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Ausschüsse

Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG)

Zeit: Mittwoch, 10. Oktober 2018, 14 bis 17 Uhr
Ort: Berlin, Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, Sitzungssaal 3 101

Das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (19/4453, 19/4729) stößt bei Gesundheitsverbänden auf einige Bedenken. Zwar wird die Intention begrüßt, das Pflegepersonal in der stationären Kranken- und Altenpflege aufzustocken, allerdings werden die dazu vorgesehenen Methoden kritisch hinterfragt. Das zeigte sich bei einer öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses unter Vorsitz von Erwin Rüddel (CDU/CSU) am Mittwoch, 10. Oktober 2018, im Bundestag sowie in den schriftlichen Stellungnahmen der Experten. Auch warnen Fachverbände davor, die unterschiedlichen Pflegebereiche gegeneinander auszuspielen. Befürchtet werden vor allem Nachteile für die Altenpflege und die ambulante Pflege gegenüber der lukrativeren Krankenhauspflege.

„Sofortprogramm muss für ganze Pflege gelten“

Der Gesetzentwurf ist nach Ansicht des Verbandes Deutscher Alten- und Behindertenhilfe (VDAB) zu einseitig auf Verbesserungen in der vollstationären Pflege ausgerichtet. Um die Lage zu verbessern, müsse es auch im teilstationären und ambulanten Bereich mehr Pflegekräfte geben.

Angesichts des Fachkräftemangels sei mit einer Umverteilung auf Kosten der beiden Bereiche zu rechnen. Es dürfe kein Keil zwischen die Versorgungsbereiche der Pflege getrieben werden. Das Sofortprogramm müsse für die ganze Pflege gelten.

„Kostenexplosionen für die Pflegehaushalte“

Der Sozialverband VdK ging auf die steigenden Eigenanteile in Pflegeheimen ein. Höhere Vergütungen der Fachkräfte in der vollstationären Pflege führten ,,zu wahrhaften Kostenexplosionen für die Pflegehaushalte„ und in der ambulanten Pflege gegebenenfalls zu einer Unterversorgung. Der Anstieg der Eigenanteile müsse schnellstens gestoppt und zurückgeführt werden. Die 13.000 zusätzlichen Stellen in der Altenpflege reichten zudem für eine adäquate Versorgung nicht aus.

Allein für die medizinische Behandlungspflege müssten jährlich mehrere Milliarden Euro veranschlagt werden. Die genannten 640 Millionen Euro, die als Kompensation aus dem System der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gedacht seien, können laut VdK nur ein erster Schritt sein. Zudem dürfe das Ziel einer vollständigen Finanzierung der medizinischen Behandlungspflege durch die GKV nicht aus den Augen verloren werden. Der Pauschalzuschlag der GKV löse das Problem nicht. Für die Fachkräfte in den mehr als 13.000 ambulanten Pflegediensten sei gar keine Entlastung geplant. Ein Sprecher der GKV wies in der Anhörung darauf hin, dass eine komplette Kostenverlagerung der medizinischen Behandlungspflege in die GKV drei Milliarden Euro kosten würde.

Mehrere Verbände warnten davor, in Pflegeheimen nicht verfügbare Fachkräfte nach drei Monaten der Suche durch Hilfskräfte zu ersetzen. Dies sei in der anspruchsvollen medizinischen Behandlungspflege, die von dem Stellenförderprogramm vor allem profitieren solle, nicht vertretbar.

“Rückkehr zur Selbstkostendeckung nicht nachvollziehbar„

Der AOK-Bundesverband kritisierte die geplante Herauslösung der Pflegepersonalkosten aus den Fallpauschalen (DRG) im Krankenhaus. Die Rückkehr zur Selbstkostendeckung sei nicht nachvollziehbar, weil mit dem DRG-System erst die nötige finanzielle Transparenz hergestellt werde. Eine sachgerechte Verwendung der DRG-Pflegeerlöse könne auch erreicht werden, ohne das ganze System zu zerschlagen, etwa über eine Neuberechnung der DRGs.

Die Bundesärztekammer (BÄK) erklärte hingegen, mit der Ausgliederung der Pflegepersonalkosten aus den DRGs werde die Grundlage gelegt für eine bessere Personalverfügbarkeit und bessere Arbeitsbedingungen und somit für die Qualität der Versorgung. Die “Systemkorrektur„ könne aber nur gelingen, wenn sie für alle Gesundheitsberufe in Kliniken gelte, einschließlich des Tarifausgleichs ab 2018.

