+++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++

+++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++

Ausschüsse

Öffentliche Anhörung zu dem Entwurf eines Gesetzes der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zur „Modernisierung des Personenbeförderungsrechts“ BT-Drucksache 19/26175, zu dem Antrag der Fraktion der FDP „Update für das Personenbeförderungsgesetz - Chancen der Digitalisierung nutzen“ BT-Drucksache 19/26186 und zu dem Antrag der Fraktion DIE LINKE. „Keine Schlupflöcher für Uber & Co - Mietwagen wirksam regulieren“ BT-Drucksache 19/26173

Zeit: Montag, 22. Februar 2021, 14 Uhr bis 16 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus

Der Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD „zur Modernisierung des Personenbeförderungsrechts“ (19/26175) trifft bei Sachverständigen überwiegend auf Kritik. Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Verkehrsausschusses unter Leitung von Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) am Montag, 22. Februar 2021, deutlich. Die Koalitionsfraktionen wollen damit sowohl eine neue Form des Linienverkehrs innerhalb des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV), den sogenannten Linienbedarfsverkehr, als auch eine neue Form des Gelegenheitsverkehrs außerhalb des ÖPNV, den sogenannten gebündelten Bedarfsverkehr, einführen.

Zugleich sollen einzelne Regelungen zum Taxen- und Mietwagenverkehr angepasst werden. Die Änderungen seien dabei so ausgestaltet, „dass zwischen den unterschiedlichen Beförderungsformen ein fairer Ausgleich gewahrt bleibt und die Länder oder die nachgeordneten Kommunen entsprechende Steuerungsmöglichkeiten erhalten“, heißt es in dem Gesetzentwurf.

„Rückkehrpflicht auftragsloser Mietwagen beibehalten“

Sowohl Herwig Kollar, Vizepräsident des Bundesverbandes Taxi, als auch Christoph Weigler, Deutschlandchef des Mietwagenvermittlers Uber, hielten die Neuregelung für nicht ausreichend – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Taxi-Vertreter Kollar forderte eine klare Marktabtrennung, weil Taxi und Mietwagen ganz unterschiedliche Funktionen und Pflichten hätten. Es dürfe nicht sein, dass Taxis mit ihren ÖPNV-Pflichten und „unregulierte Mietwagen“ das gleiche Marktsegment bedienen.

Unbedingt beibehalten werden muss aus seiner Sicht die Rückkehrpflicht auftragsloser Mietwagen an ihre Betriebsstätten – vor allem um in Innenstädten der Ballungsgebiete zusätzlichen Verkehr zu vermeiden. Außerdem müssten die Kommunen eine vernünftige Vorausbuchungsfrist für die Mietwagen verhängen können, „dort wo sie gebraucht wird, um taxi-ähnlichen Mietwagenverkehr zu vermeiden“.

„Gesetzentwurf manifestiert Besserstellung von Taxis“

Uber-Vertreter Weigler lehnte Rückkehrpflicht und Vorbestellfrist hingegen ab. Der Gesetzentwurf manifestiere die Besserstellung von Taxis durch gesenkte Anforderungen, die Beibehaltung des Mehrwertsteuerunterschieds von zwölf Prozent zugunsten der Taxis und vermehrte Regulierungen bei Mietwagen wie Mindestpreise und Kennzeichnungspflichten, befand er. Die Rückkehrpflicht für Mietwagen nannte Weigler „sowohl ökologisch als auch ökonomisch schwer nachvollziehbar“.

Eine Vorbestellfrist würde den Belastungen noch die Krone aufsetzen, sagte der Uber-Deutschlandchef. Dies alles sei nicht im Sinne einer Verkehrswende, bei der es darum gehe, die Nutzung privater Pkw einzuschränken.

„Bessere Auslastung der Fahrzeuge durch mehr Preisflexibilität“

Zu viel reguliert wird durch den Gesetzentwurf aus Sicht von Prof. Dr. Justus Haucap vom Düsseldorf Institute for Competition Economics. Auch er hält das Festhalten an der Rückkehrpflicht bei Mietwagen für problematisch. Dies führe zu unnützen Leerfahrten. Offensichtlicher Zweck sei es, dadurch Fahrten mit Mietwagen künstlich zu verteuern, „um anderen Verkehrsmitteln künstliche Wettbewerbsvorteile zu verschaffen“.

