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Ausschüsse

Kapitalinteressen in der Gesundheitsversorgung

Zeit: Mittwoch, 4. März 2020, 14.30 Uhr
Ort: Berlin, Jakob-Kaiser-Haus, Sitzungssaal 1 302

Ärzteverbände warnen vor einem wachsenden Einfluss renditeorientierter Investoren auf die medizinische Versorgung in Deutschland. Die Bundesärztekammer (BÄK) und die Zahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) fordern gesetzliche Initiativen, um die kommerziellen Interessen im Gesundheitswesen transparenter zu gestalten und rein ökonomisch motivierte Investitionen zu begrenzen. Die Experten äußerten sich in schriftlichen Stellungnahmen zu einer von Rudolf Henke (CDU/CSU) geleiteten Anhörung des Gesundheitsausschusses am Mittwoch, 4. März 2020, zu Anträgen der Linksfraktion und der AfD-Fraktion.

Medizinische Versorgungszentren (MVZ) können nach Angaben der Bundesregierung von zugelassenen Ärzten und Krankenhäusern, von Erbringern nichtärztlicher Dialyseleistungen, gemeinnützigen Trägern und anerkannten Praxisnetzen gegründet werden. Ferner bestehe für Kommunen die Möglichkeit, MVZ zu gründen. In den MVZ können mehrere Ärzte verschiedener oder gleicher Fachrichtungen unter einem Dach arbeiten. Geleitet wird ein MVZ immer von einem Arzt.

Antrag der Linken

Die Linksfraktion spricht sich in ihrem Antrag (19/14372) für mehr Transparenz aus, wenn Kapitalgesellschaften in das Gesundheitssystem investieren. So kauften Private-Equity-Fonds Krankenhäuser, um MVZ gründen zu können. Um die MVZ betreiben zu können, würden Arztsitze gekauft. So würden aus inhabergeführten Arzt- und Zahnarztpraxen MVZ, und aus MVZ würden MVZ-Ketten.

Die Abgeordneten fordern in ihrem Antrag regelmäßige Veröffentlichungspflichten, aus denen hervorgeht, wer der Träger oder Eigentümer eines MVZ ist. Falls es sich um Finanzinvestoren handelt, sollen auch noch betriebliche Kennzahlen einschließlich der Zahl der gehaltenen Arztsitze veröffentlicht werden.

Antrag der AfD

Die AfD-Fraktion fordert in ihrem Antrag (19/17130), die wohnortnahe Versorgung mit ärztlichen Leistungen zu stärken. Ohne zielgerichtetes Gegensteuern drohten insbesondere im ländlichen Raum erhebliche Versorgungslücken. Eine Möglichkeit zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung im ländlichen Raum sei die Stärkung von kommunalen MVZ.

Die Abgeordneten schlagen vor, den Versorgungs- und Finanzbedarf im Hinblick auf die mögliche Gründung von MVZ im ländlichen Raum zu ermitteln. Es sollte geprüft werden, ob und in welchem Umfang auch Haushaltsmittel für diesen Zweck zur Verfügung gestellt werden könnten.

„Mehr Transparenz durch ein öffentliches Register“

Die BÄK sprach von einem wachsenden Klärungs- und Strukturierungsbedarf im Hinblick auf die deutlich zunehmenden Aktivitäten von Investoren im Gesundheitswesen. Es sei nicht hinnehmbar, dass immer mehr ökonomische Parameter das ärztliche Handeln bestimmten. Wenn Ärzte von kapitalgetriebenen Fremdinvestoren angehalten würden, nach kommerziellen Vorgaben zu handeln, gerieten sie in einen schwer lösbaren Zielkonflikt.

Für Investoren seien Kliniken, Reha-Immobilien und MVZ von besonderem Interesse, erklärte die BÄK. In Gesundheitseinrichtungen seien mehr als 50 Private-Equity-Gesellschaften investiert. Derzeit befänden sich etwa 420 von insgesamt 2.500 MVZ in der Hand von Finanzinvestoren. Auch 169 und 738 zahnärztlichen MVZ seien in Investorenhand. Finanzinvestoren könnten nach Übernahme kleiner Kliniken bundesweit MVZ gründen. Sinnvoll wäre eine Einschränkung der Gründungsberechtigung von Krankenhausträgern auf die jeweilige Planungsregion. Der Ärzteverband forderte auch mehr Transparenz durch ein öffentliches Register, in dem alle MVZ aufgeführt werden sollten.

