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Ausschüsse

Zweites Bevölkerungsschutzgesetz

Zeit: Montag, 11. Mai 2020, 9 Uhr bis 10.30 Uhr
Ort: Berlin, Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, Sitzungssaal 3 101

Gesundheitsexperten begrüßen im Grundsatz das von der Bundesregierung geplante zweite Anti-Corona-Paket, sehen aber Korrekturbedarf bei einzelnen Regelungen. Vor allem Finanzierungsfragen, aber auch organisatorische Details sowie die weitreichenden Verordnungsermächtigungen stießen am Montag, 11. Mai 2020, in einer Anhörung des Ausschusses für Gesundheit unter Vorsitz von Erwin Rüddel (CDU/CSU) zum Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite (19/18967) auf Kritik. Gegenstand der Anhörung waren auch 14 Oppositionsanträge.

Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD

Die Novelle zielt unter anderem darauf ab, die Zahl der Coronatests deutlich auszuweiten, um Infektionsketten früh zu erkennen. Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) soll dazu verpflichtet werden könnten, Tests zu bezahlen. Gesundheitsämter sollen die Tests ebenfalls über die GKV abrechnen können. In Pflegeeinrichtungen soll verstärkt getestet werden. Labore sollen künftig auch negative Testergebnisse melden.

Für Beschäftigte in der Pflege ist eine einmalige Corona-Prämie von bis zu 1.000 Euro vorgesehen. Die Sonderzahlungen werden zunächst von der Pflegeversicherung erstattet. Länder und Arbeitgeber können die Prämie auf bis zu 1.500 Euro aufstocken. Erst später soll entschieden werden, in welchem Umfang die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung Zuschüsse des Bundes zur Refinanzierung der Prämien erhalten.

Leichterer Zugang zum Pflegeunterstützungsgeld

In der ambulanten Pflege kann bei Pflegegrad 1 der Entlastungsbetrag in Höhe von 125 Euro im Monat auch anderweitig verwendet werden. Dies gilt befristet bis Ende September 2020. Die Ansparmöglichkeit für nicht in Anspruch genommenen Entlastungsleistungen wird einmalig um drei Monate verlängert. Anbieter von Alltagsunterstützungen bekommen Mindereinnahmen und Mehraufwendungen von der Pflegeversicherung erstattet. Der Zugang zum Pflegeunterstützungsgeld soll erleichtert werden.

Die 375 Gesundheitsämter werden mit rund 50 Millionen Euro unterstützt, um vor allem die Digitalisierung zu stärken. Mitglieder der Privaten Krankenversicherung (PKV), die vorübergehend hilfebedürftig werden und in den Basistarif wechseln, sollen ohne erneute Gesundheitsprüfung in ihren Ursprungstarif zurückgehen können. Der Bund will künftig die Kosten für intensivmedizinische Behandlungen von Patienten aus dem EU-Ausland (einschließlich Großbritanniens) in deutschen Krankenhäusern übernehmen, wenn die Patienten in ihrer Heimat nicht behandelt werden können.

„Aus Steuergeldern finanzieren“

Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) lehnte die Kostenübernahme für rein prophylaktische Coronatests im Umfeld gefährdeter Personen oder wenn keine Symptome vorliegen ab. Damit würden der GKV Kosten auferlegt für gesamtgesellschaftliche Herausforderungen, die aus Steuergeldern finanziert werden müssten. Die hochgerechneten Kosten von rund 60 Millionen Euro je eine Million zusätzlicher Tests könnten beitragssatzrelevant sein, warnte der Verband.

„Qualität der Versorgung in den Blick nehmen“

Auch der AOK-Bundesverband mahnte, in Krisenzeiten sei darauf zu achten, dass die Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten als gesamtgesellschaftliche Aufgabe in die Daseinsvorsorge des Staates gehöre und aus Steuermitteln zu finanzieren sei.

Der Verband forderte zudem, in Kliniken wieder verstärkt die Qualität der Versorgung in den Blick zu nehmen und die befristet ausgesetzten Anforderungen, etwa hinsichtlich der Dokumentations- und Nachweispflichten, wieder zu aktivieren. Die Qualitätsvorgaben müssten im Gleichschritt mit der Rückkehr zum Regelbetrieb wieder eingehalten werden.

