Zeugen berichten von BND-Pannen
Berlin: (hib/wid) Der Vizepräsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Guido Müller, hat nach eigenen Worten von Lauschangriffen seiner Behörde auf Ziele mit EU- und Nato-Bezug lange Zeit nichts gewusst. Er habe sich so etwas auch nicht vorstellen können, betonte Müller in seiner Vernehmung durch den 1. Untersuchungsausschuss (NSA): „Von unserer Perzeption aus war das ein No Go.“ Der heute 50-Jährige war von 2007 bis 2013 Referatsleiter in der mit der Dienst- und Fachaufsicht über die Nachrichtendienste des Bundes betrauten Abteilung 6 des Kanzleramtes. Seither ist er als einer von drei BND-Vizepräsidenten unter anderem zuständig für Haushalt und innere Organisation der Behörde.
Dass auch der BND in der strategischen Fernmeldeaufklärung Suchmerkmale steuerte, die zur Ausspähung von Verbündeten geeignet waren, habe er erst im März 2015 erfahren, erklärte Müller: „Bestimmte Dinge habe ich erst dieses Jahr nachvollziehen können. Im Februar habe ich erstmals einen der Selektoren, die Sie nennen, gesehen.“ Zuvor sei ihm weder in seiner Zeit als BND-Aufseher im Kanzleramt noch später der Gedanke gekommen, der deutsche Auslandsnachrichtendienst könnte sich auch für befreundete Ziele interessieren. Der Leitfaden für die Tätigkeit des BND sei schließlich das sogenannte Auftragsprofil der Bundesregierung (APB). Dort sei von EU, Nato oder Vereinten Nationen als Objekten der Bespitzelung keine Rede: „Deshalb war das für mich nicht vorstellbar, dass das erfolgt.“
In seinen Kontakten mit BND-Mitarbeitern als Referatsleiter im Kanzleramt wie auch später als Vizepräsident seien solche Lauschmaßnahmen nie zur Sprache gekommen. Er hätte sie im übrigen für das „Verbrennen von Ressourcen“ gehalten. Von der mündlichen Weisung des Kanzleramts an den damaligen BND-Präsidenten Gerhard Schindler Ende Oktober 2013, die Ausspähung von Verbündeten einzustellen, habe er nichts erfahren. Eine Schriftfassung habe er laut Aktenlage im April 2014 abgezeichnet, aber den Inhalt offenbar nicht zur Kenntnis genommen, weil er nicht in seine Zuständigkeit fiel. Im übrigen halte er die Einschätzung der Kanzlerin, dass Lauschangriffe „unter Freunden“ ungehörig seien, nach wie vor für richtig.
Zuvor hatte die frühere Datenschutzbeauftragte des BND dem Ausschuss berichtet, dass auf der Sachbearbeiterebene lange Zeit große Verwirrung geherrscht habe über die Kriterien, nach denen politische Brisanz oder Zulässigkeit einer Abhörmaßnahme zu beurteilen sind. Die Zeugin H.F. war im März 2015 von BND-Präsident Schindler persönlich zur Leiterin einer „Prüfgruppe Selektoren“ berufen worden. Sie sollte den Einsatz politisch fragwürdiger Suchmerkmale der amerikanischen National Security Agency (NSA) in der Abhöranlage in Bad Aibling untersuchen und Empfehlungen formulieren.
In Gesprächen mit Mitarbeitern der Abteilung Technische Aufklärung (TA) habe sie immer wieder gehört: „Wir schwimmen so ein bisschen. Uns fehlt die linke Grenze und die rechte Grenze.“ Es sei zwar klar gewesen, dass Daten deutscher „Grundrechtsträger“ nicht erfasst werden durften. Darüber hinaus habe aber niemand genau gewusst, was zulässig und unzulässig war. Dies sei als „wesentliches Manko“ empfunden worden.
Es gab zwar, wie der Abteilungsleiter auf Nachfrage versicherte, eine „Weisungslage“. Doch sei diese Weisung als hoch geheim eingestuft gewesen, so dass auch Mitarbeiter der Abteilung selbst sie nicht ohne weiteres zur Kenntnis nehmen durften. Sie sei obendrein für schlichte Sachbearbeiter unverständlich gewesen. Eine nachgeschobene Erläuterung habe die Verwirrung nur vergrößert.
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