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Ausschüsse

Öffentliche Anhörung „Wohngeldstärkungsgesetz“

Zeit: Mittwoch, 25. September 2019, 10.30 Uhr
Ort: Berlin, Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, Sitzungssaal 3.101

Die von der Bundesregierung geplante Dynamisierung beim Wohngeld hat die Zustimmung von Experten gefunden. Allerdings fordern sie mehrheitlich eine automatische Anpassung in jedem und nicht in jedem zweiten Jahr. Dies zeigte sich bei einer Anhörung zum Gesetzentwurf zur Stärkung des Wohngeldes (19/10816, 19/11696) im Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen unter der Leitung von Mechthild Heil (CDU/CSU). Bei der Sitzung ging es auch um zwei Anträge der Fraktionen von FDP (19/11107) und Die Linke (19/10752).

Das Wohngeld sei zuletzt zum Jahresbeginn 2016 angepasst worden, begründet die Bundesregierung ihren Vorstoß. Nun soll das Leistungsniveau zum 1. Januar 2020 angehoben werden. Die Reichweite soll so ausgeweitet werden, dass die Zahl der Empfänger im nächsten Jahr nicht nur rund 480.000 Haushalte umfasst, wie es ohne Reform der Fall wäre, sondern circa 660.000 Haushalte.

Forderungen von FDP und Die Linke

Die FDP-Fraktion fordert, das Wohngeld mit weiteren steuerfinanzierten Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld II, Kosten der Unterkunft und Heizung sowie Kinderzuschlag zu einer einheitlichen Sozialleistung zusammenzuführen.

Die Linke dringt auf eine stärkere Wohngelderhöhung und will, dass Anspruchsberechtigte künftig nicht mehr als 30 Prozent ihres Haushaltsnettoeinkommens für die Bruttowarmmiete oder für die Belastung durch Wohneigentum ausgeben müssen.

Vereinfachungen und Harmonisierungen

Dr. Kerstin Bruckmeier vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit bewertete die FDP-Vorstellungen als positiv. Sie mahnte an, es sei eine verbesserte Abstimmung zwischen den bedarfsgeprüften Leistungen Arbeitslosengeld II, Wohngeld und Kinderzuschlag notwendig - und zwar nicht nur mit Blick auf die Arbeitsanreize, sondern auch zur Reduzierung der Kosten für die Inanspruchnahme. Um Bürokratiekosten zu senken und die Transparenz für die Betroffenen zu erhöhen, seien sozialrechtliche Vereinfachungen und Harmonisierungen bei Leistungen und Anspruchsprüfungen erforderlich.

Ingeborg Esser vom Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) begrüßte die Dynamisierungsregelung als einen ersten und wichtigen Schritt. Sie verwies auf einen „Drehtüreffekt“: Viele Haushalte müssten durch die fehlende Anpassung des Wohngeldes in andere Leistungssysteme wechseln. Eine Klimakomponente müsse in die Berechnungen des Niveaus einfließen, wenn die Details über Maßnahmen der Regierung bekannt seien. Bis dahin sollten zumindest die Heizkosten berücksichtigt werden.

Wohngeld und soziale Wohnungspolitik

Auch Dr. Birgit Fix vom Deutschen Caritasverband hob die beabsichtigte regelhafte Dynamisierung des Wohngeldes hervor. Dadurch müssten steigende Wohnkosten nicht zum Anspruchsverlust oder zum Systemwechsel führen. Sie begrüßte die vorgesehene Anhebung der Höchstbeträge für Mieten und Belastungen nach Mietstufen sowie die Einführung einer neuen Mietstufe VII grundsätzlich, bezweifelte jedoch, dass die Obergrenzen das Mietniveau realistisch abbilden. Auch sie forderte die Einführung einer Heizkostenkomponente, durch welche die entsprechenden Preisentwicklungen transparent nachvollziehbar würden.

Dr. Maximilian Fuhrmann vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) begrüßte die Stärkung des Wohngeldes als wichtiges sozialpolitisches Instrument, das verhindere, dass Menschen in die Grundsicherung abrutschen. Um diesem Abrutschen wirksamer präventiv begegnen zu können, sei aber eine Entschärfung der Anrechnung von Erwerbseinkommen beim Wohngeld vonnöten. Außerdem sei die öffentliche Hand gefordert, den Bestand an preisgebundenen Wohnungen stark zu erhöhen. Dafür müssten Bund und Länder jedes Jahr gemeinsam sieben Milliarden Euro an Fördergeld bereitstellen. Zudem sei es erforderlich, den Mietmarkt stärker zu regulieren. Wohngeld sei kein Ersatz für eine soziale Wohnungspolitik.

