Teilhabegesetz: Experten für Korrekturen
Berlin: (hib/CHE) Trotz Betonung der positiven Aspekte reagiert eine Mehrheit von Experten vor allem kritisch auf das geplante Bundesteilhabegesetz (BTHG) und fordert entsprechende Nachbesserungen. Der Entwurf (18/9522) der Bundesregierung für ein BTHG sowie Anträge von den Fraktionen Die Linke (18/10014) und Bündnis 90/Die Grünen (18/9672) waren am Montag Gegenstand einer Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales.
Schwerpunkt des Gesetzes ist die Neufassung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - SGB IX. Die Eingliederungshilfe soll aus dem „Fürsorgesystem“ der Sozialhilfe herausgeführt und das SGB IX zu einem Leistungsgesetz aufgewertet werden. Fachleistungen sollen künftig klar von den Leistungen zum Lebensunterhalt getrennt werden. Diese Reform, wie auch die Einführung eines bundesweiten Budgets für Arbeit oder die Bündelung von Reha-Leistungen begrüßten die Sachverständigen auch. Deutlich kritisiert wurde hingegen die Regelung, wonach der Erhalt von Eingliederungshilfe an Einschränkungen in fünf von neun im Gesetz definierten Lebensbereichen gebunden ist. Auch wurde von mehreren Verbänden gefordert, das bisher geltende Prinzip „ambulant vor stationär“ unbedingt im Gesetz zu verankern und den geplanten Vorrang der Pflegeleistungen gegenüber der Eingliederungshilfe zurückzunehmen.
Für den Deutschen Caritasverband betonte Elisabeth Fix, es sei richtig, dass das BTHG die Eingliederungshilfe als „echtes Sachleistungsprinzip“ verankere und das Wunsch- und Wahlrecht behinderter Menschen insgesamt stärke. Die Regelung, Eingliederungshilfe nur zu gewähren, wenn eine Einschränkung in fünf Lebensbereichen vorliege, bezeichnete sie jedoch als „willkürlich“ und nicht ausreichend begründet. Horst Frehe, Sozialpolitiker und ehemaliger Sprecher des Deutschen Behindertenrates, nannte diese Regelung „völlig missglückt“. Es sei zu befürchten, dass Menschen mit Sinnes- oder Lernbeeinträchtigungen aus dem System herausfallen.
Das „Poolen“ von Leistungen, also eine nicht individuell sondern nur gruppenweise genehmigte Leistung, kritisierte die Richterin Nancy Poser. Gemeinsame Leistungen, wie zum Beispiel gebündelte Fahrdienste, seien schon heute möglich. Unzumutbar sei so etwas jedoch, wenn es um die Lebensführung in der eigenen Wohnung gehe, sagte Poser. Michael Conty, Vertreter des Bundesverbands der evangelischen Behindertenhilfe, mahnte, ein Poolen von Leistungen dürfe es nur mit Zustimmung der Betroffenen geben. Als Chance für eine wirtschaftlichere Leistungserbringung wertet dagegen Irene Vorholz, als gemeinsame Vertreterin des Deutschen Landkreistages und des Städte- und Gemeindebundes geladen, diese Bündelung von Leistungen.
Zum Vorrang der Pflegeleistungen sagte Antje Welke von der Bundesvereinigung Lebenshilfe: „Die Eingliederungshilfe darf kein nachrangiges Prinzip werden.“ Die Träger dürften sich nicht aufgrund finanzieller Vorteile auf die Pflegeversicherung zurückziehen, denn die Eingliederungshilfe sei „etwas ganz anderes“.
Die Anhebung der Einkommens- und Vermögensfreibeträge zur Verrechnung von Eingliederungsleistungen fand eine positive Resonanz. Jedoch verwies Janis Mc David darauf, dass nur die erwerbsfähigen Menschen mit Behinderungen davon profitierten und beim Übergang in die Rente zudem wieder die schärferen Vermögensgrenzen gelten würden. „Nur eine vollständige Aufhebung der Einkommens- und Vermögensgrenzen sorgt für echte Teilhabe“, sagte er.
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