„Flächendeckender Tarifvertrag nötig“

Auf die Prämien für Pflegekräfte ging der Sozialverband VdK ein und forderte eine nachhaltige Lösung. Die Krise habe nochmals gezeigt, welch hohe gesellschaftliche Bedeutung diese Beschäftigten hätten. Deswegen sei eine flächendeckender Tarifvertrag für die Altenpflege nötig, der den dort Beschäftigten zu allen Zeiten einen ausreichenden Lohn ermögliche.

Nach Ansicht des VdK sollten die Prämien nicht von der sozialen Pflegeversicherung getragen, sondern aus Steuermitteln refinanziert werden.

„Regelungen im Versorgungsalltag nicht praktikabel“

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) erklärte, die geplante Kostenübernahme des Bundes für Patienten aus dem EU-Ausland sei zu begrüßen, jedoch erschienen die Regelungen im Versorgungsalltag nicht praktikabel. Der bürokratische Aufwand könne und müsse reduziert werden. Völlig unverständlich sei, dass eine Mindeststrafe von 20.000 Euro drohe, wenn Kliniken die neuen, umfassenden Pflichten zur Datenlieferung nicht vollständig oder rechtzeitig erfüllten. Dies sei unverhältnismäßig.

Die DKG forderte außerdem eine Kostenübernahme durch die GKV für Coronatests bei Beschäftigten des Gesundheitswesens. Es gehe um Mehrkosten von rund 100 Millionen Euro im Monat.

„Öffentlichen Gesundheitsdienst stärken“

Der Bundesverband der Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD) forderte eine langfristige Strategie. Der ÖGD müsse auf kommunaler Ebene personell, strukturell und finanziell gestärkt werden. Die geplanten Fördermittel von 150.000 Euro pro Gesundheitsamt seien nur ein erster Anschub, der ausgebaut werden müsse.

Ferner sollte eine bundesweite Statistik zur Personalausstattung des ÖGD eingeführt werden. Bis heute sei unklar, wie viele Beschäftigte der ÖGD überhaupt habe, die zur Bekämpfung der Pandemie zur Verfügung stünden.

„Situation erfordert ganzheitliche Lösungen“

Die Interessenvertretung pflegender Angehöriger zeichnete ein düsteres Bild und forderte mehr Unterstützung. Die Familien seien im Wesentlichen sich selbst überlassen und versuchten verzweifelt, die Pflege anders zu organisieren und mit dem Beruf in Einklang zu bringen. Die Situation erfordere ganzheitliche Lösungen für Menschen, die den physischen und psychischen Zenit ihrer Kräfte längst überschritten hätten.

Der Gesetzentwurf sei vor diesem Hintergrund eine Enttäuschung. Die geplanten Regelungen seien minimalistisch und könnten die prekäre Situation in der häuslichen Pflege nicht lösen. Pflegende Angehörige seien für die Pflege jedoch systemrelevant.

Verfassungsrechtliche Fragen

In der Anhörung nahm auch die Frage der Verordnungsermächtigungen breiten Raum ein, die mit der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite durch den Bundestag zugunsten des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) ermöglicht wurden.

Rechtsexperten äußerten sich dazu kritisch. Nach Ansicht des Juristen Prof. Dr. Sebastian Kluckert von der Universität Wuppertal werden mit solchen Verordnungsermächtigungen verfassungsrechtliche Fragen aufgeworfen, da Kompetenzen vom Parlament auf die Regierung delegiert würden.

Eine solche Vorgehensweise trete in Konflikt zur Gewaltenteilung, zum Vorrang des Gesetzes und zum Demokratieprinzip. Die bloße Existenz solcher Verordnungsermächtigungen belege nicht ihre verfassungsrechtliche Zulässigkeit.

Anträge der AfD

Acht der zur Beratung stehenden Oppositionsvorlagen stammen von der AfD. Die Fraktion verlangt in einem ersten Antrag, Deutschland auf zukünftige Pandemien besser vorzubereiten und die Effektivität der Coronavirus-Maßnahmen wissenschaftlich auszuwerten (19/18975). Ein zweiter Antrag trägt den Titel „Verordnungsermächtigung des Bundesministeriums der Gesundheit einschränken – Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite aufheben“ (19/18999).

