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16.02.2016 Recht und Verbraucherschutz — Anhörung — hib 85/2016

„Lex Mollath“ unter der Lupe

Berlin: (hib/PST) Sieben Sachverständige haben in einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses zu einem Gesetzentwurf der Bundesregierung (18/7244) Stellung genommen, der die Unterbringung von Straftätern in der Psychiatrie neu regeln soll. Die Zunahme der Einweisungen und der Unterbringungsdauer hat der Bundesregierung eine Novelle der einschlägigen Vorschriften geboten erscheinen lassen. Die öffentliche Diskussion über Missstände, vor allem im Zusammenhang mit dem Fall Gustl Mollath, tat ein Übriges.

Jürgen Graf, Richter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe, sagte mit Blick auf Fälle wie den von Mollath: „Die Anlassgeber waren Ausreißer.“ Die Mehrheit der Fälle liege voll im gesetzlichen Rahmen. Gleichwohl bezeichnete er die vorgesehene Neuregelung als sachgerecht. Sie werde dazu beitragen, in Zukunft Fehler bei der Einweisung in die geschlossene Psychiatrie zu vermeiden. Richtschnur bei der Novelle dürfe aber nicht sein, die Zahl der Einweisungen zu verringern, sondern die Verhältnismäßigkeit zu achten. Dann würden vermutlich aber auch die Zahlen herunter gehen.

Auch alle anderen Sachverständigen stimmten dem Gesetzentwurf im Grundsatz zu, trotz Änderungswünschen im einen oder anderen Fall. Heinz Kammeier, Lehrbeauftragter für Recht im Gesundheitswesen an der Universität Witten/Herdecke, regte an, Ausstattungskriterien für Einrichtungen der forensischen Psychiatrie bundeseinheitlich festzulegen, so wie dies bei der Sicherungsverwahrung geschehen sei. Auch sollten die Kriterien für die Einweisung im Gesetz noch detaillierter geregelt werden, da es hier in der Praxis große Unterschiede zwischen einzelnen Landgerichten gebe.

Der Bremer Strafverteidiger Helmut Pollähne sagte zur derzeitigen Rechtslage, man komme „zu leicht rein und zu schwer wieder raus“. Er machte sich für eine absolute Befristung der Unterbringung in der geschlossenen Psychiatrie stark. Zudem müsse die Unterbringung auf Bewährung leichter möglich werden. Als juristisch absolut fragwürdig bezeichnete er die „Gefahr der Gefährlichkeit“ als Kriterium für eine Einweisung. Ähnlich kritisch äußerte sich die Hamburger Fachanwältin für Strafrecht und Strafvollstreckungsrecht Ines Woynar. So wandte sie sich dagegen, Wirtschafts- und Vermögenstaten in den Katalog der Verbrechen aufzunehmen, die zu einer Einweisung führen können. Generell solle der Maßregelvollzug sechs Jahre nicht überschreiten, danach sollten die Patienten in eine alternative Betreuungseinrichtung überwiesen werden.

Das sah Susanne Lausch, Leiterin der Forensischen Klinik im Bezirkskrankenhaus Straubing, ganz anders. Bei schweren Triebanomalien wie sadistischen Persönlichkeitsstörungen reichten sechs Jahre nicht aus. In ihrer Einrichtung liege der durchschnittliche Aufenthalt von Sexualstraftätern bei elf Jahren. Lausch begrüßte jedoch die Absicht im Gesetzentwurf, bereits nach drei Jahren und damit früher als jetzt mit einem externen Gutachten die Fortdauer der Unterbringung zu überprüfen. Bei Einsatz entsprechender Behandlungsmethoden ließen sich innerhalb von drei Jahren Entwicklungen sehen. Dies erfordere aber einen erheblichen Personaleinsatz, der auch finanziert werden müsse.

Nahlah Saimeh, Ärztliche Direktorin des LWL-Zentrums für Forensische Psychiatrie Lippstadt, sprach sich dagegen für eine Befristung der Unterbringung aus, und zwar auf zehn Jahre. Allerdings müsse es dann entsprechend gut ausgestattete Heime geben, die die Betreuung übernehmen können. Auch forensische Tageskliniken könnten in vielen Fällen sinnvoll sein. An beidem fehle es aber derzeit, weshalb Patienten länger in der geschlossenen Psychiatrie bleiben müssten. Erhebliche Probleme gebe es zudem bei der Kostenübernahme für derartige alternative Behandlungsformen.

Auf einen besonderen Grund für die hohe Zahl von Einweisungen und die lange Verweildauer wies Christoph Wiesner, Vorsitzender Richter am Landgericht Augsburg, hin: Die „Angst, am Pranger zu stehen“, wenn etwas passiert und dann gefragt wird: Warum habt ihr den nicht weggesperrt. Wiesner wandte sich im übrigen gegen eine zu genaue Katalogisierung der Taten im Gesetz, die zu einer Einweisung führen können. Denn es werde immer wieder Fälle geben, die nicht aufgelistet sind, aber eine geschlossene Unterbringung dringend geboten erscheinen ließen. Sinn und Zweck der Einweisung sei primär, unabhängig von der Anlasstat, der Schutz der Allgemeinheit. Wiesner wies auch darauf hin, dass schon nach geltender Rechtslage eine Bewährungsaussetzung unter der Voraussetzung einer ambulanten Behandlung möglich sei, diese aber oft an der Kostenübernahme scheitere.

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