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Ausschüsse

Kostenübernahme für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung

Zeit: Mittwoch, 28. November 2018, 16 Uhr bis 17.30 Uhr
Ort: Berlin, Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, Sitzungssaal 3 101

Gesundheits- und Rechtsexperten fordern eine grundlegende Reform des Abstammungsrechts und damit auch Regelungen für die Reproduktionsmedizin. Derzeit gebe es nur fragmentarische und unzureichende Regelungen, obgleich diese Fragestellungen enorme praktische Bedeutung hätten und sich auf viele Rechtsgebiete erstreckten, erklärten Fachleute anlässlich einer Anhörung des Gesundheitsausschusses unter Leitung von Harald Weinberg (Die Linke) am Mittwoch, 28. November 2018, zum Thema künstliche Befruchtung. Zudem müsse das Kindeswohl stärker in den Blickpunkt rücken. Die Experten äußerten sich in der Anhörung im Bundestag sowie in schriftlichen Stellungnahmen.

Gesetzentwurf der Grünen

Konkret ging es um einen Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (19/1832) sowie um einen Antrag der Fraktion Die Linke (19/5548) mit dem Ziel, die Kostenübernahme für eine künstliche Befruchtung auf unterschiedliche Paarkonstellationen auszuweiten.

So sollte nach Ansicht der Grünen eine Übernahme der Kosten für eine künstliche Befruchtung durch die gesetzlichen Krankenkassen zukünftig auch bei eingetragenen Lebenspartnerschaften, verheirateten lesbischen Ehepartnern und nichtehelichen Lebenspartnerschaften ermöglicht werden.

Antrag der Linken

Auch die Linksfraktion fordert einen erweiterten Anspruch auf Kostenerstattung für Kinderwunschbehandlungen. Derzeit würden unverheiratete Paare, lesbische Frauen und solche ohne dauerhafte Partnerschaft sowie aufgrund unterschiedlicher Zuschüsse auch Menschen mit geringem Einkommen diskriminiert. Die Abgeordneten fordern die volle Erstattung der Kosten für medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft auch unter Verwendung von Spendersamen. Der Erstattungsanspruch müsse allen Menschen mit ungewollter, medizinisch begründeter Kinderlosigkeit eröffnet werden.

Bisher ist die Kostenübernahme bei den Krankenkassen auf heterosexuelle Ehepaare begrenzt. Die Krankenkassen tragen bei Eheleuten 50 Prozent der Behandlungskosten, wobei nur die Ei- und Samenzellen des Paares (homologe Insemination) verwendet werden dürfen. Was die Restkosten betrifft, stellen Bund und Länder gemeinsam Mittel bereit. Mit einer 2016 in Kraft getretenen Änderung der Richtlinie des Bundesfamilienministeriums „zur Förderung von Maßnahmen der assistierten Reproduktion“ ist die Bundesförderung auf unverheiratete Paare ausgedehnt worden.

Länder müssen sich finanziell beteiligen

Die Bund-Länder-Förderung setzt voraus, dass sich die Bundesländer mit einem Landesförderprogramm beteiligen. Bund und Länder tragen für verheiratete Paare bis zu 25 Prozent der Selbstkosten nach Abrechnung mit der Krankenkasse. Bei unverheirateten Paaren werden für den ersten bis dritten Behandlungszyklus bis zu 12,5 Prozent des Selbstkostenanteils getragen, für den vierten Versuch bis zu 25 Prozent. Verheiratete oder verpartnerte homosexuelle Paare haben weder Anspruch auf Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) noch durch das Bundesprogramm.

2017 billigte der Bundestag einen Gesetzentwurf (18/11291, 18/12422) zur Einrichtung eines zentralen Registers für Samenspender. Damit sollen Kinder aus künstlicher Befruchtung künftig Auskunft über ihre Abstammung erhalten können. Das Gesetz sieht einen Auskunftsanspruch für jene Personen ab 16 Jahren vor, die durch eine Samenspende und künstliche Befruchtung (heterologe Insemination) gezeugt worden sind. Allerdings ist die gerichtliche Feststellung der rechtlichen Vaterschaft des Samenspenders ausgeschlossen. So soll verhindert werden, dass an Samenspender im Sorge-, Unterhalts- und Erbrecht Ansprüche gestellt werden.

