Keine Absage an Datenspeicherung
Berlin: (hib/KOS) Gescheitert sind im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Linke und Grüne mit dem Versuch, einen Verzicht auf die umstrittene Erfassung von Telekommunikationsdaten durchzusetzen. Union und SPD lehnten am Mittwoch mit ihrer Mehrheit entsprechende Anträge der Linken (18/302) und der Grünen (18/381) gegen das Votum der beiden Oppositionsparteien ab. Die Abstimmung fand ohne Debatte über die Vorstöße der beiden kleinen Fraktionen statt.
Bei der Vorratsdatenspeicherung werden die Telekommunikationsanbieter verpflichtet, für einen bestimmten Zeitraum bei sämtlichen Bürgern ohne Verdacht auf eine Straftat umfassend zu registrieren, wer mit wem wann telephoniert hat, wer wann wem eine Mail, eine SMS oder ein Fax geschickt hat und wer sich wann was im Internet angeschaut hat. Diese Informationen können Polizei und Justiz unter bestimmten Voraussetzungen für Ermittlungen nutzen. Eine Brüsseler Richtlinie verpflichtet die EU-Staaten eigentlich zur Einführung der Vorratsdatenspeicherung. Allerdings befasst sich derzeit der in Luxemburg ansässige Europäische Gerichtshof (EuGH) mit dieser Überwachungsmaßnahme, ein Urteil wird in diesem Frühjahr erwartet.
Linke und Grüne üben in ihren Anträgen harte Kritik an der Vorratsdatenspeicherung und verlangen, diesem Projekt unabhängig vom Ausgang des Verfahrens vor dem EuGH eine Absage zu erteilen. Bei einem früheren Auftritt im Rechtsausschuss hatte Justizminister Heiko Maas (SPD) erklärt, vermutlich werde die Luxemburger Instanz die Brüsseler Richtlinie in ihrer momentanen Fassung zwar als unzulässig einstufen, das Instrument der Vorratsdatenspeicherung an sich aber nicht verwerfen. Für die Anwendung dieses Instruments würden die EU-Richter bestimmte Bedingungen formulieren, etwa zur Dauer der Datenspeicherung oder zur Frage, in welchen Fällen diese Maßnahme genutzt werden dürfe. In ihren jetzt im Ausschuss gescheiterten Anträgen fordern Linke und Grüne die Regierung auf, in Brüssel dafür einzutreten, dass es nach dem EuGH-Urteil auf EU-Ebene zu keiner neuen Richtlinie kommt, die den EU-Staaten die Einführung der Vorratsdatenspeicherung auferlegt.
Nach Meinung der Linken schüchtert die Vorratsdatenspeicherung die Bürger bei der alltäglichen Kommunikation und bei der Wahrnehmung demokratischer Freiheiten ein. Es entstehe ein „Gefühl des permanenten unkontrollierbaren Beobachtetwerdens“. Die Registrierung der Telekommunikationsdaten stelle alle Bürger unter Generalverdacht, kritisiert die Fraktion. Ein solches Vorgehen ermögliche einen „umfassenden Einblick in die Persönlichkeit des Einzelnen, sein Kommunikations- und Bewegungsverhalten, seine sozialen Beziehungen und Verhältnisse“. Die Grünen sprechen von einem „historischen Einschnitt in die freiheitlich-rechtsstaatliche Verfasstheit unserer Demokratie“. Tief eingegriffen werde in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und auf Privatsphäre sowie in das Telekommunikationsgeheimnis.
Die Große Koalition hat sich darauf verständigt, nach der EuGH-Entscheidung ein deutsches Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung zu verabschieden. Bei der ersten Lesung der beiden Oppositionsanträge im Bundestagsplenum hatte die Union erklärt, dieses Instrument sei unverzichtbar. Man nehme die Bürger- und Freiheitsrechte ernst, doch gehe es auch um die Frage der Sicherheit. Es würden lediglich Daten, die ohnehin vorhanden seien, im Fall von Schwerkriminalität genutzt. Die SPD hatte gemahnt, das Urteil der EU-Richter mit Geduld abzuwarten und dann eine neue Debatten zu führen.
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