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Gesundheit

Experten sehen Chancen und Risiken bei einer Freigabe von Cannabis

Zeit: Montag, 21. Juni 2021, 9 Uhr bis 10.30 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E 300

Die kontrollierte Abgabe von Cannabis als Genussmittel würde nach Einschätzung von Experten Chancen und Risiken mit sich bringen. Die gescheiterte Verbotspolitik, der verbreitete Konsum von Cannabis sowie die negativen Auswirkungen des Schwarzmarktes werden als Argumente für eine staatlich regulierte Abgabe angesehen. Allerdings befürchten Experten in dem Fall auch eine Zunahme der Suchtproblematik und eine Ausweitung des illegalen Drogenhandels, wie am Montag, 21. Juni 2021, eine Anhörung des Gesundheitsausschusses unter Vorsitz von Erwin Rüddel (CDU/CSU) über einen Antrag der FDP-Fraktion (19/27807) ergab. Die Sachverständigen äußerten sich in der Anhörung und in schriftlichen Stellungnahmen.

Antrag der FDP

Nach Ansicht der FDP-Fraktion sollten Erwachsene Cannabis zu Genusszwecken in Apotheken und speziell lizenzierten Geschäften erwerben können. Der maximale Gehalt von Tetrahydrocannabinol (THC) und weiteren gesundheitsgefährdenden Inhaltsstoffen müsse auf wissenschaftlicher Grundlage gesetzlich festgelegt werden.

Als maximale Besitzmenge schlägt die FDP für Privatpersonen 15 Gramm Cannabis vor. Zudem sollte eine Cannabis-Steuer eingeführt werden.

„Repressionspolitik gegen Cannabis ist gescheitert“

Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) stellte fest, dass die Repressionspolitik gegen Cannabis gescheitert sei. Die Wirksamkeit der Strafverfolgung von Konsumenten sei nicht belegt. Die Repression erschwere zudem Hilfsangebote für Menschen mit problematischem Konsum. Begrenzte, kontrollierte und wissenschaftlich begleitete Modellprojekte könnten genutzt werden, um Erkenntnisse über Handlungsalternativen zu gewinnen. Durch eine reglementierte, aber legale Abgabe falle die Strafverfolgung weitgehend weg. Prävention, Früherkennung und Frühinterventionsangebote müsste aber erhalten bleiben.

Nach Angaben des Deutschen Städtetages halten sich unter den Mitgliedern unterschiedliche Ansichten zur möglichen kontrollierten Abgabe von Cannabis. Es gebe keine abschließende und in den Gremien gefestigte Positionierung. Als Gefahren erkannt würden der Schwarzmarkt, die unbekannten Wirkstoffgehalte der Drogen und die extreme Zunahme von synthetischem Cannabis. Die Strafverfolgung habe den Konsum nicht senken können.

Die lizenzierte Abgabe von Cannabis brächte eine Entkriminalisierung der Konsumenten, mehr Verbraucherschutz und Steuereinnahmen. Gegen die Freigabe spreche die damit einhergehende Verharmlosung der Droge mit gesundheitlichen Folgen, ähnlich wie bei Alkohol, gab der Städtetag zu bedenken. Zudem komme von der Polizei der Hinweis, dass Kontrollen nicht an Substanzen gebunden seien. Insofern ergäbe sich für die Polizei auch bei einer Legalisierung von Cannabis keine neue Ausgangslage.

Mehr Gesundheitsschutz und mehr Prävention gefordert

Uwe Wicha vom Institut für Gesundheit und Bildung (IGB) zeigte sich in der Anhörung skeptisch zur Freigabe der Droge Cannabis. Er forderte mehr Gesundheitsschutz und mehr Prävention, um die Verbreitung von Drogen zu unterbinden. Nach Ansicht Wichas zeigt das Beispiel Alkohol, wie schädigend eine Freigabe von Cannabis sein könnte.

Prof. Dr. Kirsten R. Müller-Vahl von der medizinischen Hochschule Hannover sprach sich hingegen dafür aus, neue Wege zu gehen und neue, kontrollierte Abgabemöglichkeiten zu erproben, die dann vielleicht beispielhaft sein könnten für die künftige Abgabe legaler Drogen wie Alkohol. Es dürften bei Cannabis nicht dieselben Fehler gemacht werden wie bei Alkohol, mahnte sie in der Anhörung.

Der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Justus Haucap von der Universität Düsseldorf erklärte, die Verbotspolitik könne den Konsum von Cannabis nicht wirksam eindämmen. Auch die Idee einer suchtfreien Gesellschaft sei nicht erreichbar. Daher sollte den Dealern die faktische Kontrolle über den Markt entzogen werden.

„Kriminalisierung trifft junge Leute mit destruktiver Härte“

Der Sozialwissenschaftler Prof. Dr. Heino Stöver von der Frankfurt University of Applied Sciences plädierte ebenfalls für eine kontrollierte Freigabe der Droge und verwies auf die schädlichen Auswirkungen der zunehmenden Kriminalisierung von Konsumenten. Mit der Strafverfolgung würden nicht nur enorme Ressourcen in der Polizeiarbeit und Justiz vergeudet, sondern auch Chancen für einen besseren Jugend- und Verbraucherschutz vertan, etwa durch Qualitätskontrollen.

Die Kriminalisierung treffe zudem vor allem junge Leute mit destruktiver Härte, mit teils dramatischen Folgen in ihrem sozialen Umfeld. Eine Neuregelung sei überfällig, begleitet von Aufklärung, Prävention und Evaluation.

Die Bundesärztekammer (BÄK) erinnerte in der Anhörung an die besonders schädlichen Wirkungen von Cannabis auf Jugendliche. Die Risiken für Langzeitschäden seien insbesondere bei Jugendlichen hoch. Es stelle sich die Frage, wie bei einer legalisierten Abgabe junge Leute effektiv geschützt werden könnten. (pk/22.06.2021)

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