Keine Belege für Niedersachsen-Spur
Berlin: (hib/pst) Ist der ehemalige Abgeordnete Sebastian Edathy durch ein Leck in Niedersachsen vor Kinderporno-Ermittlungen gewarnt worden? Die Vernehmung der ersten drei Zeugen aus dessen Heimat im 2. Untersuchungsausschuss, geleitet vom stellvertretenden Vorsitzenden Michael Frieser (CSU), ergab dafür keine Belege. Zwar blieben unter den Ausschussmitgliedern Zweifel an Angaben eines der Zeugen, des damaligen Göttinger Polizeipräsidenten Robert Kruse, dennoch erschien ihnen dessen Aussage in sich schlüssig und nicht widerlegbar.
Kruse, seit 1. April dieses Jahres Polizeipräsident in Lüneburg, leitete die für Edathys Wohnort zuständige Polizeidirektion, als im Oktober 2013 der Verdacht gegen den damaligen SPD-Bundestagsabgeordneten aufkam. Das Bundeskriminalamt (BKA) hatte Namen und Adressen von der Kundenliste eines kanadischen Kinderporno-Vertriebs an die Landeskriminalämter weitergeleitet, um die Identitäten zu überprüfen.
Als die Niedersachsen-Liste am 15. Oktober in der zur Polizeidirektion Göttingen gehörenden Polizeiinspektion Nienburg/Schaumburg ankam, erkannte der zuständige Beamte, Uwe Baum, dass es sich bei dem Namen Sebastian Edathy um den örtlichen Bundestagsabgeordneten handelte. Baum informierte umgehend das BKA sowie den Leiter der Polizeiinspektion Nienburg/Schaumburg, Frank Kreykenbohm. Zudem beauftragte er den Leiter der Polizeidienststelle in Edathys Wohnort Rehburg-Loccum, Frank Lange, beim örtlichen Einwohnermeldeamt einen Melderegisterauszug über Edathys Wohnsitz einzuholen, um ihn ans BKA weiterzuleiten. Baum soll am 6. Mai dazu verhört werden.
Lange und Kreykenbohm, die ersten beiden Zeugen in dieser Sitzung, betätigten diese Abläufe, wobei kleine Unstimmigkeiten in den Zeitangaben nicht geklärt werden konnten. Beide gaben an, von gelegentlichen dienstlichen Anlässen abgesehen keinen persönlichen Kontakt zu Edathy gehabt zu haben. In die späteren Ermittlungen gegen Edathy seien sie nicht einbezogen gewesen, da diese vom Landeskriminalamt geführt wurden. Erst bei der Durchsuchung von Edathys Wohn- und Büroräumen am 10. Februar 2014 seien örtliche Polizeikräfte wieder unterstützend tätig gewesen, gaben sie an.
Eine der offenen Fragen des Untersuchungsausschusses ist, wann der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) erstmals von dem Verdacht gegen Edathy erfahren hat. Dahinter steht die Frage, ob die SPD-Spitze mit Parteichef Sigmar Gabriel, dem heutigen Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier und dem heutigen Fraktionsvorsitzenden Thomas Oppermann, alle drei aus dem SPD-Landesverband Niedersachsen, schon von dem Verdacht gewusst haben könnte, bevor der damalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) am 17. Oktober 2013 Gabriel informierte.
Aus einer Information der niedersächsischen Staatskanzlei für den Untersuchungsausschuss geht hervor, dass der Göttinger Polizeidirektor Kruse in der zweiten Oktoberhälfte 2013 Innenminister Pistorius telefonisch über den Verdacht gegen Edathy in Kenntnis gesetzt habe. Von der Vernehmung Kruses hatte sich der Ausschuss nun eine genauere Zeitangabe erhofft.
Doch Kruse legte sich nur fest, dass er nicht am 15. Oktober, dem Tag, an dem er von Kreykenbohm informiert worden war, Pistorius angerufen hat. Er habe es dann ein oder zwei Mal vergeblich versucht, bis er ihn schließlich irgendwann, bevor er in November Urlaub ging, erreicht habe.
Dass er unbedingt den Minister persönlich unterrichten wollte und nicht etwa den Staatssekretär oder den Landespolizeipräsidenten, begründete Kruse damit, dass bei dem politisch brisanten Verdacht die Zahl der Mitwisser möglichst klein halten wollte. Warum er aber dann nicht mit mehr Nachdruck versucht hat, den Minister möglichst schnell zu erreichen, beantwortete er so, dass er keine zeitliche Dringlichkeit gesehen habe, da unmittelbare Ermittlungsschritte gegen Edathy noch nicht anstanden.
Die Abgeordneten werden nun versuchen, den genauen Zeitpunkt dieses Telefonats von Pistorius zu erfahren, der am 6. Mai Zeuge im Untersuchungsausschuss ist. Weitere Zeugen aus Niedersachsen sollen folgen, bevor der Ausschuss dann, sofern er den Zeitplan einhalten kann, im Juni mit der Befragung von Bundespolitikern die Zeugenvernehmungen abschließt.
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