Organisatorische Defizite beim BfV
Berlin: (hib/rik) Der 3. Untersuchungsausschuss (NSU II) hat sich in seiner heutigen Sitzung erneut mit den Vorgängen um die erst spät aufgefundenen Handys und Sim-Karten des 2014 verstorbenen V-Manns und Rechtsextremisten Thomas Richter alias „Corelli“ befasst. Vor der öffentlichen Zeugenvernehmung präsentierte der Ministerialdirektor a. D. Reinhard Rupprecht in nicht öffentlicher Sitzung seinen Bericht über den Umgang des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) mit dem Fall, den er im Auftrag von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) angefertigt hat. Anwesend war auch BfV-Präsident Hans-Georg Maaßen, um auf Fragen der Abgeordneten antworten zu können.
Vertreter aller Fraktionen waren sich anschließend einig in der Bewertung, dass es beim Fall „Corelli“ organisatorische Defizite im BfV gegeben habe. Unterschiedlich fiel aber die Einschätzung zu der Frage aus, ob es sich dabei um ein spezielles Problem in Bezug auf diesen V-Mann oder um grundsätzliche Strukturdefizite im Bundesamt handelt, für die Amtschef Maaßen die Verantwortung trägt. So sagte die Obfrau der Grünen, Irene Mihalic, die Verantwortung für das „Chaos in den Panzerschränken“ ziehe sich im Bundesamt für Verfassungsschutz „durch alle Ebenen bis zur Amtsleitung“. Es sei ein „ganz klares Versäumnis“ von Maaßen, dass er sich zu dem brisanten Fall und der Situation in den Panzerschränken nicht persönlich habe berichten lassen. Der Ausschussvorsitzende Clemens Binninger (CDU) und der Obmann der Unionsfraktion, Armin Schuster (CDU), bezeichneten die Vorgänge um die Handys und Sim-Karten hingegen als Einzelfall, aus dem sich nicht der Rückschluss ziehen lasse, dass im BfV allgemeines Chaos herrsche. Im Juli vergangenen Jahres war im Zuge eines Bürowechsels im Panzerschrank des ehemaligen V-Mann-Führers von „Corelli“ ein Handy gefunden worden, das erst im April 2016 dem verstorbenen V-Mann zugeordnet wurde. Außerdem fanden sich in dem Schrank mehrere Sim-Karten, die von „Corelli“ benutzt worden waren.
Der Obmann der SPD-Fraktion Uli Grötsch sagte nach der Anhörung, Rupprecht gehe in seinem Bericht davon aus, dass der V-Mann dem Verfassungsschutz „eine wesentlich höhere Zahl von Handys“ übergeben habe als bislang bekannt. Ihre Auswertung sei noch immer nicht abgeschlossen. So wie Grötsch kritisierte auch die Obfrau der Linksfraktion, Petra Pau, dass die Probleme im BfV schon im NSU-Untersuchungsausschuss der vergangenen Legislaturperiode offensichtlich geworden seien, es seitdem aber keine Konsequenzen gegeben habe.
Der Obmann der Unionsfraktion Schuster wies darauf hin, dass „Corelli“ eine „extrem wertvolle und außergewöhnlich ergiebige Quelle“ gewesen sei, die dem BfV hervorragende Einblicke in die Neonazi-Szene ermöglicht habe. Seine Informationen hätten auch zu Zugriffen der Polizei geführt. Das sei möglicherweise der Grund dafür gewesen, warum bestehende Vorschriften im Umgang mit „Corelli“ nicht genügend Beachtung gefunden hätten. Binninger sagte, bis heute gebe es „keine belegbaren und belastbaren Hinweise“ auf nähere Kontakte von „Corelli“ zum NSU-Trio.
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