Kritik an geplanter Braunkohlereserve
Berlin: (hib/HLE) Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) hat vor erheblichen Mehrkosten durch die von der Bundesregierung geplante Reform des Strommarktes gewarnt. Die Kostensteigerungen würden vor allem private Haushalte, kleine und mittlere Unternehmen sowie kleine Energieversorger treffen, erklärte VKU-Vertreterin Katherina Reiche am Mittwoch in einer Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung des Strommarktes (18/7317), mit dem ein Beitrag zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit geleistet werden soll. Der Markt müsse dafür sorgen, dass jederzeit genau so viel Strom in das Stromnetz eingespeist werde, wie aus diesem entnommen werde, so die Begründung des Gesetzentwurfs. Dies bezweifelte der VKU. Das Wirtschaftsministerium versuche Versorgungssicherheit herzustellen, indem es die Regulierung weiter verschärfe. Das stehe in eklatantem Widerspruch zum mehrfach betonten Bekenntnis zu Markt und Wettbewerb. Außerdem bemängelte der Verband, dass wichtige Fragen des Strommarktes der parlamentarischen Kontrolle entzogen und an die Bundesnetzagentur sowie an das Ministerium delegiert würden.
Eine andere Auffassung vertrat die EEX-Gruppe (Strombörse Leipzig). Deren Vertreter Tobias Paulun lobt den Entwurf. Er zeige: „Die Politik vertraut dem Markt“. Der Gesetzentwurf komme auch zur richtigen Zeit. Als kritikwürdig würden allerdings die regulierungsintensiven Komponenten, insbesondere die Schaffung verschiedener Reserven, erachtet. Langfristig empfahl Paulun die Nutzung der Potenziale des europäischen Binnenmarktes: „Ziel muss eine europäische, nicht nationalstaatliche Lösung sein.“
Um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, will die Bundesregierung eine Kapazitätsreserve außerhalb des Strommarkts einführen, die bei Bedarf eingesetzt werden soll. Die Reserve soll technologieneutral sein und wettbewerblich ausgeschrieben werden. Um gleichzeitig das nationale Klimaschutzziel für 2020 zu erreichen, sollen ab 2016 Braunkohlekraftwerke schrittweise aus dem Netz genommen und vorläufig stillgelegt werden. Für jeweils vier Jahre soll auf diese Kraftwerke als letzte und befristete Absicherung der Stromversorgung zurückgegriffen werden können. Eva Hauser vom Institut für ZukunftsEnergieSysteme (IZES) bezeichnete es als schwer vorstellbar, dass ausgerechnet Braunkohlekraftwerke mit ihren langen Vorlaufzeiten als Kapazitätsreserve geeignet sein sollten. Professor Christoph Weber (Universität Duisburg-Essen) erklärte in seiner Stellungnahme, in der vorgeschlagenen Form seien die Regelungen zur Kapazitäts- und Netzreserve für eine Übergangsphase vertretbar. Längerfristig erscheine ein Kapazitätsmechanismus aber vorteilhafter. Denn nur ein solcher Mechanismus würde Anreize für Investitionen in flexible konventionelle Komplemente (sich gegenseitig ergänzende Erzeuger) zu den erneuerbaren Energien setzen.
Dem widersprach Christoph Maurer (Consetec) in seiner Stellungnahme. Die Entscheidung für den Strommarkt 2.0 und gegen die Einführung eines Kapazitätsmarktes sei richtig und könne eine weitere effiziente Umsetzung der Energiewende unterstützen. Dagegen würden Kapazitätsmärkte unter anderem zum ineffizienten Aufbau von Überkapazitäten führen. Innovationen würden verhindert. Auch die EEX-Gruppe sprach sich gegen einen Kapazitätsmarkt aus. Zu den unter anderem vom VKU geforderten Verbesserungen für Stromspeicher erklärte Felix Matthes (Öko-Institut), diese seien im Ergebnis nicht anderes als Kapazitätslösungen.
Stefan-Jörg Göbel (Verband deutscher Gas- und Stromhändler bemängelte ungenaue Formulierungen im Gesetzentwurf wie zum Beispiel „Preissignale stärken“. Preissignale sollten aber nicht gestärkt werden, sondern unverzerrt beim Erzeuger und Verbraucher ankommen.
Gegenstand der Anhörung war außerdem ein Antrag (18/7369) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, in dem gefordert wird, Kohlekraftwerke über die Einführung eines Kohlendioxid-Grenzwertes schrittweise stillzulegen. Der Bundesregierung wird vorgeworfen, mit der Kohlereserve eine „Subventionsmaschine“ schaffen zu wollen, „die in Hinterzimmern ausgehandelt wurde und reine Planwirtschaft ist“.
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