„Integrative Umweltpolitik“ gefordert
Berlin: (hib/SCR) Deutschland soll nach Ansicht des Sachverständigenrates für Umweltfragen (SRU) eine Vorreiterrolle bei der „ökologischen Transformation“ der Industriegesellschaft übernehmen. Dies geht aus dem Umweltgutachten 2016 hervor, über das die Bundesregierung den Bundestag unterrichtet (18/8500). Umweltpolitik müsse künftig „integrativ“ ausgestaltet werden, da die „ökologischen Handlungsnotwendigkeiten“ auf nationaler und europäischer Ebene so groß seien, „dass sie mit den bisherigen Ansätzen eines nachsorgenden oder selbst eines technisch-vorsorgenden Umweltschutzes allein nicht mehr bewältigt werden können“, fordert der SRU in dem Gutachten. Dabei müssten Zielkonflikte zwischen umweltpolitischen Ansprüchen auf der einen und wirtschaftspolitischen, etwa die Wettbewerbsfähigkeit, sowie sozialpolitischen Erwägungen, etwa in Hinblick auf Energiekosten, entschärft werden.
Mit dem Gutachten wolle der SRU „Impulse für umweltorientierte Reform- und Gestaltungsansätze“ bei sechs ausgewählten Schwerpunktthemen setzen. Zu den Themen gehören neben der „Vorreiterpolitik für eine ökologische Transformation“ die Komplexe Klimaschutz-Wettbewerbsfähigkeit, „Umwelt- und Sozialpolitik im Kontext der Energiewende“, „Flächenverbrauch und demografischer Wandel“, Wildnis-Ausbau sowie Schutz der Biodiversität vor Pestiziden.
Ziel der vom SRU vorgeschlagenen Transformationspolitik müsse es sein, die „Ressourcennutzung, Emissionen und Abfälle auf ein deutlich niedrigeres Niveau zu senken“. Transformation beinhalte „technischen, gesellschaftlichen und institutionellen Wandel und ziele auf grundlegende, systemische Innovation über längere Zeiträume“. Transformationen seien weder „unmittelbare planbare“ noch „kurzfristig erreichbare Entwicklungen“. Es brauche deshalb eine „langfristige Orientierung aller Akteure durch die Formulierung weitreichender und konkreter umweltpolitischer Ziele“. Nach Auffassung des SRU soll Deutschland eine Vorreiterrolle einnehmen, da es unter anderem durch ein „starkes Innovationssystem“ und eine „im Grundsatz“ große Unterstützung in der Gesellschaft für eine aktive Umweltpolitik „exzellente Voraussetzungen“ dafür habe. Zudem stehe die Bundesrepublik aufgrund ihrer „internationalen Verflechtung“ in der Verantwortung. So zeigten neue Indikatoren, „dass Deutschland unter Berücksichtigung des internationalen Handels erheblich auf natürliche Ressourcen anderer Länder zurückgreift“.
Positiv hebt der SRU das Engagement der Bundesrepublik bei der Umstellung auf erneuerbare Energien hervor. In diesem Handlungsfeld nehme das Land bereits eine „Vorreiterrolle“ ein. Für die Agrarpolitik finden die Sachverständigen weniger lobende Worte. Es fehle ein „breiter Konsens für eine umweltgerechte und zukunftsfähige Landwirtschaft“. Die Bundesrepublik habe „eher auf eine Abschwächung der ökologischen Reformbemühungen der Europäischen Kommission hingewirkt“. Auch seien „nationale Spielräume“ bei der Umsetzung von Vorgaben ungenutzt gelassen worden, heißt es in dem Gutachten.
In Hinblick auf das Zusammenwirken von umwelt- und sozialpolitischen Ansprüchen greift das Gutachten die gestiegenen Energiepreise im Zuge der Energiewende auf. Diese seien als „Steuerungsinstrument für einen insgesamt sinkenden Energieverbrauch wichtig“. Allerdings würden damit einkommensschwache Haushalte überproportional belastet. Diese Auswirkungen sollten aber „nicht zur Argumentation gegen Maßnahmen zur Fortsetzung der Energiewende genutzt werden“. Der SRU sieht vielmehr vor allem sozialpolitischen Handlungsbedarf. Haushalte, auch jene außerhalb klassischer Transferleistungssysteme, müssten bei der Anpassung an die steigenden Preise unterstützt werden. Denkbar seien beispielsweise „informatorische und verhaltensorientierte Maßnahmen“, etwa kostenlose Energieberatungen. Auch der Austausch ineffizienter Haushaltsgeräte soll nach Ansicht der Sachverständigen dauerhaft durch die öffentliche Hand gefördert werden. Mietsteigerungen in Folge gesetzlich umlagefähiger energetischer und anderer Sanierungsmaßnahmen will der SRU ebenfalls angegangen sehen. So schlagen die Sachverständigen eine zielgenauere Ausrichtung der Umlagefinanzierung vor. „Allgemeine Modernisierungsinvestitionen“ sollen dabei weniger umgelegt werden können und „die durch Sanierung erzielten Energieeinsparungen“ künftig bei der Umlage berücksichtigt werden.
Das Gutachten ist am Mittwoch, 8. Juni, auch Thema eines öffentlichen Fachgespräches im Umweltausschuss. Beginn im Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E.700, ist um 9.30 Uhr. Interessierte Besucher können sich telefonisch unter (030) 227-37245, per Fax an (030) 227-36250 oder per E-Mail an umweltausschuss@bundestag.de unter Angabe des Vor- und Zunamens sowie des Geburtsdatums anmelden.
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