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21.02.2013 Auswärtiger Ausschuss (Anhörung) — hib 090/2013

Gemischte Bilanz zur Sicherheitspolitik der EU

Berlin: (hib/AHE) Sachverständige ziehen eine gemischte Bilanz der Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union: Trotz positiver Ansätze seit dem Vertrag von Lissabon fehle den EU-Mitgliedern der Wille, mit einer gemeinsamen Stimme in außen-, sicherheits- und rüstungspolitischen Fragen zu sprechen. Der Auswärtige Ausschuss hatte am Mittwoch fünf Experten zu einer öffentlichen Anhörung zur Fortentwicklung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) eingeladen. Im Dezember 2013 wollen sich Europas Staats- und Regierungschef bei einem EU-Gipfel diesem Thema widmen.

Der Sachverständige Nils Annen von der Friedrich-Ebert-Stiftung machte als eine wesentliche Ursache für schleppende Umsetzung der GSVP die Krise der Eurozone aus: Diese absorbiere derzeit nicht nur „das gesamte politische Kapital“ , sondern habe die Attraktivität des europäischen Modells insgesamt beeinträchtigt und damit letztlich auch die Handlungsfähigkeit einer europäischen Außenpolitik eingeschränkt. Statt gemeinsam mit einer Stimme zu sprechen, gebe es eine „Tendenz zur Renationalisierung“, sagte Annen und verwies zum Beispiel auf Deutschland, dass vor allem als eigenständige Stimme auf internationalem Parkett wahrgenommen werde und etwa auch durch Regierungskonsultationen mit China und Indien auf eigene bilaterale Formate setze.

Ulrike Guérot vom „European Council on Foreign Relations“ machte deutlich, dass bei der Bewältigung aktueller Krisen wie in Libyen 2011 oder jetzt in Mali die GSVP kaum zum Tragen komme oder in ihrem Rahmen die Initiative ergriffen würde. Die mit dem Lissabon-Vertrag verbundenden Hoffnungen auf einen Durchbruch hin zu einer wirklich gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU hätten sich nicht erfüllt. Den Mitgliedstaaten fehlten Einsicht und Willen, Souveränität im Rahmen der GSVP abzugeben, um die eigene Souveränität auf internationaler Bühne überhaupt behaupten zu können. Zum anderen fehle Akteuren wie der Hohen Vertreterin der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Catherine Ashton, politischer Gestaltungswille: Sie sehe ihre Aufgabe eher in der Koordinierung der Interessen der EU-Mitglieder als darin, mit politischen Initiativen voranzugehen, sagte Guérot.

Claude-France Arnould, Chief Executive der Europäischen Verteidigungsagentur (EVA), hielt dem entgegen, dass dies - zumindest für ihre Behörde - nicht der Auftrag sei: Die EVA sei „Katalysator“ sicherheitspoltischer und militärischer Zusammenarbeit, sie koordiniere und unterstütze die Mitgliedstaaten bei der Ausbildung ihrer militärischen Fähigkeiten. Verteidigungsaufgaben blieben im Kern jedoch Ausdruck der Souveränität der Mitgliedsländer - jedenfalls solange diese nicht beschließen, zu einer gemeinsamen Verteidigung zu kommen. „Wenn Kooperation und Souveränität sich gegenüberstehen, heißt das nicht, dass sie nicht kompatibel sind“, sagte Arnould. Sie verwies unter anderem auf eine Einigung der europäischen Verteidigungsminister im November 2012 zum „Pooling und Sharing“, also einer abgestimmten Arbeitsteilung durch Spezialisierung innerhalb der europäischen Armeen, die durchaus Ausdruck eines gemeinsamen Willens sei.

Christian Mölling von der Stiftung Wissenschaft und Politik konstatierte, dass sich die Europäische Union von einer Integrations- in eine „Interventionsgemeinschaft“ entwickelt habe, die außerhalb ihrer Grenzen gestaltend eingreife. Dies habe Rückwirkungen auf das Verständnis von Souveränität: Handlungsfähigkeit der europäischen Einzelstaaten sei in internationalen sicherheitspolitischen Fragen immer stärker nur noch dann gegeben, wenn sie gemeinsam handelten.

Gerade in der Verteidigungs- und auch Rüstungspolitik würden die EU-Mitglieder immer noch an nationalen Entscheidungen festhalten, bei Kriseneinsätzen ad-hoc-Koalitionen bilden oder den Rahmen der Nato vorziehen, sagte Mölling. Die Uneinigkeit habe zur Folge, dass die militärische Handlungsfähigkeit Europas sinke und die Abhängigkeit der Einzelstaaten voneinander sogar noch steige. Er verwies zudem darauf, dass zwar derzeit 50.000 Soldaten aus EU-Staaten in internationalen Einsätzen seien, aber nur 3.000 im Rahmen von GSVP-Missionen.

Jürgen Wagner von der Tübinger Informationsstelle Militarisierung (IMI) wehrte sich gegen den Eindruck, die GSVP sei mit bisher 30 Missionen und „EU-Battlegroups“ ein „Papiertiger“. Er kritisierte, dass es in der Diskussion um eine Fortentwicklung des GSVP allzu häufig um eine „Ausweitung militärischer Fähigkeiten“ gehe: Begründet werde dies mit machtpolitischen Verschiebungen wie der Hinwendung der USA zum pazifischen Raum und der Notwendigkeit für Europa, zunehmend auf eigenen Füßen zu stehen. Die zivile Dimension GSVP und auch die Frage, ob militärische Mittel überhaupt die angemessene Antwort auf Konflikte seien, drohe in dieser Diskussion unterzugehen, sagte Wagner.

Umstritten war unter den Sachverständigen die Bewertung des deutschen Parlamentsvorbehalts bei Einsätzen der Bundeswehr: Wagner warnte davor, dass das Konzept des „Pooling und Sharing“ Sachzwänge und Abhängigkeiten bringe, die die „Axt an den deutschen Parlamentsvorbehalt“ legen würden. Die Sachverständige Ulrike Guérot betonte - ebenso wie Christian Mölling in seiner schriftlichen Stellungnahme -, dass im europäischen Ausland bei bevorstehenden Einsätzen die Frage auftauche, inwiefern man auf Deutschland als Partner zählen könne. Nils Annen stellte in seiner schriftlichen Stellungnahme hingegen klar, dass nicht die Beteiligung des Parlaments, sondern „mangelnde politische Führung“ einer Weiterentwicklung des GSVP im Wege gestanden hätte. Die Befassung des Bundestags unterscheide sich bei Bundeswehreinsätzen von üblichen Gesetzgebungsprozessen, ein Antrag der Bundesregierung könne durch das Parlament nicht modifiziert werden. Der Bundesregierung stehe ein „weitaus größerer politischer Spielraum zur Verfügung, als vielfach öffentlich wahrgenommen wird“, argumentierte Annen.

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