Konflikt um Fluggastrechte
Berlin: (hib/KOS) Die Bundesregierung zeigt sich skeptisch, ob Passagiere künftig je nach Entfernung des gebuchten Flugs bei drei-, fünf- oder siebenstündigen Verspätungen gegenüber Airlines einen Anspruch auf Entschädigung haben werden. In der Antwort (18/1079) auf eine Kleine Anfrage der Grünen (18/808) heißt es, derzeit unterstütze eine „deutliche Mehrheit“ der EU-Staaten den Vorschlag der Brüsseler Kommission, Reisenden bei Verbindungen innerhalb der EU eine Kompensation erst bei einer Flugverzögerung von fünf Stunden und bei längeren Strecken sogar erst bei Verspätungen von neun und zwölf Stunden zuzugestehen. In ihrer Antwort führt die Regierung aus, dass sie sich im Ministerrat als dem Organ der 28 Regierungen dafür stark mache, das vom EU-Parlament entworfene Modell zu prüfen, das anders als das Konzept der Kommission Ausgleichsleistungen für Fluggäste nach Verzögerungen von drei, fünf oder sieben Stunden vorsieht. Die Regierung rechnet damit, dass im Herbst Verhandlungen zwischen dem Ministerrat, der Kommission und dem EU-Abgeordnetenhaus über eine Lösung im Streit über Passagierrechte bei Flugverspätungen stattfinden.
Bislang können Fluggäste finanzielle Entschädigungen ab drei Stunden Verzögerung einfordern - wobei die Summe je nach Entfernung des Flugs bei 250, 400 oder 600 Euro liegt. Auf Initiative von Verkehrskommissar Siim Kallas (Estland) will die Brüsseler Kommission diese Regelung zugunsten der Fluggesellschaften lockern. Das EU-Gremium rechtfertigt die geplante Erleichterung für Airlines mit dem Hinweis auf zusätzliche Belastungen, die den Fluglinien anderweitig entstünden - etwa durch die Pflicht, Betreuungsleistungen wie Essen und Trinken am Airport Passagieren künftig schon bei zweistündigen Flugverspätungen zu gewähren, oder durch die Auflage, anders als bisher Fluggästen auch dann den gebuchten Rückflug zu garantieren, wenn sie zuvor den vorgesehenen Hinflug nicht angetreten haben.
Der Vorstoß aus Brüssel sorgt für heftige Auseinandersetzungen, und dies auch im Bundestag. Im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz stießen die Pläne der Kommission, Passagieren Kompensationszahlungen erst bei Flugverzögerungen ab fünf Stunden zuzugestehen, fraktionsübergreifend auf Widerstand. Die Grünen äußerten in ihrer Anfrage die Befürchtung, dass nach dem Konzept der EU-Kommission rund 70 Prozent der heute Anspruchsberechtigten keine finanzielle Entschädigung mehr bekommen würden. Aus Sicht der Fraktion fasst die Kommission auch die „außergewöhnlichen Umstände“ zu weit, die bei Flugverspätungen Airlines von der Verpflichtung zu Ausgleichsleistungen freistellen. Dies könne, kritisieren die Grünen, selbst für gewöhnliche technische Defekte an einem Flugzeug gelten.
In der Antwort erläutert die Regierung, man setze sich auf EU-Ebene für den Erhalt des „bestehenden Schutzniveaus“ für Passagiere ein. Ob dies gelinge, werde von einer „Gesamtschau“ aller anstehenden Änderungen abhängen. Die Regierung plädiere für einen „insgesamt gerechten Ausgleich der Interessen der Fluggäste und der Luftfahrtunternehmen“. Bei Airlines müsse man „unzumutbare Belastungen“ vermeiden, die etwa zu unerwünschten Preisaufschlägen für die Passagiere führen könnten. Die konkreten finanziellen Folgen, die sich für Fluggäste aus den zur Debatte stehenden Modellen ergeben könnten, ließen sich derzeit nicht ermitteln. In der Antwort heißt es, die „außergewöhnlichen Umstände“, die Fluglinien von Kompensationszahlungen entlasten, würden in Brüssel noch näher konkretisiert. Die deutsche Regierung dringe darauf, nur solche technischen Defekte als außergewöhnliche Umstände gelten zu lassen, „die bei ordnungsgemäßer Wartung nicht zu erkennen waren“.
Deutscher Bundestag, Parlamentsnachrichten
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