Das gleiche gelte für eine etwaige Vorbestellfrist für Mietwagen. Haucap sprach sich für mehr Preisflexibilität aus. Damit könne auch eine bessere Auslastung der Fahrzeuge erreicht werden.

„Neue Verkehrsformen werden eher verhindert als gefördert“

Enttäuschend ist der Entwurf aus Sicht von Marion Jungbluth vom Verbraucherzentrale Bundesverband. Neue Verkehrsformen würden so eher verhindert als gefördert. Statt alles von Anfang an totzuregulieren, um alle Eventualitäten zu berücksichtigen, sollte aus Verbrauchersicht kurzfristiger auf eventuelle Fehlentwicklungen reagiert werden, forderte Jungbluth. „Nach der Novelle ist vor der Novelle“, müsse das Motto lauten.

Robert Henrich, CEO der MOIA GmbH, einem Ride-Pooling-Anbieter, der Fahrten bündelt und mehrere Fahrgäste mit gemeinsamem Fahrziel transportiert, sieht in dem Entwurf einen wichtigen Schritt, um den aktuellen Zustand der Rechtsunsicherheit zu beenden. Er müsse jedoch um drei Klarstellungen ergänzt werden: Zum einen müsse der Steuersatz für ÖPNV, Taxi und Ride-Pooling-Anbieter einheitlich sein. Auch müssten Regelungen zur Barrierefreiheit und zu Sozialstandards für alle Anbieter gleich sein, sagte Henrich. Zudem müsse das Recht, Pooling-Verkehre durchzuführen, der Verkehrsart Ride-Pooling vorbehalten sein.

„Mietwagenmarkt nicht ausreichend reguliert“

Abgelehnt wird der Gesetzentwurf von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Eigenwirtschaftliche Antragsteller dürften bei den Ausschreibungen von Verkehrsleistungen neben dem ohnehin eingeräumten Vorrang nicht einen doppelten Wettbewerbsvorteil auf Kosten der Beschäftigten tarifgebundener Unternehmen und auch der Kommunen erhalten, weil sie Sozialstandards nicht einhalten müssen, sagte Verdi-Vertreterin Mira Ball.

Für nicht ausreichend reguliert hält Jan Strehmann vom Deutschen Städte- und Gemeindebund den Mietwagenmarkt. Im Mietwagenbereich sei eine die Rückkehrpflicht bei Bedarf ergänzende Vorbestellfrist – unmittelbar auf der Ebene des Plattformbetreibers – sachgerecht, um den gebotenen Abstand zu den anderen Verkehrsformen zu wahren, befand er. Im aktuell geplanten Rechtsrahmen gebe es die konkrete Gefahr einer „Flucht in den Mietwagenmarkt“, der weder Beförderungs- und Tarifpflichten noch sonstige Vorgaben zur Verkehrseffizienz oder zur Barrierefreiheit zu erfüllen habe.

„Wettbewerb nicht auf dem Rücken der Beschäftigten führen“

Dr. Jan Schilling vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen sprach hingegen von einem guten Gesetzentwurf. Ein Verzicht auf die Neuregelung würde den Rückfall in eine Zeit ohne Rechtssicherheit für die Pooling-Verkehre mit sich bringen und die mangelnde Regulierung im Mietwagenbereich verlängern. Auch der Grundgedanke der kommunalen Steuerung ginge verloren, sagte Schilling. Er machte deutlich, dass der Wettbewerb um die Verkehrsleistung nicht auf dem Rücken der Beschäftigten geführt werden dürfe. Die positiven Tarifentwicklungen bei den öffentlichen, aber auch im Bereich der privaten Anbieter, zeigten vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels aber, dass dies nicht der Fall sei.

Einschneidende Lücken im Bereich der Barrierefreiheit enthält der Gesetzentwurf aus Sicht von Annerose Hintzke vom Sozialverband VdK Deutschland. Blinde und Sehbehinderte würden von den neuen Formen der Mobilität ausgeschlossen, kritisierte sie. Es brauche Barrierefreiheit sowohl bei den Informationen als auch bei den Bezahlvorgängen.

Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD

Der Entwurf von CDU/CSU und SPD „zur Modernisierung des Personenbeförderungsrechts“ (19/26175) dient dazu, sowohl eine neue Form des Linienverkehrs innerhalb des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV), den sogenannten Linienbedarfsverkehr, als auch eine neue Form des Gelegenheitsverkehrs außerhalb des ÖPNV, den sogenannten gebündelten Bedarfsverkehr, einzuführen.

Zugleich sollen einzelne Regelungen zum Taxen- und Mietwagenverkehr so geändert werden, dass zwischen den unterschiedlichen Beförderungsformen ein fairer Ausgleich gewahrt bleibt und die Länder oder die nachgeordneten Kommunen entsprechende Steuerungsmöglichkeiten erhalten, heißt es in dem Gesetzentwurf.

Plattformbasierte On-Demand-Mobilitätsdienste

Plattformbasierte On-Demand-Mobilitätsdienste besäßen das Potenzial, den motorisierten Individualverkehr in den Städten zu reduzieren und die Menschen in ländlichen Räumen mit effizienten und bezahlbaren Mobilitätsleistungen zu versorgen, schreiben die Fraktionen. Durch die reguläre Zulassung eines bedarfsgesteuerten Linienverkehrs werde den Verkehrsunternehmen eine zusätzliche Gestaltungsmöglichkeit des lokalen Angebots eingeräumt.

„Hierdurch sollen die Unternehmen in die Lage versetzt werden, nachhaltige, benutzerorientierte Mobilitätsangebote in Ergänzung zum klassischen Linienverkehr anzubieten und beispielsweise bislang schwach ausgelastete Linien effizienter bedienen zu können“, heißt es in der Vorlage.

Einführung eines „gebündelten Bedarfsverkehrs“

Um auch außerhalb des ÖPNV eine reguläre Genehmigungsfähigkeit neuer Bedienformen im Bereich geteilter Nutzungen (Ride Pooling) sicherzustellen, soll die neue Gelegenheitsverkehrsform des gebündelten Bedarfsverkehrs eingeführt werden. Dieser neuen Verkehrsform werde die Einzelsitzplatzvermietung ermöglicht, um Fahraufträge verschiedener Fahrgäste entlang ähnlicher Wegstrecken zu bündeln.

Digitalbasierte Angebote für gebündelten Bedarfsverkehr dürfen laut dem Gesetzentwurf ausschließlich den Bestellmarkt bedienen. Sie sollen nicht der Betriebs- und Beförderungspflicht unterliegen und grundsätzlich auch keine Pflicht zur Rückkehr zum Betriebssitz haben. „Um die öffentlichen Verkehrsinteressen vor Ort zu schützen, erhalten die Kommunen die notwendigen Steuerungsmöglichkeiten sowie die Möglichkeit, die von den neuen Angeboten zu erfüllenden Standards selbst festzulegen“, schreiben die Koalitionsfraktionen.

„Rückkehrpflicht für auftragslose Mietwagen“

Festgehalten werden soll an der Rückkehrpflicht für auftragslose Mietwagen zum Betriebssitz. Es solle jedoch die Möglichkeit geschaffen werden, die Rückkehrpflicht durch Festlegung weiterer Abstellorte ab einer bestimmten Distanz zum Hauptbetriebssitz näher auszugestalten.

Um das Taxigewerbe regulatorisch zu entlasten, wollen Unions- und SPD-Fraktion den zuständigen Genehmigungsbehörden die Möglichkeit einräumen, die Taxitarifpflicht für den Bestellmarkt durch Einführung eines kommunal festgelegten Tarifkorridors mit Höchst- und Mindestpreisen zu lockern sowie zu häufig frequentieren Zielen wie etwa Messen, Flughäfen und Bahnhöfen Streckentarife festzulegen. Gleichzeitig soll die Ortskundeprüfung für Taxifahrer abgeschafft und eine Pflicht zur Vorhaltung eines dem Stand der Technik entsprechenden Navigationsgeräts eingeführt werden.

Antrag der FDP

Für eine marktwirtschaftliche Ausrichtung und Öffnung des Taximarktes spricht sich die FDP-Fraktion aus. Ziel müsse es sein, das Taxigewerbe von preistreibenden und starren Regularien zu entlasten, heißt es im Antrag der Liberalen (19/26186). Darin wird von der Bundesregierung gefordert, im Zuge der Öffnung des Taximarktes die Tarifpflicht aufzuheben, „damit eine Preisregulierung durch den freien Wettbewerb stattfinden kann“.

