Experten: Mehr Geld für Kita-Qualität
Berlin: (hib/AW) Der Bund soll sich finanziell stärker engagieren, um die Qualität in der Kindertagesbetreuung zu steigern. Dies war das einhellige Votum einer öffentlichen Anhörung des Familienausschusses am Montag. Der Ausschuss hatte acht Sachverständige geladen, um zu zwei Anträgen der Fraktionen Die Linke (18/2605) und Bündnis 90/Die Grünen (18/1459) Stellung zu beziehen, in denen die beiden Oppositionsfraktionen ein Bundesgesetz zum Ausbau der Qualität in der Kindertagesbetreuung fordern. Die Mehrheit der Experten unterstützte diese Forderung. Zugleich machten die Sachverständigen jedoch deutlich, dass damit nicht automatisch alle Probleme gelöst werden könnten.
Die pädagogische Qualität in Kindertageseinrichtungen und Tagespflegestellen sei in Deutschland höchst unterschiedlich, führte die Direktorin des Münchner Staatsinstituts für Frühpädagogik, Fabienne Becker-Stoll, vor dem Ausschuss aus. In 80 bis 90 Prozent der Einrichtungen sei die Qualität als „mittel“ einzustufen. In lediglich fünf bis sechs Prozent als „gut bis sehr gut“. Becker-Stoll sprach sich für eine bundesweite Vereinheitlichung der pädagogischen Qualitätsstandards aus. Nach Aussage von Kathrin Bock-Famulla geht die Bertelsmann-Stiftung davon aus, dass in Deutschland rund 18.000 neue Vollzeitstellen in der Kindertagesbetreuung eingerichtet werden müssen, um eine gute Betreuung zu garantieren. Dafür müssten jährlich rund 19 Milliarden Euro bereitgestellt werden. Dies sei von den Ländern und Kommunen allein nicht zu stellen, sagte Bock-Famulla. Sie sprach sich dafür aus, dass der Bund einen einheitlichen Personalschlüssel für das Verhältnis von Kindern und Betreuern in der Kindertagesbetreuung festlegen soll. Norbert Hocke vom Hauptvorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft rechnete vor, dass Deutschland gemäß der Empfehlungen der OECD zusätzlich zu den derzeit rund 17 Milliarden Euro weitere neun Milliarden Euro investieren müsste, um eine hochwertige Kindertagesbetreuung zu realisieren.
Hocke und Frank Jansen vom Bundesverband Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder wiesen darauf hin, dass die Belastungen für die Betreuer in den Einrichtungen durch enormen quantitativen Ausbau der Kindertagesbetreuung in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen seien. Es sei dadurch schwerer geworden, die Qualitätsstandards zu halten, sagte Jansen. Hocke, Jansen und Thomas Rauschenbach vom Deutschen Jugendinstitut in München sprachen sich für bundeseinheitliche Standards etwa beim Personalschlüssel aus. Sie wiesen zugleich darauf hin, dass bundeseinheitliche Standards sich jedoch nicht auf bestimmte pädagogische Modelle beziehen dürften, die Vielfalt der verschiedenen Modelle in der Kinderbetreuung in den Kommunen müsse gewahrt bleiben. Die Situation in den Kommunen gestalte sich teilweise von Stadtteil zu Stadtteil sehr unterschiedlich, dem müsse Rechnung getragen werden. Auch Matthias Ritter-Engel vom Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt räumte ein, dass ein Bundesgesetz nicht alle Probleme automatisch löse. Aber es sei Grundbedingung, um die Probleme überhaupt lösen zu können. Jörg Haderlein von der Hochschule Koblenz verwies darauf, dass es derzeit keine allgemeingültige Definition für Qualitätsstandards in der Kita-Betreuung gebe, allenfalls Indikatoren. In jedem Fall aber müsse der Beruf der Kita-Betreuer aufgewertet werden.
Die Bundesvereinigung der Kommunalen Spitzenverbände betrachtet die Forderung nach einem bundeseinheitlichen Kita-Qualitätsgesetz mit „Bauchschmerzen“, sagte deren Vertreter Uwe Lübking. Die Kommunen befürchteten, dass der Bund einmal mehr Vorschriften erlasse, die Umsetzung aber allein an den Kommunen hänge bleibe. In jedem Fall müsste sich der Bund dann auch finanziell stärker beteiligen. Dies sei aus verfassungsrechtlichen Gründen schwierig. Lübking schlug vor, dies lieber in einem Staatsvertrag als in einem Bundesgesetz zu lösen.
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