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Ausschüsse

Arzneimittelversorgung

Zeit: Mittwoch, 16. September 2020, 14 Uhr
Ort: Berlin, Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, Sitzungssaal 3.101

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Stärkung von Vor-Ort-Apotheken (19/21732) stößt bei Gesundheits- und Sozialexperten auf erhebliche inhaltliche und rechtliche Vorbehalte. Die geplante Neuregelung zur Einhaltung des einheitlichen Abgabepreises für verschreibungspflichtige Medikamente wird von den Experten als europarechtlich riskant eingestuft. Zudem kritisieren Sachverständige, dass den Apotheken mehr Geld für Dienstleistungen gewährt werden solle, die im Ergebnis womöglich kein Beitrag zur Verbesserung der Versorgung seien. Die Experten äußerten sich in schriftlichen Stellungnahmen anlässlich einer Anhörung des Gesundheitsausschusses des Bundestages unter Vorsitz von Erwin Rüddel (CDU/CSU) am Mittwoch, 16. September 2020. Gegenstand der Anhörung waren auch Anträge der FDP (19/18931), der Linken (19/9462) und von Bündnis 90/Die Grüne (19/9699).

Gesetzentwurf der Bundesregierung

Mit der Reform will die Bundesregierung nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) von 2016 einheitliche Preise für verschreibungspflichtige Medikamente sicherstellen und Rabattangebote europäischer Versandapotheken verhindern. Der Gesetzentwurf sieht dazu vor, dass die Regelungen zur Einhaltung des einheitlichen Abgabepreises für Arzneimittel in das Sozialgesetzbuch V (SGB V) eingefügt werden. Bei Verstößen drohen Vertragsstrafen von bis zu 50.000 Euro.

Neu geregelt wird, dass die Rechtswirkung des Rahmenvertrages über die Arzneimittelversorgung auch für Versandapotheken aus der EU Voraussetzung dafür ist, zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) Arzneimittel als Sachleistung abgeben und abrechnen zu können.

Darüber hinaus sollen Apotheker im Rahmen regionaler Modellvorhaben die Möglichkeit erhalten, Erwachsene gegen Grippe zu impfen. Zudem sollen Apotheker auf Wiederholungsrezepte bis zu drei weitere Male Arzneimittel an chronisch kranke Patienten ausgeben können. Apotheker sollen schließlich auch mehr Geld für Notdienste und spezielle Dienstleistungen bekommen, etwa für die Versorgung von Krebskranken oder Pflegefällen. Durch eine entsprechende Änderung der Arzneimittelpreisverordnung sollen 150 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden.

AOK hält Selektivverträge für denkbar

Der AOK-Bundesverband monierte, die Neuregelung zugunsten eines einheitlichen Abgabepreises könnte erneut eine Befassung des EuGH nach sich ziehen. Als sicherere Alternative wären Selektivverträge denkbar als Voraussetzung für eine Abrechnung mit der Krankenkasse. Eine bessere Versorgung durch zusätzliche Leistungen von Apotheken sei vor allem in ländlichen Räumen erstrebenswert, allerdings gebe es immer noch keinen konkreten Themenkatalog für einheitliche pharmazeutische Dienstleistungen.

Somit sei zu befürchten, dass Versichertengelder nicht zur Qualitätsverbesserung beitrügen, sondern nur zu einem weiteren finanziellen Standbein für einzelne Apotheken, kritisierte der AOK-Verband. Im Ergebnis werde die Chance vertan, die regionale Arzneimittelversorgung zukunftsfähig aufzustellen, indem den Vertragspartnern vor Ort Gestaltungsspielräume eröffnet würden.

„Gesetzentwurf europarechtskonform ausgestalten“

Ähnlich kritisch äußerte sich der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), der sich dafür aussprach, den Apothekenmarkt für neue Versorgungsformen zu öffnen und die Vergütung umzustrukturieren. Die im Gesetzentwurf vorgeschlagenen Regelungen reichten nicht aus, um eine patienten- und zukunftsorientierte Versorgung langfristig sicherzustellen. Die Preisvorschrift berge die erhebliche Gefahr, dass sie mit Europarecht nicht vereinbar sei. Darüber hinaus bestehe mit den vorgesehenen Änderungen die Gefahr, dass die Geltung der gesamten Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) verloren gehe.

Der Gesetzentwurf müsse europarechtskonform ausgestaltet werden, betonte der Spitzenverband. Ausländischen Versandapotheken müsse in einem gewissen Umfang erlaubt werden, in einen Preiswettbewerb einzutreten. Dies könne durch eine Gewährung von Boni innerhalb eines begrenzten Rahmens erreicht werden. Daneben könnten durch selektivvertragliche Regelungen Fehlanreize, wie etwa bei einer Gewährung an zuzahlungsbefreite Versicherte, ausgeschlossen werden. Weitere pharmazeutische Dienstleistungen müssten einen wirklichen Mehrwert bringen. Der GKV-Spitzenverband sprach sich dafür aus, das Finanzvolumen für Dienstleistungen grundsätzlich zu überprüfen.