Reichweite des Wohngeldes

Gerold Happ von Haus & Grund Deutschland sprach angesichts der Wohnungsmarktsituation von einer dringend gebotenen Reform. Sie sei ein wichtiger Schritt, um das Leistungsniveau zu stärken und die Reichweite des Wohngeldes dauerhaft zu erhöhen. Das Wohngeld sei eine sozial- und marktgerechte Option. Demgegenüber hätten die bisher im Fokus stehenden Änderungen im Mietrecht das Potenzial, dem Mietwohnungsmarkt in Deutschland zum Nachteil von Mietern und Vermietern einen ernsthaften Schaden zuzufügen. Das Wohngeld wird nach seiner Darstellung von den Berechtigten noch viel zu wenig genutzt.

Für Dr. Ralph Henger vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln) stellt die angepeilte Reform eine sinnvolle Verbesserung der Wohngeldleistungen dar. Die Parameter des Wohngeldes würden sachgerecht an die Veränderungen im deutschen Wohnungsmarkt seit der letzten Reform 2016 angepasst. Besonders positiv hervorzuheben sei die beabsichtigte automatische Anpassung des Wohngeldes an die Entwicklung der Verbraucherpreise und Mieten. Er kritisierte indes, dass die bestehenden Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen der Grundsicherung und dem Wohngeld bestehen blieben.

Aspekte der Dynamisierung

Sebastian Klöppel begrüßte für die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände die vorgesehene Erhöhung des Leistungsniveaus beim Wohngeld und insbesondere die Dynamisierungsregelung. Dadurch könne dem entgegengewirkt werden, dass wohngeldbeziehende Haushalte wie bislang nach und nach wieder in die anderen Sozialsicherungssysteme abgewandert seien. Durch die Dynamisierung werde allerdings nur die Schwächung des Wohngelds verhindert, nicht aber eine echte Stärkung erreicht.

Franz Michel vom Verbraucherzentrale Bundesverband begrüßte die vorgesehene Stärkung des Wohngeldes, da die Zahl der Empfänger seit der letzten Reform 2016 stark zurückgegangen sei. Er plädierte dafür, das geplante Gesetz an den aktuellen Gegebenheiten des Immobilienmarktes und den jährlichen Entwicklungen der Einkommens- und Verbraucherpreise auszurichten. Ansonsten drohe die Reform nach kurzer Zeit zu verpuffen. Er drängte zudem darauf, dynamische Heizkosten- und Energiekostenkomponenten sowie eine Klimakomponente im Rahmen energetischer Sanierungen einzuführen.

Für Lukas Siebenkotten vom Deutschen Mieterbund ist die von ihm ausdrücklich begrüßte Wohngeldreform längst überfällig. Klarzustellen sei, dass der Gesetzentwurf keine echte Stärkung des Wohngeldes beinhalte. Vielmehr werde allenfalls angestrebt, die Entlastungswirkung des Wohngeldes - Stand 2016 - wiederherzustellen und die systembedingte Negativwirkung seit der letzten Wohngeldreform abzufangen. Ob das allerdings mit dem Gesetzentwurf wirklich erreicht werde, sei infrage zu stellen. Die Berücksichtigung der Heizkosten wäre für ihn ein kurzfristiger Ansatz, in einer Klimakomponente einzusteigen. Auf Dauer müssten aber auch Mietaufschläge wegen energetischer Sanierung berücksichtigt werden.

Gesetzentwurf der Bundesregierung

Seit der letzten Erhöhung des Wohngeldes zum 1. Januar 2016 sind Wohnkosten und Verbraucherpreise deutlich gestiegen und würden voraussichtlich weiter steigen, heißt es in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung. Zusätzlich würden Einkommenssteigerungen, die nur den Anstieg der Verbraucherpreise ausgleichen, den Anspruch auf Wohngeld verringern. Um dem entgegenzusteuern, will die Regierung die Parameter der Parameter der Wohngeldformel ändern. Dadurch solle die Zahl der Wohngeldempfänger steigen. Eine Anpassung an die allgemeine Entwicklung von Mieten und der nominalen Einkommen in Höhe der Inflation sei dabei berücksichtigt.

Vorgesehen ist, die Mietenstufe VII in bestimmten Gemeinden und Kreisen einzuführen, um Haushalte mit besonders hohen Mietniveaus gezielter bei den Wohnkosten zu entlasten. Außerdem werden die Höchstbeträge, bis zu denen die Miete berücksichtigt wird, regional gestaffelt angehoben. Zudem soll das Wohngeld künftig dynamisiert werden, das heißt, alle zwei Jahre per Verordnung an die eingetretene Miet- und Einkommensentwicklung angepasst werden.

In der Begründung des Gesetzentwurfs heißt es, ohne eine Reform würde die Zahl der Wohngeldempfängerhaushalte von rund 630.000 Ende 2016 auf voraussichtlich 480.000 Ende 2020 absinken. Im Hinblick auf den Anstieg der Erst- und Wiedervermietungsmieten sei eine Stärkung des Leistungsniveaus und der Reichweite des Wohngelds über eine reine Realwertsicherung hinaus erforderlich, denn zwischen 2015 und 2017 seien die Erst- und Wiedervermietungsmieten um durchschnittlich zehn Prozent auch stärker gestiegen als die Nominallöhne mit fünf Prozent.