„Rechtliche Fragestellungen zuerst klären“

Nach Ansicht der Bundesärztekammer (BÄK) sollten die rechtlichen Fragestellungen zuerst geklärt werden, bevor an eine Leistungsausweitung gedacht werde. So habe der Bundesgerichtshof 2018 festgestellt, dass die Ehefrau der Kindesmutter nicht aufgrund der Ehe zum rechtlichen Mitelternteil des Kindes werde.

Die Überschneidung wissenschaftlicher, ethischer und rechtlicher Aspekte führe zu einer besonderen Komplexität dieses medizinischen Gebietes, wobei auch „der hohe Rang des Kindeswohls“ zu berücksichtigen sei. Es sei ein „schwer überschaubares Normengeflecht“ entstanden, merkte die Bundesärztekammer an.

„Keine frei wählbare Eltern-Kind-Zuordnung“

Ähnlich argumentierte die Rechtsanwältin Christina Hirthammer-Schmidt-Bleibtreu, die darauf hinwies, dass es eine frei wählbare Eltern-Kind-Zuordnung nicht gebe. Auch in einer heterosexuellen Partnerschaft gebe es noch Regelungslücken.

Erkenne ein mit der Mutter nicht verheirateter Vater die Vaterschaft nicht an, bestehe trotz genetischer Verbindung keine Möglichkeit, ihn zum rechtlichen Vater des Kindes zu machen. Ebenso könne ein Samenspender nicht aufgrund seiner genetischen Vaterschaft als rechtlicher Vater festgestellt werden. Somit sollte die gesetzliche Festlegung der Elternschaft zwingend überarbeitet werden.

„Erstattungssysteme ohne einheitlichen Plan“

Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) erklärte, die möglichen Fallvarianten machten deutlich, dass den verschiedenen Erstattungssystemen kein einheitlicher Plan zugrunde liege. Das widerspreche den Gerechtigkeitsvorstellungen der Bürger. Eine Korrektur sei dringend geboten. Studien zeigten, dass die Motive bezüglich Kindern bei Lesben und Schwulen identisch und „ebenso existenziell“ seien wie bei heterosexuellen Eltern.

Der Verband sprach sich dafür aus, dass alle empfängnisunfähigen Frauen unabhängig von ihrem Familienstand einen Anspruch auf Kostenerstattung für Kinderwunschbehandlungen haben sollten. Das gelte auch für heterologe Inseminationen, wenn Frauen zwar nicht empfängnisunfähig, ihr Partner aber zeugungsunfähig sei oder weil die Frau mit einer Frau lebe oder weil sie alleinstehend sei.

„Neues Reproduktionsmedizingesetz nötig“

Der Fachverband pro familia kritisierte, alleinstehende oder lesbische Frauen erlebten Ausgrenzung und eine Tabuisierung der Kinderwunschthematik. Unsinnige Reglementierungen und Rechtsunsicherheiten in Bezug auf Behandlungswünsche veranlassten Frauen und Paare, vermehrt Behandlungen im Ausland wahrzunehmen. Nötig sei ein neues Reproduktionsmedizingesetz.

Der Verband sprach sich dafür aus, alleinstehenden und lesbischen Frauen eine heterologe Insemination zu ermöglichen und dafür einen gesetzlichen Anspruch zur partiellen Kostenübernahme zu schaffen.

Kritik an möglicher Kostenübernahme

Der Verein Spenderkinder äußerte sich hingegen kritisch zu einer möglichen Übernahme von Behandlungskosten einer Samenspende. Dies bedeute keine Gleichstellung von Lebenspartnerschaften und nichtehelichen Paaren zu Ehepaaren, weil die Behandlungskosten für Samenspenden bei Eheleuten auch nicht übernommen würden. Bei einer Samenspende handele es sich um eine besondere Familiengründung zu dritt, die „mit psychologischen Herausforderungen“ verbunden sei und nur nach gründlicher Aufklärung eingegangen werden sollte.