Gegenstand der Anhörung waren auch die AfD-Anträge mit den Titeln „Häusliche Pflege stärken“ (19/18717), „Bekämpfung der Seuchenausbreitung in Deutschland“ (19/17128), „Corona digital bekämpfen – Förderprogramme im Bereich digitaler Gesundheit und digitaler Pflege beschleunigen und ausbauen“ (19/18716) sowie „Corona digital bekämpfen – Deutsches Elektronisches Melde- und Informationssystem für den Infektionsschutz (DEMIS) zur Dokumentation und Überwachung von Infektionskrankheiten unverzüglich fertigstellen“ (19/18721).

Zwei weitere Anträge der AfD tragen die Titel „Corona digital bekämpfen: Innovationspotentiale zur Vermeidung von Ansteckung und Unterstützung der Genesung konsequent ausschöpfen“ (19/18723) und „Verfügbarkeit von medizinischen Produkten über gewerbliche Wettbewerbsrechte stellen“ (19/18724).

Anträge der FDP

Die FDP-Fraktion hat drei Anträge vorgelegt, die in die Anhörung einbezogen wurden. Der erste Antrag fordert „Soforthilfe für pflegende Angehörige während der Covid-19 Pandemie“ (19/18676), der zweite trägt den Titel „Vom Reagieren zum Agieren – Pandemievorbereitung schon jetzt beginnen“ (19/18950).

Die dritte Vorlage der FDP ist mit „Eine verlässliche Datenlage zur Ausbreitung von Covid-19 in Deutschland schaffen“ (19/18952) überschrieben.

Anträge der Linken und Grünen

Die Abgeordneten der Linksfraktion wollen mit einem Antrag „häusliche Pflege und pflegende Angehörige unterstützen“ (19/18749).

Bündnis 90/Die Grünen haben Anträge mit den Titeln „Wertschätzung für Pflege- und Gesundheitsberufe ausdrücken – Corona-Prämie gerecht ausgestalten“ (19/18940) und „Die ambulante medizinisch-therapeutische Versorgung von besonders vulnerablen Gruppen sichern – Die Leistungserbringer unter den Schutzschirm nehmen“ (19/18956) eingebracht. (pk/12.05.2020)

Liste der Sachverständigen

Verbände und Institutionen:

  • ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e. V.
  • Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS)
  • ALM – Akkreditierte Labore in der Medizin e. V.
  • Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF)
  • Bitkom – Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e. V.
  • Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e. V. (BAGFW)
  • Bundesärztekammer (BÄK)
  • Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes e. V. (BVÖGD)
  • Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e. V. (BPI)
  • Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker e. V. (ADKA)
  • BVMed – Bundesverband Medizintechnologie e. V.
  • bpa - Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e. V.
  • Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände (BVkom)
  • Deutsche Gesellschaft für Infektiologie e. V. (DGI)
  • Deutsche Gesellschaft für Public Health e. V. (DGPH)
  • Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG)
  • Deutscher Gewerkschaftsbund – Bundesvorstand (DGB)
  • Deutscher Hospiz- und PalliativVerband e. V. (DHPV)
  • Deutscher Pflegerat e. V. (DPR)
  • Deutscher Städte- und Gemeindebund e. V. (DStGB)
  • Gesellschaft für Virologie e. V.
  • GKV-Spitzenverband
  • Industrie- und Handelskammer zu Leipzig (IHK zu Leipzig)
  • Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV)
  • Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV)
  • Lesben- und Schwulenverband in Deutschland e. V. (LSVD)
  • Marburger Bund – Verband der angestellten und beamteten Ärztinnen und Ärzte Deutschlands e. V.
  • Sozialverband VdK Deutschland e. V.
  • Spitzenverband der Heilmittelverbände e. V. (SHV)
  • ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Bundesvorstand
  • Verband der privaten Krankenversicherung e. V. (PKV)
  • wir pflegen – Interessenvertretung und Selbsthilfe pflegender Angehöriger e. V.

Einzelsachverständige:

  • Prof. Dr. Sebastian Kluckert, Bergische Universität Wuppertal
  • Prof. Dr. Thorsten Kingreen, Universität Regensburg

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