Ärzte gegen Impfungen durch Apotheker

Auch die Bundesärztekammer (BÄK) und die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft äußerten sich kritisch zu den zusätzlichen pharmazeutischen Dienstleistungen. Dies könne zu einer Doppelhonorierung von Leistungen führen, die keinen Vorteil für die Patienten, sondern eher erhebliche Nachteile für das solidarisch finanzierte Gesundheitswesen mit sich brächten. Die BÄK wandte sich auch erneut gegen Impfungen durch Apotheker. Bei seltenen Impfkomplikationen seien ärztliche Notfallbehandlungen erforderlich.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sieht die jetzt geplante rechtliche Konstruktion als unnötig an. Von den 35 Milliarden Euro, die Apotheken mit rezeptpflichtigen Medikamenten umsetzten, entfielen ein bis zwei Prozent auf den Versandhandel. Damit bleibe die Vor-Ort-Apotheke die mit Abstand wichtigste Anlaufstelle für Versicherte. Dies werde sich voraussichtlich auch in Zukunft nicht ändern. Fraglich sei, ob die neue Rechtskonstruktion auf europäischer Ebene Bestand habe.

„Gesetzentwurf eine tragfähige Grundlage“

Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) wertete den Gesetzentwurf hingegen als tragfähige Grundlage für eine nachhaltig und spürbar gestärkte Arzneimittelversorgung.

Der einheitliche Apothekenabgabepreis müsse allerdings auch für Arzneimittel gelten, die aus dem Ausland an Privatversicherte und Selbstzahler außerhalb der GKV abgegeben würden.

Antrag der FDP

Die FDP-Fraktion fordert eine sichere Arzneimittelversorgung. Die Corona-Krise verdeutliche auf drastische Weise, dass in Krankenhäusern und Apotheken wichtige Medikamente fehlten, heißt es in ihrem Antrag (19/18931).

Die Abgeordneten fordern unter anderem, die Herstellung von Arzneimitteln inklusive Wirkstoff- und Hilfsstoffproduktion nach Deutschland oder in die EU zurückzuverlagern. Zugleich müssten Bürokratiepflichten abgebaut und Zuschüsse für die Investition in Produktionsstätten geprüft werden. Auch Zuschüsse für die Gewährung der Versorgungssicherheit seien zu prüfen.

Antrag der Linken

Die Linksfraktion will den Versandhandel mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln verbieten. Patienten benötigten in einer Vielzahl von Krankheitsfällen eine fachkundige Beratung in einer wohnortnahen Apotheke, betont die Fraktion in ihrem Antrag (19/9462).

Der Bezug von Arzneimitteln über Versandapotheken beinhalte zusätzliche Risiken und stelle oftmals eine deutliche und nicht notwendige Verschlechterung der gesundheitlichen Versorgung dar. Zudem biete der illegale Versandhandel die größte Eintrittspforte für gefälschte Arzneimittel.

Antrag der Grünen

Die Arzneimittelversorgung muss nach Ansicht der Grünen-Fraktion bundesweit wohnortnah gewährleistet sein. Patienten hätten jederzeit und überall einen Anspruch auf Arzneimittel und eine kompetente Beratung, heißt es in ihrem Antrag (19/9699). Eine flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln durch Apotheken sei somit unverzichtbar. Konkret fordern die Grünen unter anderem, die Höhe der packungsabhängigen Vergütung für die Abgabe eines verschreibungspflichtigen Medikaments an den Umsatz der abgebenden Apotheke zu koppeln. So könne einer Konzentration auf wenige große Versandapotheken entgegengewirkt werden.

Die heilberuflichen Kompetenzen der Apotheker müssten gezielter honoriert werden. Sie sollten eine stärkere Rolle beim Medikationsmanagement von Patienten mit chronischen und Mehrfacherkrankungen bekommen. Zudem müssten die besonderen Versorgungsbedürfnisse strukturschwacher und sozial benachteiligter Regionen berücksichtigt werden. Der Botendienst sollte ausgebaut und gezielt honoriert werden, so die Fraktion. (pk/16.09.2020)

Liste der geladenen Sachverständigen

Verbände/Institutionen:

  • Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ADBA)
  • BAG-Selbsthilfe e. V.
  • Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e. V. (BAGFW)
  • Bundesverband der Arzneimittelhersteller e. V. (BAH)
  • Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e. V. (BPI)
  • Bundesärztekammer (BÄK)
  • Bundesverband der Pharmaziestudierenden in Deutschland e. V.
  • Bundesverband Deutscher Apothekenkooperation e. V. (BVDAK)
  • Bundesverband Deutscher Versandapotheken (BVDVA)
  • Bundesverband klinik- und heimversorgender Apotheker e. V. (BVKA) Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)
  • Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft e. V. (DPhG)
  • European Association of Mail Service Pharmacies (EAMSP)
  • Spitzenverband Bund Krankenkassen (GKV-SV)
  • Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV)
  • Paritätischer Wohlfahrtsverband
  • PHAGRO – Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels e. V.
  • Verband der Privaten Krankenversicherung e. V. (PKV)
  • Pro Generia e. V.
  • Verband Forschender Arzneimittelhersteller e. V. (vfa)
  • via-Verband innovativer Apotheken e. V.
  • Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv)

Einzelsachverständige:

  • Dr. Morton Douglas, Rechtsanwalt
  • Iris an der Heiden, IGES Institut
  • Uni.-Prof. Dr. iur. Sebastian Kluckert, Bergische Universität Wuppertal

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