Debatte um EU-Standards bei Ceta
Berlin: (hib/fla) Eingehende Abgeordneten-Nachfragen rund um die Wahrung von Standards und zu den geplanten Investitionsschiedsgerichten haben im Ausschuss für Wirtschaft und Energie die Expertenanhörung zu Ceta (Comprehensive Economic and Trade Agreement) geprägt. Zur Bundestagsbeteiligung bei der Ratifizierung des zwischen Europa und Kanada geplanten Freihandelsabkommens vertraten Juristen bei der von Peter Ramsauer (CSU) geleiteten Sitzung unterschiedliche Ansichten.
Sabine Weyand von der Europäischen Kommission strich heraus, dass Ceta „sehr ausführlich das Recht auf Regulierungen“ stütze. Das gelte für Umweltstandards bis hin zu Arbeitnehmerrechten. Dabei gehe es nicht um Sondervorgaben, sondern um jeweils gleiche Regelungen wie für Inländer. Sie zollte dem Abkommen ein dickes Lob: „Das Gesamtpaket stellt ein ausgezeichnetes Ergebnis von erheblichem wirtschaftlichem Wert für europäische Unternehmen, Verbraucher und Haushalte dar.“
Markus Kerber (Bundesverband der Deutschen Industrie - BDI) unterstrich die Bedeutung des Abkommens. Schätzungen gingen davon aus, dass der Warenaustausch um bis zu 25 Prozent steigen werde. Das mache ein Volumen von bis zu 17 Milliarden Euro aus. Wobei man pro Milliarde mit zusätzlichen 14.000 bis 15.000 Jobs in Europa rechnen können. Indes: „Im Bereich der regulatorischen Zusammenarbeit muss das Abkommen erst noch mit Leben erfüllt werden.“
Volker Treier vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag meinte, Ceta könne „ein Wegbereiter für moderne Freihandelsabkommen“ sein. Wobei auch für den DIHK feststehe, „dass europäische Schutzniveaus erhalten bleiben müssen“. Wie der Investitionsschutz geregelt werden solle, könne „Vorbildcharakter auch für andere Abkommen“haben. Gerade Mittelständler könnten private Schiedsgerichte, wie sie in Freihandelsabkommen bisher meist vorgesehen seien, kaum anrufen - wegen des Risikos, bei einer Niederlage „exorbitante Anwaltskosten übernehmen zu müssen“.
Stefan Körzell (Deutscher Gewerkschaftsbund) rief die „ablehnende Position“ des DGB von Ende 2014 in Erinnerung. Zwar habe es in der Zwischen Zeit Verbesserungen gegeben. Doch insgesamt entspreche der Text „noch nicht den gewerkschaftliche Anforderungen an ein zustimmungsfähiges Abkommen“. So sei „noch nicht konkret genug“ formuliert, dass Tarifbindung oder Mindestlohn nicht als Wettbewerbshindernisse gewertet werden dürften. Die DGB-Demonstrationen am 17. September gegen Ceta und das TTIP-Abkommen mit den USA verteidigte er. Es gehe um „gerechten Welthandel“. Solange ein Vertrag nicht endgültig ratifiziert sei, könne man „für das eigene Anliegen werben“.
Prof. Hubert Weiger vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND) kritisierte, dass das europäische Vorsorgeprinzip nicht den gebotenen Stellenwert bekommen solle. Stattdessen setze sich der „nordamerikanische Ansatz“ durch, die Zulassung etwa von Gentechnik ausschließlich „wissenschaftsbasiert“ zu betrachten. Sein Fazit: „Kein Fortschritt, sondern massiver Rückschritt.“
Jürgen Maier, Forum Umwelt & Entwicklung, meinte, Ceta werde allein schon „durch Veränderung der Marktlage Auswirkungen auf Umweltschutzstandards und Verbraucherschutzstandards“ haben. Er verwies auf die Landwirtschaft: „Es wird 14-fache Quoten für Fleischimporte aus Kanada geben“ - produziert „ohne nennenswerte Naturschutz- und Tierschutzauflagen“. Für ihn steht fest: „Erklärte Absicht des Abkommens ist damit die Senkung der Erzeugerpreise in Europa. Dies ist das Letzte, was die Landwirtschaft gebrauchen kann.“
Prof. Peter-Tobias Stoll, Institut für Völkerrecht und Europarecht, Georg-August-Universität Göttingen, kritisierte, mit dem vorgesehenen Investitionsschutz würden „ohne Not“ wesentliche Grundsätze der europäischen und deutschen Rechts- und Wettbewerbsordnung in Frage gestellt. Als richtig stufte die Haltung der Bundesregierung ein, weg von den privaten Schiedsgerichten zu kommen.
Detlef Raphael vom Deutschen Städtetag sah Unsicherheiten bei der Absicherung nicht zuletzt der deutschen Vorgaben für öffentliche Dienstleistungen. Er bedauerte, dass es nicht zu einer Positivliste von solchen Dienstleistungen gekommen sei, die vom Wettbewerb ausgeschlossen werden können. Geprüft werden müsse, ob das stattdessen gewählte Negativlistenprinzip nicht Lücken enthalte, die womöglich zu einer zwingenden Privatisierung führen würden.
Bei der Behandlung verfassungs- und europarechtlicher Fragen gingen die Expertenmeinungen auseinander: nur die EU als Kanadas Vertragspartner oder teilweise auch die Mitgliedsstaaten? Ein „gemischtes Abkommen“ schwebe der EU vor. Dann müssten die einzelnen Staaten zumindest ihren Part ratifizieren, hieß es. Sollte sich der EU-Rat für eine vorläufige Ceta-Anwendung entscheiden, werde er sich wohl auf den Teil beschränken, für den er eindeutig zuständig ist - ohnehin der weitaus größere Bereich, wie betont wurde.
Die Anhörung fußte auf den EU-Ratsdokumenten 10970/16, 10968/16 und 10696/16. Zudem ging es um Anträge aus dem Bundestag: Die Linke fordert, die vorläufige Anwendung des Ceta-Abkommens zu verweigern (18/8391) und Bundestag und Bundesrat an der Abstimmung über Ceta zu beteiligen (18/9030). Bündnis 90/Die Grünen wollen, dass dem Ceta-Abkommen so nicht zugestimmt (18/6201) und der Bundestag im Vorfeld der Genehmigung der vorläufigen Ceta-Anwendung beteiligt wird (18/9038).
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