Zugleich soll nach den Vorstellungen der FDP-Fraktion eine temporäre Beschränkung von unverhältnismäßigen Preisausschlägen nach oben in Form einer Preishöchstgrenze eingeführt werden, um verbraucherseitig Akzeptanz für die Preisflexibilisierung zu schaffen.

„Rechtsrahmen für Pooling-Angebote schaffen“

In dem Antrag wird außerdem gefordert, einen Rechtsrahmen zur unbürokratischen Genehmigung für Pooling-Angebote aller Art zu schaffen. „Sofern Pooling-Dienste einen vorab klar definierten und transparenten Kriterienkatalog erfüllen, ist ihnen die Zulassung zu gewähren“, schreiben die Abgeordneten. Sichergestellt werden müsse auch, dass Pooling-Anbieter sowohl auf dem Bestell- als auch auf dem Wink- und Wartemarkt ihre Personenbeförderungsdienstleistung anbieten dürfen.

Aus Sicht der FDP soll auch künftig das Taxi nicht mehr als öffentliches Verkehrsmittel definiert werden. Folglich sei auch die Nutzung von Busspuren in der Straßenverkehrsordnung auf alle kommerziellen Pooling-Fahrten auszuweiten, um Wettbewerbsverzerrungen abzubauen und ein Level-Playing-Field zu schaffen, heißt es in der Vorlage.

Antrag der Linken

Die Fraktion Die Linke dringt auf eine Regulierung der sogenannten Pooling-Dienste (Sammeltaxis), die ihrer Auffassung nach ausschließlich als Teil beziehungsweise zur Ergänzung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) zugelassen werden sollen. In ihrem Antrag (19/26173) wird auf die von den Koalitionsfraktionen vorgesehene neue Kategorie des gebündelten Bedarfsverkehrs Bezug genommen, die nach den Vorstellungen der Linksfraktion nicht gesetzlich eingeführt werden sollte. Zudem verlangen die Abgeordneten verbindliche Beförderungsentgelte für Mietwagen, wie sie für den gebündelten Bedarfsverkehr vorgesehen sind.

Die Bestimmungen zur Barrierefreiheit für Taxen und für den gebündelten Bedarfsverkehr sollen dem Antrag zufolge dahingehend geändert werden, „dass alle Mobilitätsanbieter dazu verpflichtet werden, durch die Bereitstellung einer ausreichenden Anzahl an barrierefreien Fahrzeugen ihren Fahrgästen jederzeit eine barrierefreie Beförderung ermöglichen zu können“. Dies solle auch für Mietwagen gelten.

„Soziale Standards festsetzen“

Des Weiteren fordert die Fraktion, soziale Standards im Mietwagengewerbe und bei gebündelten Bedarfsverkehren festzusetzen, damit sichergestellt wird, dass das Personal der Bedarfsverkehre zu den gleichen Lohn- und Arbeitsbedingungen beschäftigt wird wie das Personal des ÖPNV. Diese Standards sollen durch die Genehmigungsbehörden ergänzt werden können.

Aus Sicht der Linken wird der Gesetzentwurf von Union und SPD den Erfordernissen einer ökologisch-sozialen Verkehrswende, die Mobilität für alle gewährleisten und die Umweltbelastungen minimieren muss, nicht gerecht. „Er löst keines der Probleme im Bereich prekärer Entlohnung und Verletzung arbeits-, sozial- sowie steuerrechtlicher Vorschriften im bisherigen Mietwagengewerbe“, heißt es. Vielmehr würde ein solches Gesetz die Kommunen bei der Umsetzung massiv überfordern und zu zahlreichen Rechtsstreitigkeiten führen.

Durch den Gesetzentwurf würde es nach Auffassung der Linken privaten Mobilitätsdienstleistern weiterhin ermöglicht, „Rosinenpickerei“ auf besonders gut frequentierten Strecken beziehungsweise Gebieten und zu Tageszeiten mit großer Nachfrage zu betreiben und damit die Angebote des klassischen ÖPNV und der Taxen zu gefährden. (hau/22.02.2021)

Marginalspalte