Wirtschaftskrise in der Ukraine
Berlin: (hib/AHE) Der Krieg in der Ostukraine hat die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Ukraine verschärft: Eine erfolgreiche Stabilisierung hänge allerdings nicht nur von einer Befriedung des Konfliktes ab, sondern auch von einer Reihe von Reformen der Regierung in Kiew - das legten Ricardo Giucci und Robert Kirchner, Leiter beziehungsweise Mitglied der Deutschen Beratergruppe bei der ukrainischen Regierung am Mittwoch bei einem Gespräch zur Lage der Wirtschaft der Ukraine im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union dar.
Im vergangenen Jahr hätte das Land ein Minuswachstum von 7,5 Prozent zu verkraften gehabt, für das laufende Jahr würde ein Minus 5,5 Prozent prognostiziert. Die öffentliche Verschuldung sei zwischen Ende 2013 und Ende 2014 von 40 auf 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gestiegen, die ukrainische Währung Griwna verliere stark an Wert, die Inflationsrate liege derzeit bei 30 Prozent. „Die Preise steigen auf breiter Front“, sagte Kirchner. Er verwies zudem darauf, dass sowohl Kredite in der Ukraine mit einem Zinssatz von 25 Prozent wie auch das Ausbleiben von Investoren aus dem Ausland wegen der ungewissen Lage im Osten des Landes es der ukrainischen Wirtschaft schwer machten.
Das vom Internationalen Währungsfonds (IWF) in Aussicht gestellte Kreditprogramm im Gesamtumfang von 40 Milliarden US-Dollar für die nächsten vier Jahre (davon 17,5 Milliarden vom IWF selbst, der Rest von anderen multilateralen und bilateralen Gebern) bilde in diesem Umfeld einen „Anker“. Zu den Auflagen des IWF gehörten unter anderem Deregulierungen, Haushaltskonsolidierung, Reformen im Steuerwesen und im Bankensektor sowie Reformen insbesondere im Energiesektor: Bisher subventioniere der Staat die Energiepreise zu rund 80 Prozent, dies werde nicht nur als eine der wichtigsten Ursachen für Haushaltsdefizite angesehen, sondern auch für Energieverschwendung und Korruption, argumentierte Kirchner. Ziel der Regierung in Kiew sei, bis April 2017 die Inlandspreise für Gas auf den eigentlichen Importpreis anzuheben. Dies allerdings würde eine Steigerung der Gaspreise für Privathaushalte um mehr als 280 Prozent bedeuten - die Regierung in Kiew plane entsprechende Programme im Haushalt ein, um Energiearmut und schlimmste soziale Verwerfungen zu vermeiden.
Vertreter der Fraktionen von CDU/CSU und SPD erkundigten sich nach den Auswirkungen des Konfliktes im Osten des Landes auf die innerukrainischen Wirtschaftsbeziehungen. Wie ein Vertreter der Linksfraktion thematisierten sie zudem die Frage, inwieweit ein Wegbrechen der Wirtschaftsleistungen aus dem Donbass für Kiew wirtschaftlich zu verkraften wäre. Ein Vertreter der Grünen erkundigte sich unter anderem nach möglichen Plänen zum Aufbau einer eigenen Erdgasförderung in der Ukraine, um die Abhängigkeit von russischem Gas zu verringern.
Zur Frage der Wirtschaft im Donbass sprach Giucci von einem „gemischten Bild“ für die Zentralregierung in Kiew: Es sei zwar davon auszugehen, dass die fehlenden Devisen aus den Exporten der rohstoffreichen Region sich negativ auf die Handelsbilanz der Ukraine auswirken würden. Fiskalisch stelle sich die Situation allerdings positiver dar: Der Donbass sei - anders als häufig dargestellt - ein großer Nettoempfänger aus dem ukrainischen Staatshaushalt - etwa durch die Erstattung der Mehrwertsteuer auf Exporte und durch Subvention für die Kohleförderung und eine veraltete Schwerindustrie. Giucci sprach sich für eine rasche Umsetzung des wirtschaftlichen Teils des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und der Ukraine aus, der aus politischen Gründen zunächst bis Ende 2015 ruht. Der Vorteil des Freihandelsabkommens liege weniger im zollfreien Zugang zum Markt der EU, sondern vielmehr in der Beschleunigung bei der Einführung von europäischen Standards: Dies könne ukrainischen Unternehmen bei der Diversifizierung ihrer Absatzmärkte helfen und bedeute damit für das Land weniger Abhängigkeit von Exporten nach Russland.
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