „kein Wunder“, dass der Entwurf sein Ziel verfehle, da sich Bund und Länder nicht auf gemeinschaftliche Regelungen „aus einer Hand“ hätten einigen können. Infolgedessen sei er ein schlechter Kompromiss, der auf Kosten von Eltern, Kindern und Anbietern gehe. „Auf dem schon bestehenden Flickenteppich im Kinder- und Jugendmedienschutz kommen jetzt noch ein paar Flicken hinzu“, sagte er. Falk forderte eine Stärkung des Systems der Selbstkontrolle. Korrekturen brauche es auch im Zusammenhang mit den Interaktionsrisiken.

„Keine oder allenfalls geringe praktische Auswirkungen“

Prof. Dr. jur. Marc Liesching von der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig räumte ein, dass die Regulierung des Jugendmedienschutzes in Deutschland aufgrund der Aufteilung der Gesetzgebung zwischen Bund und Ländern eine besondere Herausforderung darstellt. Daher könnten bei gesetzgeberischen Alleingängen seitens des Bundes – wie der Länder – keine umfassenden regulatorischen Lösungen für die digitale, konvergente Medienrealität erwartet werden.

Mit dem vorliegenden Entwurf würden nur marginale Veränderungen im bestehenden Jugendschutzsystem vorgenommen, sagte Liesching. Diese würden seiner Einschätzung nach „keine oder allenfalls geringe praktische Auswirkungen im Bereich des Jugendmedienschutzes zeitigen“.

„Die richtige Risikoverschiebung“

Nach Ansicht von Prof. Dr. Wolfgang Schulz vom Leibniz-Institut für Medienforschung Hamburg adressiert der Entwurf „die richtige Risikoverschiebung“. Mit dem Vorsorgeansatz sei die Bundesregierung auf einem Weg, „den wir wissenschaftlich auch für plausibel halten“.

Die fehlende Abstimmung zwischen Bundes- und Landesregelungen lasse es aber offen erscheinen, „wie viel davon tatsächlich auf die Straße kommt“. (hau/11.01.2021)

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