Private-Equity-Gesellschaften im Hintergrund“

Auch die KZBV erklärte, die Entwicklung werde mit Sorge gesehen. Durch die 2015 eingeführte Möglichkeit zur Gründung fachgruppengleicher MVZ sei faktisch der gesamte vertragszahnärztliche Versorgungsmarkt dem Zugriff von Finanzinvestoren geöffnet worden. Es sei eine starke Zunahme an rein zahnärztlichen MVZ und deren Verbindung zu MVZ-Ketten zu beobachten, hinter denen häufig Private-Equity-Gesellschaften stünden.

Die investorengetragenen MVZ (i-MVZ) verteilten sich fast ausschließlich auf Großstädte, Ballungsräume und einkommensstarke Regionen. Sie leisteten damit so gut wie keinen Beitrag zur Patientenversorgung in strukturschwachen Gebieten. Der Verband fordert eine räumliche und fachliche Begrenzung der Gründungsbefugnis von zahnärztlichen Krankenhaus-MVZ sowie mehr Transparenz hinsichtlich MVZ und deren Inhabern.

„Fehlanreize abstellen“

Der Mediziner Prof. Dr. Dr. Eckhard Nagel erklärte, es sei problematisch, wenn Gewinnorientierung auf einen Bereich treffe, der existenzielle Verantwortung für Bürger trage. Die absurde Möglichkeit, dass durch den Erwerb eines Krankenhauses flächendeckend MVZ betrieben werden könnten, ohne ein Interesse an der wohnortnahen Versorgung zu haben, widerspreche den Grundsätzen der Daseinsfürsorge. Der Gesetzgeber sollte Fehlanreize für Kapitalinvestitionen im Gesundheitssystem abstellen, sagte der Mediziner.

Der Wissenschaftler Dr. Christoph Scheuplein, der sich mit Finanzinvestoren auf dem Gesundheitsmarkt befasst hat, erklärte, in den vergangenen drei Jahren seien Akquisitionen durch private Investoren im Gesundheitssektor stark gestiegen. Eine besondere Rolle spielten dabei die Übernahmen von MVZ durch nichtärztliche Investoren. Diese Investitionen seien erst durch gesetzliche Öffnungen in den Jahren 2004 für ärztliche MVZ und 2015 für zahnärztliche MVZ in Gang gekommen. Hier zeichne sich die Bildung neuartiger Facharzt-Konzerne ab. Scheuplein befürwortet mehr Transparenz in dem Sektor.

„Wichtig sind faire Marktbedingungen“

Der Augenarzt Dr. Kaweh Schayan-Araghi widersprach der Darstellung, wirtschaftliche Interessen könnten die medizinische Versorgung schwächen. Die hochqualitative ambulante Versorgung werde durch die Vielfalt der Trägerstrukturen sichergestellt. Für eine gute oder schlechte Medizin, abhängig vom Träger, gebe es keine Belege. Ärzte in MVZ seien nicht weisungsgebunden. Wichtig seien faire Marktbedingungen für alle Teilnehmer im Gesundheitssektor.

Auch der Vorstand des BKK-Dachverbandes, Franz Knieps, wandte sich gegen eine Differenzierung in gutes oder schlechtes Geld im Gesundheitswesen. Es gebe keine Belege für die Behauptung, dass Kapitalinvestoren nur am schnellen Gewinn interessiert seien. Dass MVZ hauptsächlich in Städten betrieben würden, sei verständlich, weil dort auch die meisten Menschen lebten. Statt über Träger zu debattieren, sollte die Versorgungsqualität im Vordergrund stehen. Ein Wettbewerb um Qualität würde den Markt für eine einseitige Renditeorientierung unmöglich machen. (pk/04.03.2020)

Liste der geladenen Sachverständigen

Verbände/Institutionen:

  • BRP Rebaud und Partner mbB
  • Bundesärztekammer (BÄK)
  • Bundesverband deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK)
  • Bundesverband für nachhaltige Zahnheilkunde (BNZK)
  • Bundesverband Medizinische Versorgungszentren – Gesundheitszentren – Integrierte Versorgung e. V. (BMVZ)
  • Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA)
  • Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV)
  • Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV)

Einzelsachverständige:

  • Prof. Dr. Thorsten Kingreen, Universität Regensburg
  • Franz Knieps, BKK-Dachverband
  • Prof. Dr. Andreas Ladurner, Hochschule Aalen
  • Susanne Müller, Bundesverband Medizinische Versorgungszentren – Gesundheitszentren – Integrierte Versorgung e. V. (BMVZ)
  • Prof. Dr. Dr. Eckhard Nagel, Universität Bayreuth
  • Dr. Kaweh Schayan-Araghi, Artemis Augenkliniken und medizinische Versorgungszentren
  • Dr. Christoph Scheuplein, Institut für Arbeit und Technik
  • Sibylle Stauch-Eckmann, Ober Scharrer Gruppe GmbH

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