“Pflebezuschlag dauerhaft erhalten„

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) wandte sich gegen die Streichung des Pflegezuschlags im Umfang von bisher 500 Millionen Euro pro Jahr ab 2020. Damit würden die Kliniken in ihren Möglichkeiten zur Stärkung der Pflege geschwächt. Die vorgesehenen Verbesserungen für das Pflegepersonal müssten weitgehend aus dem Mittelbestand der Häuser genommen werden.

Die DKG forderte, den Pflegezuschlag dauerhaft zu erhalten. Ein Sprecher des GKV-Spitzenverbandes nannte in der Anhörung die Argumente der DKG nicht nachvollziehbar. Wenn die Krankenhauspflege künftig vollständig refinanziert werde, sei der Pflegezuschlag nicht mehr nötig.

“Fundiertes Personalbemessungsverfahren erforderlich„

Die geplante Methode zur Ermittlung des Personalbedarfs in der Klinikpflege wird vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) abgelehnt. Ein Personalquotient könne die Versorgungsqualität nicht verbessern. Nötig sei ein fundiertes Personalbemessungsverfahren, das sich am tatsächlichen Pflegebedarf orientiere. Dazu gebe es bereits Instrumente wie die Pflegepersonalregelung (PPR) und die Psychiatrie-Personalverordnung (Psych-PV).

Die Ökonomin Dr. Susanna Kochskämper mahnte in der Anhörung, angesichts steigender Kosten in der Pflege müsse über die künftige Finanzierung und Lastenverteilung neu beraten werden. Auch ein Sprecher der Deutschen Stiftung Patientenschutz forderte ein Gesamtkonzept zur Finanzierung der Pflege.

Gesetzentwurf der Bundesregierung

Das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz sieht zahlreiche Initiativen vor. So sollen in der stationären Altenpflege 13.000 neue Stellen geschaffen und finanziert werden. Je nach Größe erhalten die Pflegeeinrichtungen zwischen einer halben und zwei Pflegestellen zusätzlich.

Die Pflegepersonalkosten der Krankenhäuser werden ab 2020 aus den Fallpauschalen herausgenommen und auf eine krankenhausindividuelle Vergütung umgestellt. Zudem wird ab 2020 erstmals in Kliniken ein Pflegepersonalquotient ermittelt, der das Verhältnis der Pflegekräfte zum Pflegeaufwand beschreibt.

Jede zusätzliche oder aufgestockte Pflegestelle im Krankenhaus wird künftig vollständig von den Krankenversicherungen refinanziert. Bereits für das Jahr 2018 sollen rückwirkend auch Tarifsteigerungen für Pflegekräfte im Krankenhaus voll refinanziert werden. Der Gesetzentwurf sieht auch vor, ab 2019 die Ausbildungsvergütungen in der Kinderkrankenpflege, der Krankenpflege und der Krankenpflegehilfe im ersten Ausbildungsjahr durch die Kassen zu refinanzieren. Damit soll die Bereitschaft zur Ausbildung gestärkt werden.

Pflegeberuf soll attraktiver werden

Der Krankenhausstrukturfonds soll ab 2019 für vier Jahre im Umfang von einer Milliarde Euro jährlich weitergeführt werden. Finanziert wird der Fonds hälftig aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds und Mitteln der Länder. Strukturveränderungen sollen dazu beitragen, Pflegekräfte effizient einzusetzen.

Der Gesetzentwurf sieht auch einige Regelungen vor, um die Attraktivität des Pflegeberufes unmittelbar zu verbessern. So sollen die Krankenkassen jährlich zusätzlich mehr als 70 Millionen Euro in die Gesundheitsförderung von Beschäftigten in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen investieren. Die Vereinbarkeit von Pflege, Familie und Beruf soll ausgebaut werden. Überdies soll eine Digitalisierungsoffensive dazu beitragen, Pflegekräfte zu entlasten.

Antrag der AfD

In der Anhörung mitberaten wurden Anträge der Fraktionen von AfD und Die Linke mit Änderungsvorschlägen zur Verbesserung der Pflegeversorgung.

Die AfD setzt sich in ihrem Antrag (19/4537) für gleiche Finanzierungsgrundlagen für die Erbringung behandlungspflegerischer Leistungen in der stationären, ambulanten und häuslichen Pflege ein. Die medizinische Behandlungspflege will sie in die alleinige Leistungspflicht der Krankenkassen überführen und aus den Pflegesätzen herauslösen. Die Behandlung von pflegebedürftigen Heimbewohnern bei der Finanzierung von medizinisch behandlungspflegerischen Leistungen durch die gesetzliche Krankenversicherung sei ungerecht und müsse beendet werden, schreibt die Fraktion.

