Gefahr durch Überwachungstechnologien
Berlin: (hib/HAU) Überwachungstechnologien stellen immer öfter ein Werkzeug für Menschenrechtsverletzungen dar. In dieser Einschätzung waren sich die zu einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses Digitale Agenda am Mittwoch geladenen Experten einig. Sie sprachen sich für eine Effektivierung der Exportkontrollen für Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) aus. Basis dafür könne das Ende 2013 verabschiedete sogenannte Wassenaar-Abkommen sein, hieß es. Die dort gelisteten Güter dürfen seit 2014 auf Beschluss der die EU-Kommission nur noch mit Genehmigung der nationalen Aufsichtsbehörden ausgeführt werden.
Der Export von IKT-Gütern müsse bei begründeten Zweifeln über die menschenrechtliche Lage im Empfängerland untersagt werden, forderte Professor Michael Waidner vom Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie. „Beim Export von Überwachungstechnologien muss der Schutz der Menschenrechte immer Vorrang haben“, sagte er. Andere IKT-Güter, wie etwa Verschlüsselungstechnologien, sollten frei exportierbar sein, was derzeit entsprechend der EU-Regelung über Dual-Use-Güter nicht der Fall sei, verlangte Waidner. Daher dürfe die Definition von Dual-Use-Gütern, also Gütern, die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke genutzt werden können, nicht zu weit gefasst sein.
Überwachungstechnologien würden von totalitären Staaten genutzt, um Oppositionelle und Journalisten zu beobachten und zu identifizieren, sagte Sandro Gaycken von der European School of Management and Technology (ESMT) in Berlin. Seiner Ansicht nach war der arabische Frühling für totalitäre Staaten eine Art Warnsignal, „was alles durch das Internet möglich ist“. Eine erste Reaktion darauf sei gewesen, das Internet einzuschränken oder abzuschalten. Inzwischen aber werde das Internet sogar zu Kontrollzwecken genutzt. „Das Internet ist kein Werkzeug mehr für Demokratisierung sondern stellt eher eine Gefahr dar“, urteilte er. Big-Data-Analysen seien zum Überwachungswerkzeug schlechthin geworden. Das Wassenaar-Abkommen sei richtig, um dagegen anzukämpfen, müsse aber erweitert werden, forderte Gaycken.
Auch Professor Götz Neuneck, stellvertretender wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH), sieht im Wassenaar-Abkommen und in den Dual-Use Regelungen mögliche Gegenmaßnahmen für exzessive Überwachung. Wichtig sind aus seiner Sicht Strafandrohungen und Reputationsverluste für diejenigen, die dem zuwiderhandeln. Neuneck beklagte eine fehlende internationale Regelung. Aber auch der europäische und nationale Rechtsrahmen zur Kontrolle des Exports von Überwachungs- und Spionagesoftware sei löchrig. „Entscheidend dürfte hier die Handhabung der Praxis, die Koordination und die Überprüfung deren Effektivität durch die Ursprungsländer sein“, sagte er.
Derzeit sie ein Anwachsen von Mini-NSAs in aller Welt zu beobachten, sagte Ben Wagner, Direktor der Forschungsstelle Internet und Menschenrechte an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder. Es sei daher besonders wichtig, den Technologieexport aus Deutschland und Europa zu regeln. Ein erster Schritt dazu sei das Wassenaar-Abkommen, welches aber weiterentwickelt werden müsse. Außerdem sollte statt der Frage, ob es sich um eine zivile oder militärische Technologie handelt, gefragt werden, ob die Technologie für Menschenrechtsverletzungen genutzt werden kann, forderte Wagner, der zudem mehr Transparenz bei der Exportkontrolle anmahnte.
Nach Aussage von Christian Mihr, Mitglied der Geschäftsführung von Reporter ohne Grenzen, sind Hermes-Bürgschaften für deutsche Exporte von Überwachungstechnologien belegt. Auch gebe es Hinweise, dass deutsche Unternehmen auch nach Verabschiedung des Wassenaar-Abkommens Überwachungstechnologien nach Uganda und Ägypten geliefert hätten, kritisierte er.
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