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Ausschüsse

Verbot von Konversionstherapien

Zeit: Mittwoch, 11. März 2020, 14 Uhr
Ort: Berlin, Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, Sitzungssaal 3 101

Gesundheitsfachleute begrüßen das von der Bundesregierung geplante Verbot sogenannter Konversionstherapien zur vermeintlichen Heilung Homosexueller. Solche Behandlungen seien inakzeptabel und könnten bei Betroffenen schwere psychische Störungen auslösen, erklärten Experten anlässlich einer Anhörung über den Gesetzentwurf (19/17278) am Mittwoch, 11. März 2020, im Gesundheitsausschuss des Bundestages unter Leitung von Erwin Rüddel (CDU/CSU). Einige Sachverständige stellten jedoch die geplanten Altersabgrenzungen infrage und forderten an einigen Stellen eindeutigere Formulierungen. Die Sachverständigen äußerten sich in der Anhörung sowie in schriftlichen Stellungnahmen.

Gesetzentwurf der Bundesregierung

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht vor, dass Konversionsbehandlungen an Minderjährigen generell untersagt werden. Auch für Volljährige, deren Einwilligung auf einem Willensmangel (Zwang, Drohung, Täuschung, Irrtum) beruht, soll das Behandlungsverbot gelten. Zudem wird das öffentliche Bewerben, Anbieten und Vermitteln dieser Behandlungen verboten, bei Minderjährigen auch das nichtöffentliche Werben, Anbieten und Vermitteln.

Bei Verstößen gegen das Therapieverbot drohen Freiheitsstrafen von bis zu einem Jahr, Verstöße gegen das Werbeverbot werden mit einem Bußgeld von bis zu 30.000 Euro geahndet. Die Strafen sollen auch für Eltern oder andere Personen gelten bei einer groben Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht. Vom Verbot nicht umfasst sind Behandlungen bei Störungen der Sexualpräferenz, also etwa Exhibitionismus oder Pädophilie. Es gilt auch nicht für Behandlungen, die der geschlechtlichen Identität einer Person zum Ausdruck verhelfen, wenn also jemand eher nach einem männlichen oder weiblichen Körper strebt. Das Verbot greift nur, wenn eine Person versucht, zielgerichtet Einfluss zu nehmen auf die sexuelle Orientierung oder die selbstempfundene geschlechtliche Identität eines Menschen.

BÄK: Verfahren nicht medizinisch indiziert

Die Bundesärztekammer (BÄK) erklärte, Konversionsverfahren seien medizinisch nicht indiziert, nicht wirksam und könnten sich negativ auf die Gesundheit auswirken. Ihre Anwendung sei den Ärzten bereits verboten. Wissenschaftliche Publikationen belegten, dass Homosexualität weder eine pathologische Entwicklung noch eine Krankheit darstelle, sondern eine Variante unterschiedlicher sexueller Orientierungen.

Ein absolutes Verbot, das sich auf Minderjährige beschränke, könne suggerieren, dass solche Konversionsverfahren bei Erwachsenen grundsätzlich erlaubt sein sollen, gab die BÄK zu bedenken. Dies treffe jedoch nicht zu, da zumindest Ärzte solche Verfahren auch nicht bei Erwachsenen anwenden dürften.

Diskussion über die Altersbegrenzung

Auch die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) ging auf das Alterskriterium ein und merkte an, dass ein komplettes Verbot von Konversionsmaßnahmen ohne Altersbegrenzungen angebracht wäre. Es sei jedoch nachvollziehbar, dass ein vollumfassendes Verbot als verfassungsrechtlich bedenklich angesehen werde. Zum Schutz junger Erwachsener sollte das Verbot von Konversionsmaßnahmen auf Personen bis zum 21. Lebensjahr ausgeweitet werden. Nach Angaben der Kammer gefährden solche Behandlungen die psychische und physische Gesundheit der Menschen und können Depressionen, Angsterkrankungen, selbstverletzendes Verhalten bis hin zu Suizidalität bewirken.

