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Ausschüsse

Sachverständige raten zur Vorsicht bei Öffnungsstrategien

Zeit: Donnerstag, 27. Mai 2021, 12.15 Uhr bis 13.45 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E 300

Mehrere Sachverständige rieten am Donnerstag, 27. Mai 202, während einer öffentlichen Anhörung des vom Gesundheitsausschuss eingerichteten „Parlamentarischen Begleitgremiums Covid-19-Pandemie“ unter Vorsitz von Rudolf Henke (CDU/CSU) zu Vorsicht bei den geplanten Öffnungsstrategien im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Würden die Eindämmungsmaßnahmen komplett aufgegeben, gäbe es drei- bis viermal so viele Infektionen wie jetzt, sagte Dr. Viola Priesemann vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation. „Da ist viel Luft nach oben, die Fallzahlen können jederzeit stark steigen“, sagte sie. Sorgen bereite vor allem die neue Mutation aus Indien, die in England schon für eine Verdopplung der Zahlen gesorgt habe und die in etwa vier Wochen dazu führen werde, auch in Deutschland „die Fallzahlen wieder hochzubringen“. Bis dahin werde aber wohl noch nicht genug Impfschutz bestehen, um zu garantieren, dass die Intensivstationen nicht wieder hoch belastet werden, sagt Priesemann.

Keine Entlastung auf Intensivstationen

Derzeit lägen 3.000 Covid-Patienten auf den Intensivstationen in Deutschland, sagte Prof. Dr. Gernot Marx, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). Mit Blick auf den Spitzenwert von 5.150 sei ein deutlicher Rückgang zu erkennen. Allerdings sei der aktuelle Wert immer noch höher, als der Spitzenwert in der ersten Welle. „Wir können hier also nicht von einer Entlastung sprechen“, betonte Marx.

Zu konstatieren sei, „dass die Regelungen der Bundesnotbremse funktionieren und zu einem Rückgang der Intensivpatienten geführt haben“. Wichtig sei nun, bei Öffnungsschritten sehr genau die Entwicklung der Virusvariante zu betrachten, „und wenn es notwendig ist, auch wieder Schritte zu einer Verschärfung durchzuführen“, sagte der DIVI-Präsident.

Krankenhäuser stark belastet

Dr. Bernd Metzinger verwies als Vertreter der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) darauf, dass der Höhepunkt der dritten Welle überschritten sei. Anfang April habe es 17.454 positiv getestete Patienten in den Krankenhäusern gegeben. Derzeit gebe es 43 Prozent weniger stationäre Covid-Patienten. Bei Beatmungspatienten liege der Rückgang bei 37 Prozent.

Die Quote der beatmeten Intensivpatienten habe sich auf 64 Prozent – und damit auf fast zwei Drittel - erhöht. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Krankenhäuser seien stark belastet, sagte Metzinger, da die zusätzlichen Covid-Patienten mit erheblichem Aufwand gepflegt werden und bei ihnen aufwendige Isolationsmaßnahmen angewendet werden müssen.

Entwicklung der Infektionen in Betrieben

Dr. Anne Bunte, Leiterin des Gesundheitsamtes der Kreisverwaltung Gütersloh, sprach sich ebenfalls für Vorsicht bei den Öffnungsstrategien aus. Sinkende Inzidenzwerte seien nicht ausreichend zur Beurteilung der Lage.

Bunte sagte weiter, mit großer Sorge sehe sie bei sich im Landkreis die Entwicklung der Infektionen in Betrieben – vor allem der Logistik- und der Lebensmittelbranche - ,die nach den privaten Haushalten die zweitgrößten Infektionsorte seien. Vielfach sei das mit dem Problem der Arbeitsmigration und den damit verbundenen beengten Wohnverhältnissen verbunden.

Maßnahmen des Arbeitsschutzes nicht an Impfstatus knüpfen

Nach Aussage von Markus Hofmann, Leiter der Fachabteilung Sozialpolitik beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), ist die Akzeptanz der Beschäftigten für die von ihnen verlangten Schutzmaßnahmen sehr groß. Zu Konflikten kann es aus seiner Sicht nur kommen, „wenn man voreilig von den zwingend notwendigen und wirksamen Maßnahmen des Arbeitsschutzes abweicht und Geimpfte von den Maßnahmen ausnimmt“, sagte der DGB-Vertreter.

Maßnahmen des Arbeitsschutzes seien schließlich nicht an den Impfstatus der Beschäftigten geknüpft. „Sie gelten grundsätzlich für alle und gegen alle“, sagte Hofmann. Solange es nicht ein Impfangebot für alle gibt, bestehe kein Raum für eine Ungleichbehandlung am Arbeitsplatz. Gebe es ein Impfangebot für alle, gehe der DGB davon aus, dass die Schutzmaßnahmen im jetzigen Umfang nicht mehr nötig seien. Maßgeblich werde dann die individuelle Betrachtung jeder Tätigkeit und jeder Branche.

Kaum Ansteckungen im Außenbereich

Dr. Gerhard Scheuch von der Gesellschaft für Aerosolforschung empfahl, die Menschen zu motivieren, ihre Aktivitäten nach draußen zu verlegen. Im Außenbereich gebe es so gut wie keine Ansteckungen. „Alles was draußen stattfindet könnte man bei den jetzigen Inzidenzen freigeben“, sagte er.

Insbesondere sei dabei an Kinder und Jugendliche zu denken, die lange von sportlichen Aktivitäten ferngehalten worden seien. „Das sollte man unbedingt lockern, dafür in Innenräumen aber weiterhin relativ streng vorgehen“, verlangte er.

Datenlage im Zusammenhang mit Covid-Infektionen nicht gut

Die Datenlage im Zusammenhang mit Covid-Infektionen sei nicht gut, sagte Dr. Dr. Petra Dickmann von der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Universitätsklinikum Jena. Erst seit kurzem gebe es Altersangaben zur Intensivbelegung in Krankenhäusern. Noch immer fehle eine systematische Erfassung von Hospitalisierungen nach Alter und Geschlecht auf Normalstationen. Dies müsse aus Meldungen der Gesundheitsämter mühsam herausgearbeitet werden.

Sehr schlechte Angaben gebe es auch in Sachen Impffortschritt. Es sei nicht bekannt, ob die Altersgruppen, die Priorisierungsgruppen oder bestimmte Regionen durchgeimpft seien. Daher falle es schwer, selbst bei grundlegenden Fragen eine Einschätzung abzugeben, sagte Dickmann.

Langzeitstudie mit 3.000 Personen in Lübeck

Die Neurologin Prof. Dr. Christine Klein äußerte sich zu ihrer Langzeitstudie mit 3.000 Personen in Lübeck. Dabei seien vom März 2020 bis zum Februar 2021 insgesamt rund 20.000 PCR- und Antikörpertests ausgewertet worden. Außerdem seien etwa 100.000 Fragebögen erhoben worden. Im Ergebnis seien 3,5 Prozent der Stichproben positiv gewesen, sagte Klein.

Die Dunkelziffer sei von anfangs 90 Prozent auf 30 Prozent im Februar 2021 gesunken. Interessant, so die Neurologin, sei auch gewesen, dass im Sommer 2020 – bei niedrigen Inzidenzwerten und geltenden Hygieneregeln - trotz einer im Vergleich zu 2019 gestiegenen Zahl an Touristen in der Stadt „keine erhöhten Infektionszahlen zu verzeichnen waren“. (hau/27.05.2021)

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