Experten lehnen Einführung eines besonderen Straftatbestands „Genitalverstümmelung bei Frauen“ mehrheitlich ab
Berlin: (hib/JBB) Soll die Genitalverstümmelung bei Frauen als besondere Straftat in das Strafgesetzbuch aufgenommen werden? Um diese Frage ging es am Mittwoch in einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses. Hierbei waren sich die eingeladenen Experten uneinig, lehnten die vorgebrachten Gesetzesentwurfe jedoch mehrheitlich ab. Über die Strafwürdigkeit der Genitalverstümmelung herrschte jedoch Konsens. Grundlage der Diskussion waren Gesetzesentwürfe des Bundesrates (17/1217), der SPD (17/12374) und von Bündnis 90/Die Grünen (17/4759). Die Entwürfe sehen vor,
Verstümmelung der äußeren Genitalien einer Frau durch Beschneidung als schwerwiegende Körperverletzung einzustufen und mit Gefängnis nicht unter zwei Jahren zu bestrafen. In minder schweren Fällen soll das Gericht Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren verhängen, so der Entwurf des Bundesrates. Der Vorschlag der Grünen würde die Höchststrafe auf bis zu 15 Jahre hochsetzen, momentan beträgt er zehn Jahre.
Bernd Carstensen, Stellvertretender Vorsitzender des Bundes Deutscher Richter, wies auf die Schwierigkeiten bei der praktischen Strafverfolgung hin. Ihm sei kein Fall bekannt, in dem es konkret um Genitalverstümmelung bei Frauen ginge. Als Problem sah er die Weitergabe der Informationen, falls eine Genitalverstümmelung festgestellt werde. Das könnten nur Ärzte und diese unterlägen der Verschwiegenheitspflicht. Hier müsse eine rechtliche Lösung gefunden werden. Ulrich Franke, Richter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe pflichtete ihm bei: Aufgrund des Problematik bei der Strafverfolgung sei der Zweck der Gesetzesentwürfe, eine Stärkung des Unrechtsbewusstseins, nicht möglich. Die Straftat spiele zudem in der Praxis keine Rolle und auch die bisherigen Strafen für Körperverletzung seien ausreichend. Man solle es bei den bisherigen Regelungen belassen. Diese Sicht teilte Ralf Wehowsky, Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Stephan Beichel-Benedetti, Richter am Amtsgericht Heidelberg, wies darauf hin, dass die Einführung des Straftatbestand „Genitalverstümmelung“ Folgen das Ausländerrecht und Familienrecht habe. Die Täter und Opfer seien oftmals Ausländer und die Opfer zum überwiegenden Teil noch Kinder. Eine Strafverfolgung habe Auswirkungen auf die Familiensituation der Opfer. Im schlimmsten Fall würden die Eltern abgeschoben und das Kind komme ins Heim.
Für die Gesetzesänderung sprach sich hingegen Helmut Fünfsinn, Leiter der Strafrechtsabteilung des hessischen Justizministeriums, aus. Der Straftatbestand der Genitalverstümmelung werde benötigt, gerade weil es sich dabei um eine „symbolische Gesetzgebung“ handele. Die Problematik lasse sich nicht allein durch Bestrafung bekämpfen, sondern nur durch Prävention. Durch die Schaffung eines Straftatbestandes ließen sich präventive Ideen jedoch besser umsetzen und er verwies dabei auf das Beispiel der Zwangsverheiratung. Ebenso für die Gesetzesentwürfe sprach sich Klaus Hoffmann-Holland von der Freien Universität Berlin aus. Die Systematik im Strafgesetzbuch decke den Straftatbestand bisher nicht komplett ab. Die Paragrafen, die sich mit dem Straftatbestand der Körperverletzung beschäftigen, griffen zu kurz oder behandelten die falsche Deliktart. Edward Schramm von der Friedrich-Schiller Universität Jena sprach sich für die Annahme des Gesetzesentwurfes der Grünen aus. Die gesetzessystematische Verankerung in Paragraf 226 Strafgesetzbuch sei richtig. Der Begriff der „Beschneidung“ sei allerdings bagatellisierend, der Begriff „Verstümmelung“ sei passender. Dirk Wüstenberg, Rechtsanwalt aus Offenbach, forderte, die Gesetzentwürfe breiter zu fassen und zu ändern. Man solle sich von den Definition von Genitalverstümmelung der Weltgesundheitsorganisation WHO lösen, die allen Gesetzesentwürfen zu Grunde liegt.
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