Die Psychiaterin Dr. Lieselotte Mahler von der Charité sagte in der Anhörung, die meisten Betroffenen hätten große Angst vor einem Coming-out. Neben der notwendigen gesetzlichen Regelung sei es daher auch wichtig, präventiv den „Minderheitenstress“ zu vermindern. Dazu sei mehr Aufklärung nötig. Die Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (dgti) wertete die Vorlage als unvollständig. Gefordert werde ein ausnahmsloses und vollständiges Verbot jedweder Bestrebungen, sie sexuelle Orientierung und die geäußerte Geschlechtszugehörigkeit von Menschen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung zu unterdrücken oder zu verändern. Es gebe keine Rechtfertigung für Altersfreigaben und Ausnahmen. Der Verband sprach sich dafür aus, die Gesetzesbegründung eindeutiger zu formulieren.

Juristin: Entwurf ist rechtlich nicht zu beanstanden

Aus juristischer Sicht ist nach Ansicht der Rechtswissenschaftlerin Prof Dr. Dr. Frauke Rostalski von der Universität Köln der Entwurf nicht zu beanstanden. Die Verbots- und Sanktionsnormen des Gesetzentwurfs stießen auf keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Altersgrenze von 18 Jahren sei angemessen und erweise sich in der Praxis als besonders gut handhabbar. Konversionsbehandlungen könnten die sexuelle Selbstbestimmung insbesondere bei Minderjährigen in erheblichem Maße gefährden. Hingegen könne einwilligungsfähigen Erwachsenen eine solche Behandlung nicht untersagt werden.

In der Anhörung mitberaten wurde ein Antrag der Grünen-Fraktion (19/7931 neu) mit dem Ziel, gegen solche Behandlungen zur Änderung der sexuellen Orientierung vorzugehen. In Deutschland böten Organisationen gefährliche Pseudotherapien an, mit denen Menschen von ihrer Homosexualität geheilt werden sollen. Zahlreiche Gutachten kämen zu dem Ergebnis, dass solche Umpolungstherapien Ängste, Isolation, und Depression auslösen und bis zum Suizid führen könnten.

Antrag der Grünen

Die Grünen schreiben in ihrem Antrag (19/7931 neu), Homosexualität sei keine Krankheit, sondern Teil der menschlichen Natur und eine geschützte Ausprägung der Persönlichkeit. Dies sei auch von der Weltgesundheitsorganisation 1990 mit der Streichung von Homosexualität von der Liste psychischer Krankheiten anerkannt worden.
Die Fraktion fordert daher die Bundesregierung unter anderem auf, gemeinsam mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss die Richtlinien des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung zu überprüfen, damit solche Pseudotherapien nicht unter anderen Leistungen abgerechnet werden können. Zudem soll die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange der Patienten eine Öffentlichkeitskampagne starten, die über die Vielfalt sexueller Orientierungen, geschlechtlicher Identitäten und die Gefährlichkeit sogenannter „Konversionstherapien“ aufklärt. (pk/11.03.2020)

Liste der geladenen Sachverständigen

Verbände/Institutionen:

  • Bundesarbeitsgemeinschaft Schwule Juristen (BASJ)
  • Bundesärztekammer (BÄK)
  • Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK)
  • Bundesstiftung Magnus Hirschfeld (BMH)
  • Bundesverband Trans* e. V. (BVT*)
  • Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie e. V. (DGKJP)
  • Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. (DGPPN)
  • Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität e. V. (dgti)
  • Lesben- und Schwulenverband in Deutschland e. V. (LSVD)
  • VLSP – Verband für lesbische, schwule, bisexuelle, trans*, intersexuelle und queere Menschen in der Psychologie e. V.

Einzelsachverständige:

  • Dr. Lieselotte Mahler, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité – Universitätsmedizin Berlin
  • Prof. Dr. Dr. Frauke Rostalski, Universität zu Köln
  • Hartmut Rus, Lesben- und Schwulenverband (LSVD), Landesverband Sachsen

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