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Ausschüsse

Erklärung zur Lage der Menschenrechte in Saudi-Arabien aus Anlass des G20-Gipfels vom 18. November 2020

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe des Deutschen Bundestages nimmt den digitalen G20-Gipfel, der im Rahmen der Saudi-Arabischen Präsidentschaft der G20 stattfindet, zum Anlass, seine tiefste Sorge über die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien auszudrücken.

Die nur sehr selektiven sozialen Reformen des Landes mit u.a. der begrenzten, überwiegend ökonomischen Zwängen geschuldeten Liberalisierung von Frauenrechten wird durch die massive politische Repression und Verfolgung von Dissidenten, die auf Einhaltung der Menschenrechte und demokratischen Reformen beharren, konterkariert. Ein gesellschaftlicher Diskurs zur Öffnung des Landes findet in keiner Weise statt und wird stattdessen brutal unterdrückt. 

Die saudische Verfassung geht von einer strikt fundamentalistischen Interpretation der Scharia aus, die unter islamischen Gelehrten hoch umstritten ist, und ordnet die Menschenrechte dieser Ideologie  unter. Saudi-Arabien stellt alle von ihm ratifizierten Konventionen der Vereinten Nationen (VN) unter diesen spezifischen Scharia-Vorbehalt. 
Den internationalen Pakt für bürgerliche und politische Rechte hat Saudi-Arabien nicht akzeptiert. Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe fordert die saudische Regierung daher nachdrücklich zur Anerkennung der allgemein und universell gültigen Menschenrechte auf. 

Dazu zählt u.a. die Abschaffung von Todes- und Körperstrafen. Saudi-Arabien gehört zu den Ländern, die weltweit die meisten Todesurteile vollstrecken. Die Zahl hat seit 2014 signifikant zugenommen. Im Jahr 2019 wurden mindestens 186 Menschen hingerichtet. Unter den geltenden und strikt angewandten Konversionsgesetzen können der Wechsel des Glaubens und der sog. Abfall vom Glauben „Apostasie“ mit dem Tode bestraft werden. Auch Kinder fallen unter diese Gesetzgebung. Trotz der Ankündigung von Reformen u.a. zur Abschaffung der Todesstrafe für zur Tatzeit Minderjährige werden Hinrichtungen hier weiterhin durchgeführt. Vermeintliche Geständnisse für nicht begangene Straftaten werden noch immer regelmäßig unter Folter erzwungen. Die Haftbedingungen in saudischen Gefängnissen verstoßen gegen menschenrechtliche Standards. 

Der Ausschuss verurteilt diese drastischen Verletzungen der grundlegenden Menschenrechte und hier vor allem die Verhängung und Vollstreckung der Todesstrafe auf das Schärfste.

Mit den im Jahr 2017 verabschiedeten Antiterrorgesetzen wurden Gerichten Kompetenzen entzogen und die Definition der Terror-Straftatbestände willkürlich erweitert. Vor allem gegen Menschen- und Bürgerrechtler wird mit brutaler Härte vorgegangen, darunter auch gegen islamische Reformer, die sich für eine auf einer zeitgemäßen Interpretation der Scharia aufbauende Modernisierung des Landes einsetzen. 

Das Menschenrecht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit wird so stark eingeschränkt, dass es faktisch nicht existent ist. Der in Saudi-Arabien praktizierte Wahhabismus ist eine fundamentalistische und in der Mehrheit der islamischen Länder umstrittene Interpretation des sunnitischen Islam und bildet als Staatsreligion die zentrale juristische Grundlage der saudischen Staatsordnung.

Andere Religionen werden weder anerkannt noch dürfen die Gläubigen sie praktizieren. Religiöse Symbole sind unter harten Strafandrohungen verboten. Die Errichtung christlicher Kirchen und anderer Gotteshäuser bleibt verboten. Die Repression und alltägliche Diskriminierung der muslimischen Minderheit der ca. 10 Prozent Schiiten in Saudi-Arabien sind weiteres Merkmal des saudischen Staates 2020. 

Weitere Minderheitenrechte sind massiv eingeschränkt bis nicht existent, wozu u.a. auch Rechte sexueller Minderheiten (LGBTI-Personen) zählen. Auch werden insbesondere die Rechte von Frauen in Saudi-Arabien trotz einiger Reformen noch immer massiv unterdrückt. So schränkt das Vormundschaftsrecht die Unabhängigkeit und Freiheit von Frauen weiterhin stark ein. Und gerade diejenigen Frauenrechtsaktivistinnen, die - wie Loujain Al-Hathloul, Samar Badawi, Nassima Al-Sada, Nouf Abdulaziz und Maya'a Al-Zahrani- für mehr Rechte kämpfen, werden wegen ihres Einsatzes für die Rechte von Frauen inhaftiert, misshandelt und gefoltert. Diese Inhaftierungen lassen sehr große Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Reform- und Modernisierungsprozesses in Saudi-Arabien aufkommen.

Die Presse- und Meinungsfreiheit wurde in den vergangenen Jahren der selektiven sozialen Lockerungen weiter stark eingeschränkt. Kritische Stimmen werden massiv unterdrückt, Andersdenkende verfolgt und willkürlich verhaftet. Allein seit 2017 wurde die Verhaftung von über 200 zivilgesellschaftlichen Aktivistinnen und Aktivisten bekannt, darunter Medienschaffende, Menschenrechtsverteidiger und andere. Die Dunkelziffer wird deutlich höher eingeschätzt. 
Der international prominente Fall des Menschenrechtsverteidigers und Bloggers Raif Badawi, der im Jahr 2014 wegen seines Einsatzes für Meinungsfreiheit zu zehn Jahren Haft und zudem zutiefst archaisch zu 1000 Stockhieben verurteilt wurde, gilt als Beispiel für das unangemessen harte und menschenrechtsverletzende Vorgehen des saudischen Regimes gegen jedwede Kritik und den Einsatz für Menschenrechte. Aktuell befinden sich Angaben von Nichtregierungsorganisationen zufolge 34 Journalistinnen und Journalisten und 5 Frauenrechtsverteidigerinnen unschuldig in Haft. 

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe des Deutschen Bundestages fordert die saudische Regierung auf, alle politischen Gefangenen unmittelbar und ohne Auflagen freizulassen sowie jede Verfolgung gegen Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger sofort einzustellen. 
Die maßgeblichen Täter der abscheulichen Ermordung des saudischen Journalisten und islamischen Reformers Jamal Khashoggi im Oktober 2018 während eines Besuchs im saudischen Konsulat in der Türkei sind nach wie vor auf freiem Fuß. Die VN-Sonderberichterstatterin für außergerichtliche, standrechtliche oder willkürliche Hinrichtungen, Agnès Callamard hat mit ihrem 2019 an den VN-Menschenrechtsrat übermittelten Bericht Indizien vorgelegt, die auf ein Staatsverbrechen schließen lassen und weitreichende Vorwürfe gegen die saudische Regierung und Kronprinz Mohamed Bin Salman erhoben. Der Bericht blieb bislang folgenlos. Während in einem vom Regime inszenierten Prozess acht von elf Angeklagten verurteilt wurden, wurden mit dem Mord und dem Kronprinz eng in Verbindung stehende hochrangige Staatsbeamte freigesprochen. 
Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe begrüßt ausdrücklich, dass Saudi-Arabien nicht erneut als Mitglied des VN-Menschenrechtsrates, anlässlich der im Oktober 2020 teilweisen Neubesetzung, bestätigt wurde. 
Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe des Deutschen Bundestages fordert die saudische Regierung auf, die allgemein gültigen Menschenrechte im Land zu achten. 
 

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