Da die Pflegekassen nur die gesetzlich festgelegten Pauschalbeträge je Pflegegrad zahlten, trage der gesetzlich versicherte Heimbewohner einen großen Teil der medizinisch verordneten behandlungspflegerischen Leistungen selbst. Für privat versicherte Heimbewohner gelte dies entsprechend.

In der häuslichen Pflege übernehme jedoch die gesetzliche Krankenkasse alle Leistungen der medizinischen Behandlungspflege. Diese unterschiedliche Regelung führe dazu, dass stationäre Pflegeeinrichtungen deutlich weniger von den Pflegekassen für die gleichen, hochkomplexen Pflegeleistungen vergütet bekommen als es im ambulanten oder häuslichen Bereich der Fall sei. Gleichzeitig müssten die Pflegebedürftigen in vollstationären Einrichtungen die fehlende Refinanzierung durch hohe Eigenanteile an den Heimkosten ausgleichen, obwohl auch sie Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung zahlten.

Anträge der Linken

Die Linke fordert in ihrem ersten Antrag (19/4523) unter anderem, Berufe wie Hebammen und Entbindungspfleger, Heilmittelberufe, Ärztinnen und Ärzte sowie Reinigungspersonal bedarfsgerecht zu finanzieren und ein Instrument zur Ermittlung des Personalbedarfs zu entwickeln, um diesen berechnen zu können. Den Ländern solle als Anreiz für jeden zusätzlich in Krankenhäuser investierten Euro aus Bundesmitteln ein weiterer Euro für Krankenhausinvestitionen bis zu einer Gesamthöhe von 2,5 Milliarden Euro pro Jahr und auf zehn Jahre begrenzt gezahlt werden. Rehabilitationskliniken sollten in die Personalregelungen einbezogen werden.

Im Antrag zur Altenpflege (19/4524) verlangt Die Linke, die vollständige Refinanzierung tariflicher Bezahlung auch in der häuslichen Krankenpflege gesetzlich sicherzustellen. Für die stationäre Altenpflege will die Fraktion ein wissenschaftliches Personalbemessungsverfahren einführen, damit zusätzlich nur Fachkräfte in stationären Pflegeeinrichtungen eingesetzt werden. Die Kosten der medizinischen Behandlungspflege in stationären Altenpflegeeinrichtungen sowie in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe müssen nach Meinung der Fraktion gesetzlich vollständig refinanziert werden. Für die Altenpflege wünschen sich die Abgeordneten eine Investitionsoffensive. (pk/10.10.2018)

Liste der geladenen Sachverständigen

Verbände/Institutionen:

  • Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) e. V.
  • Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe von Menschen mit Behinderung, chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen e. V. (BAG SELBSTHILFE)
  • Bundesärztekammer (BÄK)
  • Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände - Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv)
  • Bundesverband Deutscher Privatkliniken e. V. (BDPK)  Bundesverband Gesundheits-IT - bvitg e. V.
  • Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e. V. (bpa)
  • Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände e. V. (BDA)
  • Deutsche Krankenhausgesellschaft e. V. (DKG)
  • Deutsche Stiftung Patientenschutz
  • Deutscher Berufsverband für Altenpflege e. V. (DBVA)
  • Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe - DBfK Bundesverband e. V.
  • Deutscher Bildungsrat für Pflegeberufe c/o DBfK e. V.  Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)
  • Deutscher Pflegerat e. V. (DPR)
  • Deutscher Städtetag
  • Fachgesellschaft Profession Pflege e. V.
  • gematik - Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbH
  • GKV Spitzenverband  Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus GmbH (InEK)
  • Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV)  Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV)
  • Pflege in Bewegung e. V.  Sozialverband Deutschland e. V. (SoVD)
  • ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft  Verband der Privaten Krankenversicherung e. V. (PKV)
  • Verband der Universitätsklinika Deutschlands e. V. (VUD)
  • Verband Deutscher Alten- und Behindertenhilfe e. V. (VDAB)

Einzelsachverständige:

  • Dr. Susanna Kochskämper, Institut der deutschen Wirtschaft Köln
  • Prof. Dr. Heinz Rothgang, Universität Bremen
  • Prof. Dr. Jonas Schreyögg, Universität Hamburg
  • Prof. Dr. Michael Simon, Hochschule Hannover
  • Prof. Dr. Gregor Thüsing, Universität Bonn
  • Helmut Wallrafen, Sozial-Holding der Stadt Mönchengladbach GmbH

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