Mit der Kostenübernahme würde die nötige Reflexion jedoch voraussichtlich entfallen und der Eindruck vermittelt, dass kein Unterschied zu einer homologen Insemination bestünde. Zu berücksichtigen sei überdies, dass bei einer Samenspende den so gezeugten Menschen der genetische Vater bewusst vorenthalten werde. Dies sei ethisch bedenklich.

Ausweitung der Kostenübernahme befürwortet

Für eine Ausweitung der Kostenübernahme plädierte der Verein Wunschkind und begründete dies mit dem Recht auf Familiengründung. Die Übernahme der Kosten von der Ehe abhängig zu machen, widerspreche der modernen Gesellschaft mit einem stark steigenden Anteil nichtehelicher Lebensgemeinschaften. Niemand sollte gezwungen werden, zu heiraten, damit eine Kostenbeteiligung gewährt werde.

Auch Frauenpaare zahlten GKV-Beiträge. Es sei daher nicht einzusehen, weshalb ihnen die Kostenübernahme für Kinderwunschbehandlungen versagt sein sollte. Heterosexuelle Paare, die auf einen Samenspender zurückgreifen, sollten ebenfalls gefördert werden. Dabei müsse es für die Kostenübernahme unerheblich sein, wer bei dem Paar von Unfruchtbarkeit betroffen sei.

„Erweiterung des Leistungsanspruchs wirft Fragen auf“

Die Erweiterung des Leistungsanspruchs auf Fälle der heterologen Befruchtung mit Fremdsamen nicht allein für gleichgeschlechtliche, sondern auch für verheiratete oder andere heterosexuelle Paar berührt nach Aussage des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zahlreiche Fragen der Reproduktionsmedizin. Die damit zusammenhängenden auch rechtlichen Fragestellungen müssten zunächst beantwortet und in Regelungen gefasst werden.

Der Frauenarzt Prof. Dr. med. Jan-Steffen Krüssel vom Universitätsklinikum Düsseldorf wies wie andere Sachverständige auf die in den Vorlagen unscharf formulierten Voraussetzungen für eine Kostenerstattung hin und nannte als Beispiele die Begriffe „medizinische Gründe“, „auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft“ oder „medizinisch begründete Kinderlosigkeit“. Die Nutzung dieser unbestimmten Begriffe hätte zur Folge, dass Ärzte in einer rechtlichen Grauzone Entscheidungen treffen müssten. Insofern sei eine Rechtsentwicklung für die Reproduktionsmedizin erforderlich. (pk/28.11.2018)

Liste der geladenen Sachverständigen

Verbände/Institutionen:

  • BKiD – Deutsche Gesellschaft für Kinderwunschberatung e. V.
  • Bundesärztekammer (BÄK)
  • Bundesverband Reproduktionsmedizinischer Zentren Deutschlands e. V. (BRZ)
  • Deutsche Gesellschaft für Reproduktionsmedizin e. V. (DGRM)
  • Deutscher Anwaltsverein e. V. (DAV)
  • Deutscher Familiengerichtstag e. V. c/o Hochschule des Bundes (DFGT)
  • Deutscher Richterbund – Bund der Richter und Staatsanwälte Landesverband Berlin e. V. (DRB)
  • Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e. V. (DIJuF)
  • DI-Netz e. V.
  • Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Spitzenverband)
  • Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV)
  • Lesben- und Schwulenverband in Deutschland e. V. (LSVD)
  • pro familia Deutsche Gesellschaft für Familienplanung, Sexualpädagogik und Sexualberatung e. V. Bundesverband
  • Spenderkinder
  • Wunschkind e. V.

Einzelsachverständige:

  • Prof. Dr. Nina Dethloff, Universität Bonn
  • Dr. Ulrich Göhring, Kinderwunschzentrum Tübingen
  • Christina Hirthammer-Schmidt-Bleibtreu, Ärztekammer Nordrhein
  • Prof. Dr. med. Jan-Steffen Krüssel, Universitätsklinikum Düsseldorf
  • Prof. Dr. Kerstin Schlögl-Flierl, Universität Augsburg

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