Stellungnahme des Bundesrates

In seiner Stellungnahme (19/11696) zum Gesetzentwurf begrüßt der Bundesrat die Entlastung für Haushalte mit niedrigem Einkommen bei den Wohnkosten. Gleichzeitig verweist er auch auf die hohen Belastungen für die Länder und plädiert dafür, dass die finanziellen Auswirkungen des Gesetzes vom Bund alleine getragen werden sollen. In der Begründung heißt es, dass mit der Umsetzung des Wohngeldstärkungsgesetzes „eine Umschichtung der Kosten auf die Länder vorgenommen wird und sich gleichzeitig für Bund und Kommunen positive Effekte einstellen“. Letztere würden in den Bereichen der Grundsicherung nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB II und SGB XII) eine Entlastung erfahren. Daher solle die Beteiligungsquote des Bundes am Wohngeld erhöht werden.

In ihrer ebenfalls in der Unterrichtung enthaltenen Gegenäußerung lehnt die Bundesregierung den Vorschlag des Bundesrates ab. „Die hälftige Aufteilung der Wohngeldausgaben zwischen Bund und Ländern hat sich im Verwaltungsvollzug bewährt“, zudem seien seit der Wohngeldreform 2016 etliche Personen aus dem Wohngeld in die Grundsicherung gewechselt, was wiederum zu Einsparungen beim Wohngeld für Bund und Länder geführt habe.

Antrag der FDP

Die FDP-Fraktion möchte mit einem „liberalen Bürgergeld“ eine transparente und leistungsorientierte Grundsicherung schaffen. Darin sollen ein „gestärktes“ Wohngeld und andere steuerfinanzierte Leistungen zusammenfließen. Zur Begründung verweisen die Abgeordneten auf Schwierigkeiten bei der bisherigen Wohngeldregelung. Auch seien andere Sozialleistungen schlecht aufeinander abgestimmt, sodass sich für bestimmte Zielgruppen eine Lohnerhöhung oder längeres Arbeiten kaum auszahle.

Die Abgeordneten fordern die Bundesregierung dazu auf, das Instrument eines Bürgergeldes zu schaffen. Dazu solle es eine unbürokratische Einkommensüberprüfung geben, indem mit Zustimmung der Betroffenen die Informationen vom Arbeitgeber freiwillig übertragen werden können, heißt es weiter.

Antrag der Linken

Eine Ausweitung des Wohngelds fordert Die Linke. Die vielfach stark gestiegenen Mieten hätten sich von den Einkommen entkoppelt, erklären die Abgeordneten. Zugleich fehlten Millionen Sozialwohnungen. Die von der Bundesregierung geplante Wohngelderhöhung reiche nicht aus.

Nach den Vorstellungen der Fraktion sollen Anspruchsberechtigte künftig nicht mehr als 30 Prozent ihres Haushaltsnettoeinkommens für die Bruttowarmmiete oder für die Belastung durch Wohneigentum in einer angemessen großen und ausgestatteten Wohnung ausgeben müssen. Der Anspruch aus Wohngeld solle ausgeweitet werden mit Einkommensgrenzen, die sich an den Bemessungsgrenzen für Wohnberechtigungsscheine orientieren. Die Abgeordneten plädieren zudem für eine Klimakomponente, die den Anspruch in energetisch sanierten Wohnungen anpasst. (fla/25.09.2019)

Liste der geladenen Sachverständigen

  • Dr. Kerstin Bruckmeier, Leiterin der Forschungsgruppe „Grundsicherungsbezug und Arbeitsmarkt“, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit (BA)
  • Ingeborg Esser, Hauptgeschäftsführerin, GdW – Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e. V.
  • Dr. Birgit Fix, Referentin für Armutsbekämpfung, Arbeitsmarktpolitik und Überwindung sozialer Ausgrenzung, Deutscher Caritasverband e. V.
  • Dr. Maximilian Fuhrmann, Referatsleiter Wohnungs- und Verbraucherpolitik, Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)
  • Gerold Happ, Mitglied der Bundesgeschäftsführung, Haus & Grund Deutschland e. V.
  • Dr. Ralph Henger, Senior Economist für Wohnungspolitik und Immobilienökonomik, Institut der deutschen Wirtschaft e. V. (IW Köln)
  • Sebastian Klöppel, Referent, Deutscher Städtetag (für die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände)
  • Franz Michel, Geschäftsbereich Verbraucherpolitik, Verbraucherzentrale Bundesverband e. V.
  • Lukas Siebenkotten, Präsident, Deutscher Mieterbund e. V.

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